Es ist ein Uraltthema der sächsischen Politik: die Kennzeichnungspflicht für Polizeibeamte. Am heutigen Mittwoch, 15. März, stimmt der Sächsische Landtag darüber ab. Es ist der Gesetzentwurf der Grünen, der zur Abstimmung kommt. Denn – man vergisst es ja so leicht – Polizisten sind auch nur Menschen. Und deshalb fehlbar.

Sie haben einen hochstressigen Job, sind oft genug überlastet und kommen immer wieder da zum Einsatz, wo auch die Gemüter der sonst friedlichen Bürger überkochen. Das führt zwangsläufig auch immer wieder zu Überreaktionen, aber auch zu Situationen, in denen Polizisten ganz vergessen, dass sie eigentlich die Hüter der Ordnung sind und nicht selbst Partei.

Wenn sie ihre Kompetenzen überschreiten, müsste das im Normalfall zumindest untersucht, bei tatsächlichen Gesetzesverstößen auch geahndet werden. Aber dazu kommt es in Sachsen so gut wie nie. Ermittlungen gegen angezeigte Beamte verlaufen ins Leere, weil sie nicht namhaft gemacht werden können. Und damit werden auch jene Polizisten nicht belangt, die tatsächlich mutwillig Amt und Uniform dazu nutzen, ihr Mütchen zu kühlen.

Eine klare Kennzeichnung würde helfen.

„Wir fordern eine sächsische Polizei mit offenem Visier. In Zeiten, in denen die Polizei endlich personell aufgestockt und Angriffe gegen die Polizei deutlich härter bestraft werden, braucht es ein deutliches Mehr an Bürgernähe und Transparenz“, begründet Valentin Lippmann, innenpolitischer Sprecher der Grünen-Fraktion im Landtag, die Forderung. „Mit einer Kennzeichnungspflicht wird sichergestellt, dass ein einzelner Polizeibediensteter jederzeit eindeutig identifiziert werden kann. Was in anderen Staaten und anderen Bundesländern längst eine Selbstverständlichkeit ist, sollte auch in Sachsen endlich selbstverständlich werden.“

Den immer wieder gemachten Vorwurf, die Grünen würden die Polizei unter Generalverdacht stellen, weist er von sich. Denn die Diskussion um den vermeintlichen Generalverdacht verstellt in Sachsen schon seit Jahren die Tatsache, dass die Staatsregierung den Polizeiapparat bis zum Verschleiß heruntergespart hat. Die Polizisten schieben riesige Berge von Überstunden vor sich her. Der Druck entlädt sich logischerweise auch in besonderen Stresssituationen. Um eine echte Aufstockung des Polizeidienstes kommt die Staatsregierung nicht umhin. Da kann und muss sie tatsächlich etwas für „ihre Polizisten“ tun, die sie täglich in Einsatz schickt.

„Wir Grünen stehen für einen starken Rechtsstaat, der auch durch ausreichend und gut ausgebildete Polizeibedienstete geschützt wird, in dem aber auch die Polizei bestmöglich kontrolliert wird. Ich bin der Überzeugung, dass sächsische Polizeibedienstete überwiegend rechtsstaatlich handeln. Gerade sie sollten jedoch wie jeder andere Verwaltungsbedienstete auch namentlich für ihre Entscheidungen stehen“, erklärt Lippmann. „Anders als im sonstigen Behördenverkehr dürfen Polizeibedienstete in Anwendung des staatlichen Gewaltmonopols unmittelbaren Zwang ausüben. Sie dürfen Schlagstöcke oder Pfefferspray einsetzen und Personen die Freiheit entziehen. Diesen schweren, aber in der Regel legitimen Grundrechtseingriffen muss eine identifizierbare Person gegenüberstehen, gegen die im Zweifel auch problemlos ermittelt werden kann.“

Der Gesetzentwurf habe zudem das Ziel, dass die Ermittlungsverfahren gegen Polizeibedienstete zukünftig nicht mehr vor allem daran scheitern, dass die Tatverdächtigen nicht identifizierbar sind.

„Von insgesamt 767 Strafverfahren, die zwischen Januar 2015 und Mai 2016 gegen Polizeibedienstete eingeleitet worden sind, ist nur in sechs Fällen Anklage erhoben worden und in fünf Fällen ein Strafbefehl ergangen“, benennt Lippmann noch einmal die Zahlen, die er im Juni 2016 bei der Staatsregierung abgefragt hat. Der zuständige Minister müsste also wissen, dass es da ein Problem gibt. Lippmann: „Diese Zahlen hinterlassen den Eindruck, dass Polizeibedienstete weit weniger häufig mit Sanktionen für Fehlverhalten fürchten müssen, als der große Teil der Bevölkerung. Das ist sächsischen Bürgerinnen und Bürgern nicht vermittelbar“, ist der Abgeordnete überzeugt.

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