Am Mittwoch, 18. Januar, beschäftigte sich der Haushalts- und Finanzausschuss des Sächsischen Landtages mit dem Bericht der Personalkommission der Staatsregierung. Und der Antrag der Grünen zum Thema wurde besprochen. Eigentlich der ideale Zeitpunkt für die regierende CDU, innezuhalten und zu akzeptieren, dass man den Staatsapparat in eine veritable Sackgasse manövriert hat. Denn jetzt beginnt ein Hauen und Stechen um den Nachwuchs.

Aber die Ursache dafür, dass man in dieser Sackgasse steckt, sieht ausgerechnet Jens Michel, der haushaltspolitische Sprecher der CDU-Fraktion, nicht bei der Regierung. Man wäre ja wohl irgendwie flott unterwegs und werde auch das Problem deichseln. Jedenfalls klingt es so, wenn er sagt: „Bei künftigen Nachbesetzungen von Altersabgängen kann es keine stumpfe 1:1-Regelung geben. Da waren sich auch die Experten in der Anhörung einig. Denn Strukturen in der Verwaltung verändern sich stetig oder müssen neuen Bedingungen angepasst werden. Daran hat sich auch die Personalpolitik zu orientieren.“

Es geht schon lange nicht mehr um eine 1:1-Nachbesetzung frei werdender Stellen. Im Polizeidienst fehlen mindestens 1.000 Beamte, im Schuldienst darf man von mehr als 2.000 fehlenden Pädagogen ausgehen. Und gerade da hat Kultusministerin Brunhild Kurth (CDU) gerade deutlich erlebt, dass sie nicht einmal mehr in der Lage ist, die freien Stellen auch mit ausgebildeten Lehrern zu besetzen.

„Über das ‚Wie weiter‘ scheiden sich die Ansichten. Hier wurden auch offene Punkte des Berichtes aufgezeigt. Wichtig für die CDU ist, dass die sächsische Personalentwicklung nicht losgelöst von anderen Bundesländern betrachtet werden sollte“, meint Michel. Ohne zu erklären, was er damit meint: den Personalhunger der anderen Bundesländer oder die deutlich höheren Besoldungen? Oder gar das Abwandern sächsischer Nachwuchspädagogen, die sich auf das heruntergesparte sächsische Bildungssystem gar nicht einlassen wollen?

Und dann bedauerte der CDU-Haushaltsexperte auch noch, dass bei der wichtigen Anhörung im Landtag kein Vertreter der Wirtschaftsverbände da war. „Denn es geht auch um die Frage, wie viel Personal der öffentliche Dienst in Zukunft vom Arbeitsmarkt bindet. Mit Blick auf den demographischen Wandel werden Staat und Wirtschaft immer stärker zu Wettbewerbern um die besten Köpfe des Landes.“

Da hat er etwas erkannt, wovor die Wirtschaftskammern in Sachsen schon seit 2008 kontinuierlich gewarnt haben. Ab 2010 haben sich die Ausbildungsjahrgänge halbiert und viele Unternehmen haben ihre Ausbildungspolitik deutlich geändert. Nur der Freistaat Sachsen nicht – der hat weiter Stellen gestrichen.

„Die CDU hat zehn Jahre lang nichts begriffen und mit ihrer Sturheit den eingetretenen Personalnotstand verursacht. Nun versucht sie, öffentlichen Dienst und Wirtschaft gegeneinander auszuspielen, um von ihrem politischen Versagen abzulenken. Das ist nur noch peinlich“, stellt denn auch Sebastian Scheel, haushalts- und finanzpolitischer Sprecher der Linksfraktion, trocken fest. Wissend, dass die Wirtschaft der Staatsregierung nicht helfen kann, die selbst verursachten Personalprobleme zu lösen. „Tatsächlich geht es jetzt darum, durch attraktive Rahmenbedingungen kluge Köpfe in Sachsen zu halten und hierher zu locken. Vor dieser Herausforderung steht die öffentliche Hand wie die Unternehmerschaft. Mit reinem Reparaturbetrieb werden wir das nicht schaffen, es bedarf vielmehr neuer Ideen. Die sind insbesondere vom amtierenden Finanzminister nicht zu erwarten, er ist selbst ein großer Teil des Problems.“

Da die von der CDU-geführten Regierung verursachten Personalprobleme größer als in anderen Bundesländern seien, bedürfe es auch besonderer Anstrengungen, genügend qualifizierten Nachwuchs zu finden.

