Wer Orden in regelrechten Tonnagen vergibt, der muss natürlich auch damit rechnen, dass etliche dubiose Gestalten einen solchen Orden bekommen. So wie beim Sächsischen Fluthelferorden, den Ministerpräsident Stanislaw Tillich (CDU) in der erstaunlichen Zahl von 38.433 unters Volk gebracht hat. Eine der Medaillen bekam auch PEGIDA-Gründer Lutz Bachmann 2014 ans Revers geheftet.

Die Geschichte hat jĂĽngst die „Bild“-Zeitung ausgegraben. Denn geschehen ist das schon vor der PEGIDA-GrĂĽndung bei einer Veranstaltung mit 500 Helfern im Januar 2014, denen die damalige Dresdner OberbĂĽrgermeisterin Helma Orosz (CDU), damals im Auftrag des sächsischen Ministerpräsidenten Stanislaw Tillich, den Fluthelferorden ĂĽberreichte. Bachmann hatte während der Flut von 2013 ein Fluthilfezentrum im Dresdner GlĂĽcksgasstadion organisiert und HilfsgĂĽter und Spenden sammeln lassen. Also etwas Ă„hnliches gemacht wie „Leipzig hilft“ in Leipzig – da schlossen sich ĂĽber 80 Menschen zusammen, organisierten und packten sechs Wochen lang in Leipzig, Halle, Dautzschen und MeiĂźen zu.

Nur dass sich bei „Leipzig hilft“, das sich mit medialer Unterstützung der L-IZ ins Getümmel (unterm Text verlinkt) stürzte, niemand um den silbernen Orden geprügelt hat. Oder mal so gesagt: In Leipzig kam niemand auf die Idee, die hilfsbereite Gruppe vorzuschlagen. Was natürlich auch wieder leipzig-typisch ist. Man blubbert in seiner bekannten Soße und bekommt nicht mit, was außerhalb der gut verschwisterten Kreise so passiert.

Denn nicht die Staatsregierung wählte die Menschen aus, die man als besonders exponierte Helfer des Ordens für würdig hielt, sondern noch im August 2013 rief die Staatsregierung dazu auf, man möge Vorschläge für die zu Ehrenden schicken. Und während man damals noch jammerte, es lägen erst ein paar hundert Vorschläge vor, waren es am Ende über 38.000 Orden, die unters Volk geworfen wurden. Eigentlich wollte Tillich sogar 60.000 verteilen. Dass Helfer etwa vom Malteser-Dienst oder von Freiwilligen Feuerwehren geehrt wurden, ist ja eher nicht das Problem.

Das Problem ist eher: Sind die Ordensträger der Würdigung würdig?

Seit die Bachmann-Geschichte bekannt wurde, ist der linke Landtagsabgeordnete André Schollbach wieder hellhörig geworden.

Immerhin war Bachmann auch vor dem Januar 2014 schon kein unbeschriebenes Blatt.

Und Schollbach wollte schon gern wissen, welche Personen noch geehrt worden sind. Denn ein Orden sei nun einmal ein staatlicher Ehrenerweis, der Ausgezeichnete bekomme eine Vorbildfunktion.

Bei Wikipedia ist dazu zu lesen: „Orden und Ehrenzeichen sind Auszeichnungen in Form tragbarer Abzeichen, die von staatlichen oder staatlich autorisierten Stellen, als Belohnung für geleistete Dienste oder vorbildliches Verhalten verliehen werden, sowie um sich die Loyalität der auszuzeichnenden Person zu sichern. Orden und Ehrenzeichen besitzen politischen Charakter, als Staatssymbole stehen sie unter dem besonderen Schutz des Staates, sie dienen seiner Selbstdarstellung und transportieren dessen Werte.“

Aber als Schollbach nun die Namensliste haben wollte, staunte er: Ganz im Widerspruch zu ihren extensiv betriebenen öffentlichen Ordensverleihungen begann die Staatsregierung schlagartig zu mauern. So erhielt Schollbach zwar Listen der Personen, die einen Orden erhalten hatten. Jedoch wurde ihm verboten, seine Erkenntnisse zu veröffentlichen, teilt er mit. Damit mache es ihm die CDU-geführte Regierung unmöglich, seinen Aufgaben als Oppositionsabgeordneter ordnungsgemäß nachzukommen. Denn zur wirksamen Kontrolle der Regierung gehöre nun einmal, dass sie sich einer öffentlich-kritischen Diskussion stellen muss.

Schollbach will das aus seiner Sicht verfassungswidrige Vorgehen der Regierung nicht hinnehmen und die parlamentarischen Rechte der Opposition verteidigen. Deshalb geht er nun im Organstreitverfahren einmal mehr vor dem Verfassungsgerichtshof gegen die Geheimniskrämerei vor.

„Offenbar gefällt sich die sächsische Regierung darin, mit den Rechten der Opposition nach Gutsherrenart zu verfahren. Es fragt sich, was der Ministerpräsident zu verbergen hat, dass er sich weigert, öffentlich mitzuteilen, wem er alles einen Orden an die Brust geheftet hat“, sagt Schollbach. „Orden sind eine besondere Auszeichnung. Ihre massenhafte Verleihung durch CDU-Ministerpräsident Tillich erinnert an das Verhalten von SED-Chef Honecker in der Endphase der DDR, in der weder mit Orden noch mit Auszeichnungen gegeizt wurde. Die tausendfache Verleihung von Orden und die damit verbundene Selbstinszenierung der CDU-Granden sagt einiges über den Zustand der sächsischen Demokratie aus. Wer zu lange an der Macht bleibt, verliert offenbar den Bezug dazu, was angemessen ist. Erst die massenhafte Verteilung von Orden im Honecker-Stil, dann die staatliche Finanzierung der Biedenkopf-Tagebücher: Mit welcher Peinlichkeit blamiert uns die CDU wohl als Nächstes?“

Der linke Landtagsabgeordnete AndrĂ© Schollbach hatte mittels mehrerer Kleiner Anfragen erst in Erfahrung gebracht, dass sich in den vergangenen Jahren eine regelrechte Ordensflut ĂĽber den Freistaat ergoss. So verlieh Ministerpräsident Tillich zwischen 2013 bis 2015 insgesamt 38.433 Flutorden. 2013 heftete er 9.597 Personen einen Orden an die Brust, im Jahr 2014 wurden satte 27.770 Orden verliehen, 2015 waren es 1.066. Die Kosten der CDU-Staatsaktion fĂĽr den Steuerzahler: 268.619 Euro. Die Verleihungen erfolgten in vielen öffentlichen Veranstaltungen – so auch live ĂĽbertragen vom Staatssender MDR in der Semperoper – mit Pomp und stets zahlreich anwesender CDU-Prominenz.

Den Festakt am 14. September 2013 im MDR promotete der Heimatsender zum Beispiel mit den Worten: „In der Semperoper wird er persönlich (MP Stanislaw Tillich, d. Red.) die ersten Orden verleihen. MDR-Moderatorin Mareile Höppner führt durch das Programm und wird neben bewegenden Bildern der Flut auch Kurzporträts sächsischer Fluthelfer vorstellen. Den musikalischen Rahmen gestaltet die Sächsische Staatskapelle gemeinsam mit dem Sächsischen Staatsopernchor.“

Da wäre es wirklich interessant zu erfahren, wer alles so einen Orden bekommen hat und wie viele brave Parteisoldaten dabei waren.

Die Kleine Anfrage zu den Fluthelferorden. Drs. 4754

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Hätte man das Geld nicht besser für die Flutopfer verwenden können? Wer braucht denn so ne olle Blechmünze?

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