Es gibt eine sinnfällige Kenngröße, die zeigt, ob Kommunen ihre Finanzierung aus eigener Kraft stemmen können – oder eben nicht. Das ist die Steuerdeckungsquote, also der Anteil im Haushalt, den die Kommunen aus eigenen Steuereinnahmen abdecken können. Und auch 26 Jahre nach der „Wende“ sind Sachsens Kommunen arm. Nur ein Viertel ihrer Ausgaben können sie über eigene Steuereinnahmen absichern.

2008 hatte mal kurz der Sächsische Rechnungshof gejubelt, wo man irgendwie der Meinung war, die sächsische Staatsregierung brauche mal wieder ein Lob für ihre gute Arbeit. Da machte man aus einer Schwalbe schon mal einen Frühling. Denn erstmals schafften Sachsens Kommunen damals eine Steuerdeckungsquote von 28,89 Prozent, nachdem dieser Wert noch bis 2003 um die 18 Prozent gelegen hatte. 2004 stieg er dann erstmals auf 21 Prozent und kletterte mit der zunehmenden wirtschaftlichen Stabilisierung im Freistaat auf den besagten Höchstwert im Jahr 2008. Der Rechnungshof sah schon die 30 Prozent am Horizont.

Aber die Rechner täuschten sich. Der Spitzenwert war nur eine Schwalbe. In den Folgejahren sank der Wert wieder. Gleich 2009 auf 23,91 Prozent. Die Finanzkrise schlug sofort durch und verhagelte auch den sächsischen Kommunen die Steuereinnahmen. Der Wert berappelte sich zwar danach wieder, verharrt aber seit 2011 fast unveränderlich im Bereich von 27 Prozent. Was mehrere Gründe hat. Einer ist die lange Zeit in Sachsen propagierte Niedriglohnpolitik. Denn ein Großteil der Eigeneinnahmen stammt aus der Einkommenssteuer. Auf niedrige Löhne entfallen nun einmal auch nur niedrige Einkommenssteuern.

Gleichzeitig stiegen die Sozialausgaben weiter. Obwohl Gewerbesteuer- und Einkommenssteuereinnahmen mit der wirtschaftlichen Erholung wieder stiegen, wurde das vom starken Anstieg der Sozialausgaben völlig kompensiert. Die mehr erwirtschafteten Einnahmen flossen sofort wieder in den Sozialbereich ab. Die Kommunen blieben weiter am Tropf der Überweisungen von Bund und Land. Die wirtschaftliche Erholung schuf keine neuen Investitionsspielräume.

Es ist nicht die einzige Zahl, die der kommunalpolitische Sprecher der Linksfraktion im Landtag, André Schollbach, zur finanziellen Lage der Kommunen in Sachsen abgefragt hat. Augenscheinlich versucht er, ein mit Zahlen untersetztes Bild davon zu gewinnen, wie es um die Finanzkraft der sächsischen Kommunen tatsächlich steht. Immerhin ein heikles Thema, da sich nun einmal in den Kommunen entscheidet, welches Bild die Sachsen von ihrer Heimat haben, ob sie eins der Stagnation bekommen oder eines, das nach Zukunft und Entwicklung aussieht.

Denn dass so viele Sachsen abwandern aus den ländlichen Regionen, hat ja mit diesem Gefühl zu tun, dass eher abgerissen und dichtgemacht wird, als dass neue Entwicklungen gestaltet werden können. Und immer geht es um Geld. Die Steuerertragskraft der ostdeutschen Kommunen ist nach wie vor nur halb so hoch wie die der Kommunen im Westen. Eine Stadt wie Leipzig freut sich erstmals über Gewerbesteuereinnahmen in der Nähe von 300 Millionen Euro. Im etwa gleich großen Nürnberg sind es 600 Millionen.

Die mit 27 Prozent nach wie vor niedrige Steuerdeckungsquote in Sachsen bedeutet eben auch, dass sämtliche Kommunen vom guten Willen insbesondere der Landesregierung direkt abhängig sind. Was in Dresden keine Freunde findet, passiert nicht. Der Landesregierung wächst eine enorme Steuermacht zu bis hinein in sämtliche kommunalen Aufgabenbereiche. Die die Regierung nicht wirklich nutzt – zumindest, wenn es um die Stärkung der kommunalen Eigenständigkeit geht.

Wozu ja Schollbachs viele, viele Fragen zu den beschlossenen und genehmigten Kommunalhaushalten in Sachsen gehören. Immer mehr Kommunen haben Schwierigkeiten, überhaupt noch beschlussfähige Haushalte aufzustellen. Und um die Fördermittel und Finanzausgleichmittel wird zäh und unnachgiebig gefeilscht. Meist mit dem Ergebnis, dass die Kommunalzuweisungen eben nicht nach den finanziellen Möglichkeiten des Landes wachsen. Die Zugeständnisse bleiben fiskalisch eng. Was eben auch bedeutet, dass die Landesregierung ihre Austeritätspolitik bis in die kommunalen Haushalte hinein durchsetzen kann. Finanzierungsvorhaben, die keine Zustimmung auf Regierungsebene finden, finden schlicht nicht mehr statt.

Auch da bremst Landespolitik und schaltet die Kommunen als möglicher Partner bei der Stabilisierung ländlicher Regionen regelrecht aus. Es wird gespart und verwaltet, aber nicht mehr gestaltet. Das könnte ein einzigartiges sächsisches Phänomen sein. Aber die Diskussion um den künftigen Finanzausgleich zwischen den Bundesländern hat gezeigt: Es geht den Kommunen fast überall so. Sie hängen am Tropf und sind mit staatlichen Pflichtaufgaben zugeschüttet, während für eigene Ideen für die Zukunft meist kein Geld mehr da ist im Haushalt.

Anfrage von André Schollbach (Die Linke) „Steuerdeckungsquote der Kommunen im Freistaat Sachsen“. Drs. 8077

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