Am Ende war’s nicht mal mehr ein laues Lüftchen. All das Getrommel aus Sachsen, der Freistaat möge von den Zumutungen des Endlager-Standortauswahlgesetz des Bundes verschont bleiben, verpufften. Auch die sächsischen Bundestagsabgeordneten von CDU und SPD stimmten für das Gesetz. Und das Ärgerlichste: Für Sachsens Rohstoffstrategie kann das Ganze regelrecht nach hinten losgehen.

Noch am 16. März hatte der stellvertretende Vorsitzende des Umweltarbeitskreises der CDU-Fraktion, Ronny Wähner, lautstark verkündet: „Mit dem beschlossenen Atomausstieg muss die Frage der Endlagerung von hochradioaktiven Abfällen gelöst werden – aber nicht auf unsere Kosten! Die jetzt vorgesehenen Abstriche bei den Mindestanforderungen an das Gestein sind eine Sonderregelung, die wissenschaftlich nicht haltbar ist und Sachsen eindeutig benachteiligt.“

Und dann kam wieder dieser ganz unverwechselbare Sachsen-Ton. Statt sich mit anderen Bundesländern abzustimmen, tat Sachsens Regierungskoalition so, als könne das kleine Bundesland eigene Bedingungen diktieren. Das ist schon mehrfach schiefgegangen – auch im Bundesrat. Oft genug saß das kleine Bundesland mit seinem Votum ziemlich einsam da. Aber gelernt hat die sächsische Regierung scheinbar nichts daraus.

„Im Auswahlverfahren müssen Endlagerkonzepte auf Basis einer intakten natürlichen Barriere absoluten Vorrang haben. Wir  wollen keine Sonderbehandlung, sondern eine bundesweite Gleichbehandlung. Deshalb muss der Gesetzentwurf geändert werden!“, kolportierte Wähner die Position, die zwei Tage zuvor der sächsische Umweltminister schon mit breiter Brust verkündet hatte.

„Ich habe kein Verständnis, dass die grundsätzlich für ein Endlager geeigneten Gesteinsformationen, also Ton-, Salz- und Kristallingestein, nicht gleichbehandelt werden sollen“, hatte Umweltminister Thomas Schmidt (CDU) erklärt. Und lieber ein Sondervotum zum Bericht der Kommission „Lagerung hochradioaktiver Abfallstoffe“ abgegeben, als die Freiräume des Entwurfs zu nutzen.

Sachsen versteifte sich darauf, „das Standortauswahlgesetz nach rein wissenschaftlichen Kriterien zu überarbeiten und alle potenziellen Endlagerstandorte gleichzubehandeln. Oberste Prämisse muss dabei die Sicherheit des Endlagers sein – Salz und Ton müssen Vorrang vor Granit haben“, wie die CDU-Abgeordnete Patricia Wissel betonte. Auch das eine Forderung von Schmidt, die sich geradezu seltsam ausnahm, weil das ganze Gesetz darauf abzielt, jetzt tatsächlich einmal mit wissenschaftlicher Unabhängigkeit nach einem möglichen Endlager zu suchen. Aber eben überall in der Republik, nicht nur in Niedersachsen.

Am Donnerstag, 23. März, hat die Bundestagsmehrheit das Standortauswahlgesetz beschlossen.

Das sächsische Theater entpuppt sich als Scheingefecht.

„Der Beschluss des Gesetzes heute im Bundestag macht noch einmal überdeutlich, was für ein populistisches Theater CDU und SPD in der letzten Woche im Sächsischen Landtag vollführt haben. In Berlin tragen CDU- und SPD-Fraktion das Gesetz mit, in Sachsen wollten sie sich vom Acker machen“, kommentiert Volkmar Zschocke, Vorsitzender der Grünen-Fraktion in Sachsen, die Entscheidung. „Im Bundestag gab es von Seiten der sächsischen Koalitionsabgeordneten keine einzige Gegenstimme. Jeder weiß, die ‚weiße Landkarte‘ ist die Voraussetzung, um bei der Suche nach einem Endlager für Deutschland überhaupt voranzukommen. Wir Grünen als Anti-Atom-Partei wollen das denkbar sicherste Endlager in Deutschland. Und das ohne Vorbedingungen.“

Und besonders peinlich für Sachsens Regierung ist die Folge für die geplante Entsorgung der Brennstäbe aus dem Forschungszentrum Rossendorf.

