Wenn es darum geht, den Bürgern eine fiktive Sicherheit vorzugaukeln, sind deutsche Innenminister erfindungsreich. Am 16. Juni zum Beispiel trafen sie sich, um hinterher eine sorgenvolle „Schengener Erklärung“ abzugeben. Was Sachsens Innenminister Markus Ulbig (CDU) noch nicht reichte: Er verkündete am 17. Juni seinen Traum, seine Polizei jetzt auch noch mit Body-Cams und einer „Vorhersagesoftware“ namens PreCops auszustatten.

Das Wort „Vorhersagesoftware“ muss man dabei in Anführungszeichen setzen, denn diese Software sagt natürlich gar nichts voraus. Sie berechnet – gefüttert mit den Daten der polizeilichen Ermittlungsarbeit – nur Wahrscheinlichkeiten für künftige Wohnungseinbrüche. Um mehr geht es erst mal gar nicht. Aber um das Thema zu lancieren, haben ja die vereinigten deutschen Innenminister in den vergangenen Monaten keine Gelegenheit versäumt, die wachsende Zahl von Wohnungseinbrüchen zu beschwören und eine zielgerichtet agierende Einbruchsmafia als Ursache zu erfinden.

Dass die seit 2010 hohen Wohnungseinbruchszahlen in Sachsen (und insbesondere in Leipzig) eher nichts mit einer Einbruchsmafia zu tun haben, die hier gezielt Tresore und Weinkeller ausräumt, haben wir in einem eigenen Beitrag schon analysiert.

Wenn man aber so eine Mafia als Ursache für die meisten Einbrüche ausschließt, kommt man an den Punkt, an dem konservative Politiker in Deutschland einfach die Analyse verweigern: Warum steigen mit zunehmenden Sanktionen in den Jobcentern und zunehmender Dominanz von Chrystal Meth auf dem Drogenmarkt die Wohnungseinbruchszahlen? Gibt es da Zusammenhänge?

Wir vermuten: ja.

Dann aber macht Ulbigs Traum von einer „Vorhersagesoftware“ wenig Sinn, wie ihn das Sächsische Innenministerium am 17. Juni verkündete: „Angesichts der steigenden Anzahl von Wohnungseinbrüchen ist neben der weiteren Unterstützung von Präventionsmaßnahmen der Haus- und Wohnungseigentümer, vor allem eine Verbesserung der technischen Möglichkeiten bei der Polizei erforderlich. Dazu zählen beispielsweise Systeme zur Gesichtserkennung, das Prognosesystem ‚Pre Crime Observation System‘ (PreCops) oder die Einführung einer länderübergreifenden Intensivstraftäterdatei ‚Wohnungseinbrüche‘.“

Schon zu einer vorhergehenden Landtagsanfrage des innenpolitischen Sprechers der Grünen-Fraktion, Valentin Lippmann, hatte Ulbig eingestanden, sich ein „Pre Crime Observation System“ (PreCops) zu wünschen. Seine Aussage vom 17. Juni klang aber so, als wäre er bei der Verwirklichung seines Wunsches schon deutlich weiter.

Also hat Lippmann noch einmal nachgefragt und jetzt Antwort bekommen. Oder einen Zusammenschiss. So kann man die langen Ausführungen des Ministers auch lesen, der Valentin Lippmann einen regelrechten Missbrauch des Fragerechts vorwirft.

Aber eigentlich gibt Markus Ulbig zu, dass er längst daran arbeitet, PreCops für die sächsische Polizei anzuschaffen. Er will sich dabei nur nicht von Dritten in die Karten schauen lassen. „Eine Abfrage der verschiedenen Verfahrensstadien zur Vorbereitung einer etwaigen Einführung von PreCops würde möglicherweise zu einem Mitregieren Dritter führen“, behauptet er. „Eine Informationspflicht in diesem Stadium besteht daher nicht. Hier ist der interne Willensbildungsprozess, der in den Kernbereich der Exekutive fällt, betroffen.“

Und mit Dritten meint er ganz bestimmt nicht den Bürger, diesen gern ausgespähten Souverän, sondern die Opposition im Landtag. Hat die nun ein Recht, frühzeitig zu erfahren, ob Ulbig so eine Software kaufen möchte, oder nicht? Und hat sie vielleicht gar ein Recht, das durch eine Landtagsinitiative zu verhindern?

Denn genau das ist es doch, was Ulbig meint, wenn er von einem „Mitregieren Dritter“ spricht.

Und ganz so harmlos ist sein Verfahrensstand auch nicht, wie er suggeriert: „Der Staatsminister des Innern hat im Juni 2016 einen anstehenden Prüfungs- und Entscheidungsprozess innerhalb der Staatsregierung angesprochen indem er erklärte, dass es seine politische Zielsetzung sei, angesichts der steigenden Anzahl von Wohnungseinbrüchen, neben der weiteren Unterstützung von Präventionsmaßnahmen der Haus- und Wohnungseigentümer, vor allem die technischen Möglichkeiten bei der Polizei zu verbessern. Dazu zählt auch beispielsweise das Prognosesystem ‚Pre Crime Observation System‘ (PreCops).“

Er hätte ja auch schreiben können, dass PreCops nicht dazugehört.

So aber bestätigt er, dass er PreCops unbedingt haben möchte. Und dass er die Opposition darüber so lange nicht informieren möchte, bis alles in Sack und Tüten steckt. Das steht nämlich indirekt im nächsten Satz: „Mit den Fragen wird begehrt, die näheren Inhalte dieses noch nicht abgeschlossenen Beratungsprozesses der Staatsregierung über eine mögliche zukünftige Nutzung von PreCops in Erfahrung zu bringen.“

Und dann lässt er dem eine ganze Seite mit Vorwürfen folgen, in denen er Lippmann vorwirft, sein Fragerecht als Abgeordneter zu missbrauchen.

Deutlicher ist die Intransparenz sächsischen Regierens lange nicht gezeigt worden. Oder ist es eher die wohl berechtigte Angst, dass Oppositionsfraktionen wie die Grünen aus bestätigtem Wissen heraus den Antrag stellen, Sachsen möge auf den Ankauf von PreCops verzichten? Zum Beispiel, weil es schlicht das Geld nicht wert ist, das dafür ausgegeben werden soll?

Valentin Lippmanns Nachfrage „Anschaffung von polizeilicher Vorhersagesoftware (PreCops‘)“. Drs. 5657

Mehr zum Thema auf L-IZ.de: Sächsischer Rechnungshofbericht 2014: CDU sieht sich gelobt, Opposition sieht Sparpolitik als Luftblase enttarnt

Sachsens Innenminister will seine Polizei-Probleme jetzt tatsächlich mit mehr Überwachung der Bürger lösen

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Statistische Auswertung von Einbruchsdiebstählen zur Prognose/Wahrscheinlichkeitsermittlung/Vorhersage von künftigen Einbrüchen ist schon immer Mittel der polizeilichen Präventionsarbeit. Gründe die gegen einen solchen Einsatz sprechen kann ich im Artikel nicht finden.
Das dies nun zukünftig (Stand der Technik) mittels (hoffentlich) hochentwickelter SW Lösungen “PreCops” geschehen soll ist somit zu begrüssen.

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