KommentarWer so viel vorm Computer klönt wie ich, der hat diese seltenen Momente, da scheint es in der Luft zu klingeln, Sternenstaub rieselt herunter und aus dem Bildschirm rinnt so ein kleines Tröpflein Wirklichkeit. Da bin ich baff. Meistens verbrenne ich mir dann die Gusche, weil der Kaffee noch heiß ist. Gestern hatte ich wieder so einen Moment. Und ich dachte mir: Den erzählst du weiter. Geht ja um die CDU.

Ja, das ist die fleißige Truppe, die hier in Sachsen regiert seit Ole Dingsda. Übrigens die allergrößte Fraktion der Welt. Zumindest im Sächsischen Landtag. So groß, dass in der ganzen Legislaturperiode (also von einem Wahltag bis zum nächsten) nicht mal die halbe Truppe zu Wort kommt, weil immer die anderen reden. Oder kein Posten übrig war. (In den anderen Fraktionen müssen die Abgeordneten Dreifach-Schichten schieben, weil sie nicht genug Leute für alle Posten haben).

Und dann macht’s „Bing!“ Und aus der CDU-Fraktion melden sich zwei Burschen zu Wort, von denen ich noch nie was gehört habe. Kommt vor. Hab ich gleich geguckt: Gibt’s die wirklich? Gibt es. Rico Anton und Sören Voigt.

Was ja nicht das Überraschende war. Überraschend war eher, dass das, was die zwei zu sagen hatten, tatsächlich über den offiziellen CDU-Fraktions-Ticker rausging. Entweder haben sie die Tickermaus mit ’ner Tasse Kaffee bestochen, oder …

Oder es geschehen auch in Sachsen noch Zeichen und Wunder.

Es sei denn, die Meldung war für den heutigen 11.11. gedacht, wenn hier in Leipzig die Narren wieder den Rathausschlüssel ausgehändigt bekommen.

Aber irgendwie waren wohl nicht nur Anton und Voigt richtig sauer und haben sich gedacht: Das muss raus.

Denn die AfD hatte eine Landtagsdebatte beantragt. Darf sie ja. Der Grund war auch einsichtig: Nach all den Krawallen und Anschlägen im letzten Jahr hat sich die von der CDU so geliebte Kampagne „So geht sächsisch!“ erledigt. Geht einfach nicht, die wohlige Gemütlichkeit am sächsischen Kaminfeuer zu besingen, wenn draußen die Scheiben eingeschlagen, Menschen gejagt und Brandbomben geschmissen werden.

Geht nicht.

Aber so haben es die AfD-Compagneros nicht gedacht. Die hatten eine Debatte unter dem Titel „So geht sächsisch nicht!“ beantragt.

Was ja verständlich ist.

Aber damit meinten sie nicht die verfahrene Kampagne. Sie haben dem Ganzen noch so einen schmierigen Untertitel verpasst: „Vertreten sächsische Politiker wirklich ihre Bürger?“

Das war dann auch Rico Anton, der für die CDU auch im Ausschuss für Verfassung und Recht sitzt, zu viel. Und zu schmierig. Geht einfach nicht. Denn durch fleißige Landtagsarbeit sind einige AfD-Spezies wohl doch noch nicht aufgefallen. Und dann kommen die so um die Ecke.

Rico Anton: „Allein der Titel der Debatte ist schon entlarvend. Bei keiner Fraktion im Landtag liegen Anspruch und Wirklichkeit so weit auseinander. Mit dem Finger auf andere zeigen, hetzen und spalten wie die AfD – so geht sächsisch definitiv nicht. Und wenn man sie in der Debatte kritisiert, spielen sie die beleidigte Leberwurst.“

Genießen Sie den Satz. Das ist wie Créme fraiche nach 26 Jahren Margarine. Oder nach zwei Jahren. Länger wurschtelt ja die AfD noch nicht im Sächsischen Parlament herum und tut so, als ob sie sich um die Belange der Bürger kümmert. Was die sächsische CDU vielleicht auch nicht weiter kümmern würde, sie regiert ja. Aber Anton und Voigt gehören noch zu den jungen Leuten in der großen CDU-Fraktion. Und sie haben wohl mitgekriegt, dass da ein paar Leute immer nur mit Nölen und Anschmieren beschäftigt sind, nicht mal nur die politische Konkurrenz anschwärzen, sondern alles beschmieren.

Überall hinzuschmieren: DIE ANDEREN SIND ALLE DOOF! NUR WIR NICHT!

Faulenzen und dann reinkommen und den Moralapostel spielen.

Das fand auch Sören Voigt ziemlich schäbig: „Es ist lächerlich, wie die AfD sich im Landtag als moralische Instanz aufspielt! Dabei fehlten ausgerechnet die Abgeordneten dieser Fraktion bei der gestrigen Sondersitzung des Verfassungs- und Rechtsausschusses. Wer aber an Sitzungen nicht teilnimmt, kann die Interessen seiner Wähler im Parlament nur schlecht vertreten. Für uns als CDU-Fraktion ist klar, dass wir gemeinsam mit der Mehrheit der Menschen Sachsens Zukunft positiv gestalten. So geht sächsisch!“

Nu. Wenn das kein Wort ist?

Autsch.

Ja, ich weiß. Sind erst mal nur Worte. Aber noch ein paar solche Dinger, und ich trete in die CDU ein und verrate denen, wie eine richtig witzige Werbekampagne für unser Königreich geht. Den Titel hab ich schon. Da können Sie Gift drauf nehmen, dass der funzt: „So geht sächsisch NICHT!“

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