Thomas Schmidt hatte am 14. März noch gepoltert: „Sachsen steht schon seit Jahrzehnten für diese DDR-Altlast in Verantwortung, während der Bund unsere Optionen weiter einschränkt. Die finanziellen Folgen für den Freistaat werden nicht berücksichtigt. Das nehmen wir nicht länger hin.“

Die Bundestagsmehrheit hat dem Polterer einfach die kalte Schulter gezeigt. Es gibt keine Ausnahme für die sächsische Regierung, die Brennstäbe irgendwie doch noch nach Russland zu exportieren ohne zu wissen, was dort daraus wird. Der geplante Export war ja 2010 nicht grundlos untersagt worden.

„Das heute im Bundestag verabschiedete Gesetz schiebt auch den Plänen der verantwortungslosen Billigentsorgung der Rossendorf-Brennstäbe in Majak (Region Tscheljabinsk, Russland) endgültig einen Riegel vor“, stellt Zschocke fest. „Eine ‚billige‘ sächsische Sonderlösung wäre nur auf Kosten der Gesundheit der Menschen dort erkauft worden.“

Und auch Dr. Jana Pinka, Sprecherin der Linksfraktion für Umweltpolitik und Ressourcenwirtschaft, sieht sich in ihrer Haltung bestätigt: „Es hat sich heute im Bundestag bewahrheitet, was ich in der Aktuellen Debatte am 16. März Sachsens Umweltminister Thomas Schmidt (CDU) vorgeworfen habe: ein äußerst populistisches Agieren. Dass ihm nicht mal die sächsischen Bundestagsabgeordneten von SPD und CDU folgen, lässt auch die Entscheidung im Bundesrat nächste Woche erahnen.“

Und dann kritisiert sie die Arbeitsweise des augenscheinlich völlig überforderten Ministers sehr deutlich: „Minister Schmidt hatte lange Zeit, um sich als Mitglied der Kommission ‚Lagerung hochradioaktiver Abfallstoff‘ in Änderungen des Gesetzesentwurfes einzubringen. So hätte er unter Verweis auf die Rohstoffstrategie der Bundesregierung alle Standorte mit strategischen Rohstoffen herausfallen lassen können.“

Statt also diesen Freiraum für Sachsen zu nutzen, hat der Minister gepokert und geglaubt, den ganzen Kuchen zu bekommen. Ist das nur Dresdner Größenwahn oder hat der Minister tatsächlich nicht begriffen, dass Sachsen gar nicht die Macht hat, in Bundesgremien irgendwelche Maximalforderungen durchzusetzen?

Jana Pinka: „Durch seine Fundamentalablehnung gegenüber einer Standortsuche in allen sächsischen Kristallinen hat er aber zu verantworten, dass wichtige andere Schwerpunkte des Gesetzes nicht tiefgründiger besprochen wurden. Folge: Durch sein unkonstruktives Handeln sind nun große Teile Sachsens von einer Veränderungssperre betroffen. Die wirtschaftlichen Folgen liegen auf der Hand, denn Bohrungen im Erzgebirge auf strategische Rohstoffe oder auf Geothermie werden nunmehr verzögert oder verhindert! Herzlichen Glückwunsch, Herr Minister für Rohstoffe und Erneuerbare Energien!“

Der Minister hat sich verhalten, als könne er einfach durch eine Komplettablehnung aus Sachsen das Standortegesetz verhindern, obwohl er ganz genau weiß, dass gerade die großen westdeutschen Länder endlich an einer Lösung interessiert sind.

Und wie er mit dem Müll aus Rossendorf umgehen kann, weiß er sichtlich auch nicht. Ein Hintertürchen hat sich nicht aufgetan.

Dr. Jana Pinka: „Ebenso unkonstruktiv ist auch sein Umgang mit den Rossendorfer Brennelementen, die in Ahaus zwischenlagern und deren Verbleib ungelöst ist. Herr Minister Schmidt, nehmen Sie endlich die Realitäten zur Kenntnis und beginnen Sie eine offene Information und Diskussion in Ihrem Haus und in der Gesellschaft, denn den Vogel Strauß brauchen Sie jetzt nicht mehr zu spielen!“

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Keine Kommentare bisher

Ist das nicht schlimm welches Erscheinungsbild vom Minister ausgeht? Er vertritt den Freistaat Sachsen, also uns Bürger. Wieso läßt er es sich gefallen in eine solche Situation zu kommen? Er steht einem ganzen Ministerium mit vielen Fachleuten vor. Findet er dort keine Hilfe für eine “fortschrittliche” Lösung, um nicht in so eine, wie ich finde, sehr peinliche Entwicklung zu kommen? Wer berät ihn eigentlich?

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