Der König ist nackt. Er weiß nicht, was er tut. Er reformiert aller paar Jahre wie wild drauflos. Aber es interessiert ihn nicht im Mindesten, was draus geworden ist. Das war mit der großen Personalreform so, die Stanislaw Tillich 2009 einläutete, das ist aber auch mit der großen Gebietsreform so, die 2008 durchgezogen wurde, wie nun Franziska Schubert, die haushalts- und finanzpolitische Sprecherin der Grünen im Landtag, erfuhr.

Jede Reform in Sachsen wird mit einem Riesen-Zirkus angekündigt. Minister und Ministerinnen beschwören die enormen Effekte der jeweils neuesten Reform – meist geht es um riesige Ersparnisse bei Personal, bei teuren Behörden, beim „aufgeblähten Verwaltungsapparat“, um einmal dieses so gern gebrauchte Wort zu benutzen.

Die Reformen werden durchgezogen. Und irgendwann sind sie beendet. Oder auch nicht. Zumindest müsste irgendjemand in der Regierung irgendwann sagen können, ob sie das gebracht haben, was die Reformer versprochen haben.

Dass Tillichs große Personalreform von 2009 ein Schuss in den Ofen war, wissen wir inzwischen. Schon heute sind in sämtlichen Landesbehörden die fatalen Folgen dieser völlig unsinnigen Sparmaßnahme zu sehen. Es fehlt überall an qualifiziertem Personal. Und dass die SPD den übermächtigen Koalitionspartner dazu gebracht hat, den sinnfreien Abbau zu stoppen, hat wenigstens noch Schlimmeres verhindert.

Aber wie ist das mit der Gebiets- und Funktionalreform von 2008, bei der Kreise zusammengelegt wurden und die Direktionsbezirke neu zugeschnitten? Hat die wenigstens die enormen Ersparnisse gebracht, die damals versprochen wurden? Immerhin gilt doch bis heute der heilige Zauberspruch, dass größere Verwaltungseinheiten eine Menge Geld sparen.

Franziska Schubert hat zu beiden Teilen der Reform gefragt – der Gebiets- und der Funktionalreform, bei der dann unter anderem auch die Regionalregierungen aufgelöst und die Landesdirektion neu organisiert wurde. Dabei wurde ja auch emsig Landespersonal entweder gestrichen oder in die Kommunalhoheit abgegeben, nicht immer mit der nötigen Finanzierung dahinter.

Aber gerade das hätte eigentlich eine Überprüfung, eine Evaluation nach fünf oder acht Jahren fällig gemacht. Irgendjemand muss sich doch dafür interessieren, ob die Aufgaben auch danach noch in derselben Qualität erledigt wurden, ob die Bürger noch denselben Service bekamen und ob es tatsächlich Geld gespart hat oder gar mehr Geld gekostet hat.

Aber wie das meist so ist, wenn ein Land Aufgaben an die Kommunen hinunter verschiebt: Es fühlt sich niemand mehr verantwortlich dafür, was draus geworden ist.

Die Antwort von Innenminister Markus Ulbig (CDU) zur Funktionalreform war so lakonisch wie nichtssagend: „Eine Evaluation und/oder ein Monitoring hinsichtlich der Auswirkungen der Funktionalreform von 2008 in Bezug auf die kommunalen Haushalte und deren Ausgabegruppen ist nicht durchgeführt worden. Die Beobachtung der Entwicklungen der Kommunalhaushalte ist eine Daueraufgabe im Rahmen der Rechtsaufsicht im kommunalen Haushalt.“

Was ja übersetzt heißt: Die Landedirektionen schauen sich die kommunalen Haushalte an, wenn sie die zur Genehmigung vorgelegt bekommen. Mehr nicht. Man interessiert sich nicht dafür, ob die hinunterdelegierten Aufgaben auch tatsächlich in der nötigen Qualität sichergestellt sind. Man kontrolliert nur, ob die Kommunen mit ihrem Geld zurechtkommen.

Eigentlich hatte Franziska Schubert vier Fragen gestellt. Eine davon lautete: „Falls die Staatsregierung keine Evaluation und/oder ein Monitoring durchgeführt hat: warum nicht?“

Doch genau diese Frage hat Markus Ulbig nicht beantwortet.

Auch bei den Fragen zur Gebietsreform hat er genau dasselbe geantwortet wie zur Funktionalreform. Der Freistaat hat 2008 also einfach Ballast abgeschmissen, sich vieler Aufgaben einfach entledigt und sie den Kommunen zugewiesen. Und dann hat man einfach weitergemacht ohne sich umzuschauen.

Was im Fazit heißt: Die Staatsregierung weiß bis heute nicht, ob die Doppelreform von 2008 irgendetwas gebracht hat, ob sie die Kommunen vielleicht überfordert hat oder dort gar für Kosten gesorgt hat, die mit Geldern abgedeckt werden, die eigentlich für Anderes nötiger gebraucht werden. Der Innenminister weiß also auch nicht, ob nachgesteuert werden müsste oder ob die Geldnöte vieler Kommunen etwas damit zu tun haben.

Er ist genauso ahnungslos wie der Ministerpräsident. Und das ist zumindest sehr bedenklich, denn es heißt: Sachsens Regierung fährt auf Sicht und interessiert sich nicht einmal dafür, was die Reformen in der Vergangenheit eigentlich gebracht haben, ob sie vielleicht gar für Fehlstellen sorgen, die es vorher nicht gab.

Die Anfrage „Auswirkungen der Gebietsreform“. Drs. 8895

Die Anfrage „Auswirkung der Funktionalreform 2008“. Drs. 8894

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