„Wir fordern von der Staatsregierung ein umfassendes Personalentwicklungskonzept und damit Klarheit über eine aufgabenbezogene Personalausstattung ein“, sagt Scheel. „Ein ‚Weiter so‘ der gescheiterten Personalpolitik der Sächsischen Staatsregierung darf es nicht geben. Der angerichtete Schaden an den Schulen, in der Polizei und Justiz, aber auch in der öffentlichen Verwaltung ist dramatisch.“

Die SPD hat sich eines Kommentars der Diskussion wohlweislich enthalten, denn in Fragen der Personalpolitik liegt sie mit der CDU oft genug über Kreuz und muss die schwerfällige Regierungspartei immer wieder zum Jagen tragen. Aber Vorschläge, den sächsischen Staatsdienst attraktiver zu machen, liegen noch immer nicht auf dem Tisch. Von einem lange versprochenen Personalkonzept, das wirklich sichtbar macht, was fehlt, ganz zu schweigen. Innenminister Markus Ulbig (CDU) glaubt zwar, eins zu haben, wie er zum Grünen-Antrag dazu erklärt. Aber Stellenpläne sind nun einmal kein Personalkonzept. Sie zeigen nur, was der Finanzminister genehmigt hat einzustellen.

Und was bei Lehrern zu beobachten ist, passiert augenscheinlich auch bei anderen Ausbildungsberufen für den sächsischen Staatsdienst: Die fertig ausgebildeten jungen Leute wandern ab. Darüber berichtete am Mittwoch Frank Nolden, der Rektor der Hochschule in Meißen.

„Professor Dr. Frank Nolden, Rektor der Hochschule Meißen, stellte mit Blick auf die Personalsituation der Hochschule fest, dass man derzeit nicht zukunftsfähig aufgestellt sei“, berichtet Valentin Lippmann, innenpolitischer Sprecher der Grünen, aus der Anhörung. „So werden derzeit noch nicht einmal alle Absolventen der Hochschule in die Landesverwaltung übernommen oder sie werden mit besseren Konditionen in andere Bundesländer abgeworben. Auch der Präsident des Statistischen Landesamtes, Herr Burkhard Müller, legte dar, dass sein Amt die Grenze der Arbeitsfähigkeit erreicht habe, aber immer mehr Aufgaben hinzukommen, ohne dass ein Personalaufwuchs damit einherginge.“

Und so wiederholen auch die Grünen ihre Forderung nach einer schnellen Erarbeitung eines Personalkonzepts, das aufzeigt, wie die Altersabgänge bis zum Jahr 2030 von über 50 Prozent aufgefangen werden, ohne dass die Landesverwaltung ihre Arbeits- und Leistungsfähigkeit verliert.

„Die im Haushalt beschlossenen Stellenaufwüchse reichen dafür bei Weitem nicht aus“, stellt Lippmann fest. „Vielmehr muss durch Einstellung in den nächsten – mit Blick auf die Fachkräfte noch guten – Jahren dafür Sorge getragen werden, dass den hohen Altersabgängen bereits jetzt mit Einstellungen und einer Ausbildung über aktuellen Bedarf begegnet wird. Nur so kann die hohe Zahl der Altersabgänge abgefedert und ein funktionierender Wissenstransfer gestaltet werden. Wir Grünen haben dazu in den Haushaltsverhandlungen den Vorschlag einer Personaloffensive unterbreitet.“

Der Grünen-Antrag mit Stellungnahme der Staatsregierung. Drs. 5674

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