Wahrscheinlich reden sich die deutschen Innenminister gegenseitig in Panik, wenn sie sich treffen. Erst recht, wenn Unionsminister unter sich sind. Und danach preschen sie - wie Bundesinnenminister Thomas de Maizére und der sächsische Innenminister Markus Ulbig - mit markigen Forderungen vor, die das Gespenst des Terrorismus erst recht riesengroß an die Wand malen. Ulbig hat sein neues Kraftmenü nach der Kabinettssitzung am Dienstag, 9. August, (noch einmal) verkündet.

„Die Umrüstung ist Ulbig zufolge schon längerfristig geplant und Bestandteil eines 13 Millionen Euro umfassenden Anti-Terrorpakets im aktuellen Doppelhaushalt 2015/16“, meldete die in Chemnitz erscheinende „Freie Presse“ dazu. „Mit der Summe werden auch stichfeste Schutzwesten, gepanzerte Fahrzeuge, sogenannte Mitteldistanzwaffen und ballistische Helme finanziert, die besonders gut bei Explosionen und vor herumfliegenden Splittern schützen. Zur besseren Eigensicherung sollen die Beamten zudem mit Körperkameras ausgerüstet werden. Dazu ist in Sachsen zunächst ein Pilotprojekt mit maximal 100 Minikameras geplant. Befestigt am Körper der Beamten, sollen sie vor allem Angriffe auf die Ordnungshüter aufklären helfen.“

Immer dann, wenn der Innenminister deftige Kritik für seine fehlgelaufene Personalpolitik bei der Polizei bekommt – wie Anfang des Monats nach einer Landtagsanfrage des innenpolitischen Sprechers der Grünen, Valentin Lippmann, prescht er vor und verspricht den Sachsen, mit neuer technischer Ausrüstung würde er diese heruntergeschrumpfte Polizei nun wieder stärken.

Das ließ ihm am Dienstag, 9. August, auch der innenpolitische Sprecher der Linksfraktion, Enrico Stange, so nicht durchgehen. Erst recht, weil Ulbig wieder einmal die Terrorkarte zog, um technische Anschaffungen zu begründen.

„Der Innenminister versucht heute gleich zweifach, sich mit medialen Räuberpistolen als Terrorbekämpfer zu inszenieren. So will er die schon vor zwei Jahren beschlossenen Ausgaben für neue Dienstpistolen, Stichschutzwesten, ballistische Helme und gepanzerte Fahrzeuge ernsthaft als Neuigkeit verkaufen. Diese Beschlusslage ist schon mit dem Doppelhaushalt im Frühjahr 2015 hergestellt worden. Die Ausrüstungsgegenstände sind reine Ersatzbeschaffungen für nicht mehr zeitgemäße Dienstutensilien“, sagte Stange.

So jedenfalls war es auch in der LVZ vom 27. Juli zu lesen gewesen. Es werden ja nun einmal nicht mehr Anschaffungen, wenn der Minister immer wieder neu davon erzählt. Entsprechend detailliert ist denn die von Stange jetzt gestellte Landtagsanfrage, in der er genauer wissen will, welche Polizisten mit den neuen Ausrüstungsgegenständen ausgestattet werden sollen.

Aber wie Unions-Innenminister so sind: Sie holen immer wieder auch die wilde Idee aus der Kiste, die Bundeswehr solle unbedingt zur Terrorabwehr im Inland zusammen mit der Polizei eingesetzt werden. Vertrauen in seine Polizei hat dieser Innenminister jedenfalls nicht.

„Ulbigs Plädoyer für gemeinsame Übungen von Polizei und Bundeswehr zur Terrorbekämpfung ist der zweite durchsichtige Versuch, mit Scheinlösungen bei der Bevölkerung Eindruck zu schinden“, sagt Stange. „Weder gibt die Verfassungslage diese Konstellation her, noch ist diese Überlegung sinnvoll. Die innere Sicherheit trägt bewusst diese Bezeichnung und ist Polizeiaufgabe. Die Außenverteidigung ist Aufgabe der Bundeswehr als Verteidigungsstreitmacht. Dieser kluge und aus schlimmen Erfahrungen entstandene Grundsatz der Verfassung, Polizei und Militär zu trennen, darf nicht von hilflosen Innenministern kopflos der eigenen Unfähigkeit geopfert werden. – Für einen erfolgreichen innerstaatlichen Bevölkerungsschutz ist vor allem eines nötig: polizeiliche Kärrnerarbeit. Ulbig sollte dafür endlich alle erforderlichen Rahmenbedingungen schaffen.“

Aber Ulbig hatte ja nicht nur das sowieso schon beschlossene Beschaffungspaket genannt, sondern auch eines seiner Lieblingsprojekte, mit denen er jetzt Druck macht, um in Sachsen neue Gesetzeslagen zu erreichen. Das andere Projekt war die Vorhersagesoftware „PreCops“, für die er noch lange kein Grünes Licht bekommen hat. Und bei der Einführung von Körperkameras, sogenannten BodyCams, hat er nicht mal eine gesetzliche Grundlage.

Dafür bekommt Ulbig auch entsprechend deutliche Kritik vom Koalitionspartner, denn dieser Vorstoß scheint in keiner Weise abgesprochen.

Entsprechenden Gesprächsbedarf mit dem Koalitionspartner sieht deswegen Albrecht Pallas, der innenpolitische Sprecher der SPD-Fraktion, was die Erprobung von sogenannten BodyCams betrifft, mit denen Angriffe auf Polizisten eingedämmt werden sollen.

„Die Verwendung solcher Körperkameras ist ein massiver Eingriff in die Grundrechte. Hier muss zusammen mit dem Sächsischen Datenschutzbeauftragten genau geprüft werden, was zulässig und verhältnismäßig ist und was nicht. Bei aller Dringlichkeit, unsere Polizistinnen und Polizisten besser zu schützen: Gründlichkeit geht dabei vor plakativen Schnellschüssen!“, kritisiert er den Minister. „Statt nun noch zusätzlich ein eigenes sächsisches Pilotprojekt aufzulegen – wie es der Innenminister jetzt vorgeschlagen hat – sollten wir die Erfahrungen anderer Bundesländer nutzen, in denen entsprechende Pilotprojekte laufen. Das spart Zeit und Geld, welches dann für andere Vorhaben im Polizeibereich zur Verfügung stünde.“

Bislang hat die Bundespolizei einen solchen Testlauf mit BodyCams gestartet.

In Sachsen existieren – nach Auskunft von Markus Ulbig selbst – nicht einmal die gesetzlichen Grundlagen für deren Einsatz. Er dürfte also auch nicht einmal eine Erprobung beauftragen.

Gegenüber Valentin Lippmann, dem innenpolitischen Sprecher der Grünen, hatte er auf Anfrage hin betont: „Die Behörden des Freistaates Sachsen, insbesondere der Polizeivollzugsdienst, nutzen sogenannte BodyCams nicht und haben diese bisher auch nicht erworben. Eine Rechtsgrundlage im Sächsischen Polizeigesetz (SächsPolG), die Videoaufnahmen zur Eigensicherung regelt, besteht nicht.“

Und das war am 27. Juli. Nach dieser kurzen Ausführung hat er Lippmann dann wieder – genauso wie im Fall PreCops – abgehalftert, dass der unbedingt so genau Bescheid wissen wollte über eine reine Regierungsangelegenheit.

Enrico Stanges Landtagsanfrage zum Beschaffungspaket für die sächsische Polizei. Drs. 5852

Markus Ulbigs Antwort auf Valentin Lippmanns Anfrage zu den BodyCams. Drs. 5655

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