Es sieht ganz so aus, als würden wieder ein paar Millionen Euro für eine politische Schnapsidee in den sächsischen Sand gebaut. Im November beschlossen CDU, CSU und SPD in Berlin – „in einer Nacht- und Nebelaktion“, wie Claudia Maicher sagt – 37 Millionen Euro für die Gründung eines „Instituts für gesellschaftlichen Zusammenhalt“ in Sachsen auszugeben. Eine Polit-Posse nennt es Claudia Maicher, Landtagsabgeordnete der Grünen.

„Wissenschaftliche Erkenntnisse über den Zustand unserer Gesellschaft, Demokratie- und Konfliktforschung ist für das Zusammenleben in Sachsen und Europa wichtig. Wenn dafür 37 Millionen Euro in den nächsten fünf Jahren vom Bund in Sachsen zur Verfügung gestellt werden sollen, braucht es ein Forschungskonzept und klare, transparente Verfahren bei Ansiedlung oder Neugründung eines Instituts“, forderte die Abgeordnete schon im Januar. „Ich möchte wissen wie die Wissenschaftsministerin diesen Prozess begleitet und welche Ressourcen vom Land bereitgestellt werden.“

Dazu stellte sie eine Kleine Anfrage, die nun zwar irgendwie beantwortet wurde. Aber eigentlich ist über das Luftschiff noch immer nichts Genaueres bekannt. Nur so eine Ahnung weht im Wind, dass wieder ein paar bekannte Strippenzieher an der Arbeit sind.

Das sächsische Wissenschaftsministerium teilte nun der Abgeordneten Dr. Claudia Maicher auf ihre Kleine Anfrage hin mit, es könne weiterhin keine Aussagen zum Forschungsvorhaben, dem künftigen Standort, den möglichen Beteiligten, dem Zeitplan sowie den erforderlichen Landesmitteln und Liegenschaften gemacht werden. Die Konzeption eines solchen Instituts werde derzeit vom Bundesministerium für Bildung und Forschung erarbeitet.

„Dass ein Forschungsvorhaben mit 37 Millionen Euro für fünf Jahre beschlossen wurde, bevor überhaupt ein wissenschaftsbasiertes Konzept zur Vergabe in Aussicht steht, macht mich wirklich hellhörig“, erklärt Dr. Claudia Maicher, hochschulpolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion. „Es sollte niemanden verwundern, dass bei so einem hemdsärmeligen Vorgehen der Eindruck des parteipolitischen Wünsch-Dir-Was hängenbleibt. Zumal der Titel des geplanten Instituts – bisher das einzig konkrete – dem im Jahr 2016 in Dresden gegründeten Verein ‚Zentrum für gesellschaftlichen Zusammenhalt und Integration‘ zum Verwechseln ähnelt.“

Dessen Vorsitzender Dr. Joachim Klose ist der Landesbeauftragte der CDU-nahen Konrad-Adenauer-Stiftung in Sachsen. Zu den Gründungsmitgliedern gehört auch der Dresdner Politikwissenschaftler Prof. Werner Patzelt.

Es wäre nicht das erste Mal, dass ein mit Steuermitteln finanziertes Institut in Sachsen in den Verdacht gerät, nur parteipolitischen Interessen zu dienen.

„Demokratie- und Konfliktforschung soll mit öffentlichen Mittel gefördert werden“, bekräftigt die Abgeordnete. „Aber um wissenschaftliche Erkenntnisse über den Zusammenhalt in der Gesellschaft zu erlangen, braucht es eine wissenschaftsbasierte Ausschreibung, ein unabhängiges Institut und Transparenz über die Vergabe der hohen Fördersumme.“

Und sie erinnert dabei an die parteipolitische Instrumentalisierung einer wissenschaftlichen Einrichtung, wie sie am Ende der neunziger Jahre beim Hannah-Arendt-Institut für Totalitarismusforschung an der TU Dresden passierte. Das dürfe es in Sachsen nicht wieder geben, betont sie. Ende der 1990er Jahre stand das Hannah-Arendt-Institut für Totalitarismusforschung an der TU Dresden (HAIT) im Ruch politischer Instrumentalisierung durch die sächsische CDU, namentlich durch den damaligen Kultusminister und heutigen Landtagspräsidenten Dr. Matthias Rößler und Prof. Werner Patzelt, der dem wissenschaftlichen Beirat des HAIT zeitweise vorstand.

Mittlerweile wurde der damalige Konflikt zwar auch wissenschaftlich aufgearbeitet.

Aber augenscheinlich ist das Interesse einiger Akteure in Sachsen, ein eigenes Institut zu haben, mit dem man eigene parteiliche Positionen wissenschaftlich untermauern möchte, nicht erlahmt. Man hat zwar kein Konzept, das Institut mit seiner seltsamen Fokussierung auf „Zusammenhalt“ dockt bislang auch nirgendwo an aktuelle Politik- und Sozialforschungen anderer wissenschaftlicher Einrichtungen an. Aber augenscheinlich fand man im Bildungsministerium offene Ohren für das Anliegen.

Das Vorgehen der großen Koalition in Berlin um das Vorhaben war von Anfang an bizarr, findet Maicher. „Im Forschungsausschuss des Bundestages ist über die Planungen nie fachlich diskutiert worden. Erst bei der Bereinigungssitzung des Haushaltsausschusses wurden die Mitglieder mit einer Tischvorlage des CDU-geführten Bildungsministeriums zur Finanzierung dieses Bundesinstituts überrascht. In der Sache engagiert war offenbar der stellvertretende Vorsitzende der CDU/CSU-Bundestagsfraktion Michael Kretschmer, der auch Generalsekretär der CDU Sachsen ist.“

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