Die Kontroverse um Richter Jens Maier dauert an. Der Jurist, der am Landgericht Dresden tätig ist, kandidiert für die sächsische AfD auf Platz zwei der Landesliste für den Bundestag. Aufgrund öffentlicher Äußerungen besteht der Verdacht, Maier könne gegen das richterliche Mäßigungsgebot verstoßen haben. Seit 18. April ist gegen den 55-Jährigen ein Disziplinarverfahren anhängig.

Der Skandal nahm Mitte Januar seinen Lauf. „Ich erkläre diesen Schuldkult für endgültig beendet“, hatte Maier damals im Brauhaus Watzke bei einer Parteiveranstaltung gesagt. Gemeint war ganz offensichtlich die deutsche Vergangenheitsbewältigung, also der Umgang von weiten Teilen der Gesellschaft, der Politik und der Medien mit den Verbrechen des NS-Regimes. Der Satz hätte ebenso gut aus dem Mund eines NPD-Politikers kommen können.

Das Landgericht reagierte auf den Sturm der Entrüstung. Das Präsidium entzog Maier Ende Januar die Zuständigkeit für Pressesachen. Den Juristen beeindruckte die Maßnahme keineswegs. Auf Facebook hetzte er wiederholt gegen Muslime. Während einer Kundgebung in Freital rühmte sich der Rechtsaußen, als „kleiner Höcke“ zu gelten.

Im April erklärte der Bundestagskandidat bei einer Veranstaltung des rechten Magazins „Compact“, Rechtsterrorist Anders Breivik sei „aus Verzweiflung heraus zum Massenmörder“ geworden. Breivik hatte 2011 in Oslo eine Autobombe gezündet und auf der Insel Utoya 69 Menschen erschossen, überwiegend jugendliche Gäste eines Feriencamps der Nachwuchsorganisation der norwegischen Sozialdemokraten. Insgesamt starben bei den Anschlägen 77 Personen.

Wie Justizminister Sebastian Gemkow (CDU) vergangene Woche dem Landtag mitteilte, leitete Maiers Arbeitgeber daraufhin ein Disziplinarverfahren ein. Das Landgericht prüft seither, ob der AfD-Richter, der innerhalb der Partei als ein Intimfeind Frauke Petrys gilt, gegen das gesetzlich verankerte Mäßigungsverbot verstoßen habe. In diesem Fall könnten gegen Maier Disziplinarmaßnahmen ergriffen werden. Denkbar ist beispielsweise eine Herabsetzung der Bezüge oder die Verhängung einer Geldbuße.

Eine simple Entlassung Maiers aus dem Beschäftigungsverhältnis ist dagegen nicht möglich. Richter sind zwar Beamte, sind durch die richterliche Unabhängigkeit, die im Deutschen Richtergesetz fest verankert ist, besonders geschützt. Eine Entlassung ist nur unter sehr engen Voraussetzungen möglich, etwa dem Verlust der deutschen Staatsbürgerschaft.

Politisches Engagement ist Richtern keineswegs untersagt. Die Leipziger Richterin Andrea Niermann sitzt für die CDU sogar im Stadtrat – ohne durch verbale Eskapaden aufzufallen. Denn Richter haben sich gemäß Paragraph 39 inner- und außerhalb des Gerichtssaals in einer Weise zu verhalten, dass das Vertrauen in ihre Unabhängigkeit nicht gefährdet wird. Das Disziplinarverfahren soll prüfen, ob Jens Maier diese Grenze verletzt haben könnte. Sollte sich der Verdacht erhärten, ist eine Anklage vor dem Dienstgericht wahrscheinlich.

„Dem Betroffenen selbst sollte daran liegen, dass die Wählerinnen und Wähler das Wissen um den Ausgang des Verfahrens in ihre Entscheidung einbeziehen können“, findet der Linken-Abgeordnete Klaus Bartl. Maier selbst macht indes munter weiter Wahlkampf. Anfang Juni trat er öffentlich bei Pegida auf.

Parteichefin Frauke Petry beantragte Mitte Mai Maiers Parteiausschluss. Seither sieht sich die Bundessprecherin mit Machtkämpfen innerhalb des Landesverbands konfrontiert. In dem Antrag, den Petry und Generalsekretär Uwe Wurlitzer eigenmächtig beim Bundesschiedsgericht eingereicht haben, werfen die Verfasser dem Richter parteischädigendes Verhalten vor. „Der Antragsgegner lobt mehrfach und beharrlich die NPD und ist sich dabei der Tatsache bewusst, dass es sich um eine verfassungsfeindliche Partei handelt.“ Wie das Verfahren enden wird, ist angesichts der explosiven Situation hinter der biederen AfD-Fassade schwer abzusehen.

Am 24. September wird der Bundestag gewählt. Sollte Maier ein Mandat erlangen, muss er die Robe zumindest vorübergehend an den Nagel hängen. Die gleichzeitige Ausübung von Richteramt und Bundestagsmandat ist rechtlich verboten, um Interessenskonflikten vorzubeugen. Für die konfliktscheue Justiz vielleicht eine elegante Lösung, um den Skandal heimlich, still und leise unter den Teppich kehren zu können?

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Leider kann ich jetzt nicht offen schreiben, was ich von diesem Mann halten. Ich werd nen Teufel tun und einem Juristen Futter für eine Beleidigungsklage geben, aber ich sags mal so – die Beleidigungen wären sehr eindeutig. Aber zum Glück ist das Denken ja noch straffrei.

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