Es gibt zwei völlig unterschiedliche Arten, Politik zu machen. Die vormundschaftliche, die den Bürger völlig entmündigt und ihn regelrecht im Dunkeln stehen lässt. Und die offene, ehrliche und transparente. Da kann man aber nicht so gut munkeln und allerlei Geheimverträge ausbaldowern. Wie ist das aber in Sachsen? Warum sperrt sich die sächsische Regierung so sehr, ein echtes Transparenzgesetz aufzulegen?

„Sachsen gehört zu den drei Bundesländern, in denen die Bürgerinnen und Bürger abgesehen von einem Auskunftsrecht hinsichtlich Umweltinformationen und anderen Akteneinsichtsrechten keinen gesetzlichen Anspruch auf den umfassenden Zugang zu nicht-personenbezogenen behördlichen Informationen und Dokumenten haben. Das ist ein unhaltbarer Zustand in einer Demokratie und Ausdruck eines Staatsverständnisses, das auf Intransparenz und Herrschaftswissen der Behörden beruht“, beschreibt Katja Meier, demokratiepolitische Sprecherin der Grünen-Landtagsfraktion, das, was den Freistaat und seine Regierung für die Bürger quasi zur Black Box macht.

Dabei sollte Regieren in einer Demokratie eigentlich ein öffentlicher und transparenter Prozess sein. Wenn die Bürger sehen können, wie und mit welchem Aufwand ihre Interessen umgesetzt werden, wächst Vertrauen. Die Wähler haben endlich einen Zugang zur res publica, zu dieser gemeinsamen, öffentlichen Sache, die Politik erst zur Republik macht.

Aber genau das ist nicht der Fall. In Sachsen herrscht ein sehr obrigkeitliches Politikverständnis.

„Die sächsische Staatsregierung hängt in Sachen Behördentransparenz in den 1990ern fest“, stellt Katja Meier fest. „Zwar enthält der Koalitionsvertrag von 2014 Pläne für ein sächsisches Informationsfreiheitsgesetz, mit dem offensichtlich der Sprung in die 2000er geschafft werden soll. Ein solcher Gesetzentwurf liegt allerdings bis heute nicht vor. Wir sind aber mittlerweile im Jahr 2017 und in der Realität einer umfassenden Digitalisierung auch behördlicher Vorgänge und Dokumente angekommen. Dass die zuständigen sächsischen Staatsministerien das noch nicht erkannt haben, ist ein Armutszeugnis.“

Oder – was wohl eher zutrifft – das Ergebnis eines zähen und verbissenen Ringens hinter den Kulissen. Genauso wie bei der Bildungspolitik, die irgendwo in den 1970er Jahren feststeckt, oder der Umweltpolitik, die sich nicht aus den 1980ern verabschieden will. Was aber zu erwarten war, denn gerade die sächsische CDU entfaltet aufgrund ihrer langen Regierungszeit von 27 Jahren ein enormes Beharrungsvermögen. Man spürt regelrecht, wie sie noch in den patriarchalen Zeiten und Denkweisen der Biedenkopf-Ära festhängt und regelrecht Angst davor hat, selbst Dinge zu verändern.

Diese Impulse müssen dann immer vom kleinen Koalitionspartner kommen. Und der verliert viele dieser Fingerhakeleien am Kabinettstisch. Selbst bei solchen Themen, bei denen man sich mit dem Koalitionspartner 2014 eigentlich geeinigt hatte. Trotzdem bleiben die Vorhaben im Räderwerk der jeweiligen Verwaltung hängen, dauert es immer länger, bis sie möglicherweise doch noch zum Gesetz reifen.

Und in Sachen Transparenz kleckert Sachsen im Reigen der Bundesländer schon lange hinterher.

Schon 1998 hat Brandenburg als erstes Bundesland einen Anspruch auf Informationen für seine Bürgerinnen und Bürger unabhängig von einem besonderen rechtlichen Interesse begründet. Jedoch muss auch dort immer ein Antrag auf Zugang zu bestimmten Informationen gestellt und ein kostenpflichtiges und teilweise recht teures Verwaltungsverfahren durchlaufen werden. Die meisten Bundesländer und auch 2006 der Bund sind diesem Vorbild gefolgt und mit eigenen Informationsfreiheitsgesetzen nachgezogen.

Damit es in Sachsen jetzt vielleicht endlich voran geht, hat die Grünen-Fraktion einen eigenen Gesetzentwurf vorgelegt, hoffend, dass er wenigstens die Aufmerksamkeit der Regierungskoalition erweckt.

„Mit unserer Gesetzesinitiative für ein Transparenzgesetz wollen wir Grüne nicht nur der Digitalisierung Rechnung tragen, sondern einen Rechtsanspruch der Bürgerinnen und Bürger auf Information festschreiben. Damit soll ein Kulturwandel im Handeln der öffentlichen Verwaltung hin zu mehr Transparenz und der Möglichkeit der Kontrolle eingeleitet werden“, erklärt Katja Meier den Vorstoß, der aber – man hört es ja – eigentlich ein Kulturwandel ist. Wenn die Grünen dafür eine Mehrheit bekommen sollten, wäre das wirklich eine Zeitenwende in der jüngeren sächsischen Politik, denn dann würde die Staatsregierung zwangsläufig umschalten müssen vom Obrigkeitsstaat nach dem Muster König Kurt auf eine bürgerzugewandte Regierung, die Regieren wieder als Dienstleistung für die Wähler begreift.

Also endlich einmal 20 Jahre geistiger Bewegung nachholt.

„Wir Grüne wollen, dass Sachsen in der Gegenwart ankommt. Dafür legen wir heute unseren Entwurf für ein bürgerfreundliches Sächsisches Transparenzgesetz vor“, betont Katja Meier. Und erläutert dann das Wichtigste im Entwurf: „Über den Anspruch für jede Bürgerin und jeden Bürger auf Zugang zu Informationen hinaus wird die sächsische Verwaltung zum Betrieb einer Transparenzplattform im Internet verpflichtet. Nach dem Vorbild von Hamburg und Rheinland-Pfalz sollen die Sächsinnen und Sachsen unkompliziert und kostenlos auf einem Online-Portal alle zur Veröffentlichung geeigneten behördlichen Dokumente und Informationen des Freistaats und der Kommunen einsehen können. So ist beispielsweise der Blick in einen Bebauungsplan mit nur wenigen Klicks möglich.“

Alles, was keine wirklich sensiblen Informationen enthält, kann dem Bürger auch zur Information zur Verfügung gestellt werden. Dazu müsste die Staatsregierung wohl noch eine nutzerfreundliche Plattform entwickeln – aber unmöglich sollte es im digitalen Zeitalter eigentlich nicht sein.

„Unser Gesetzentwurf definiert konkret, welche Informationen zu veröffentlichen sind, wo die Grenzen des Datenschutzes gezogen werden und welche privaten und öffentlichen Belange einer Veröffentlichung entgegenstehen“, betont Katja Meier. „Sind Informationen nicht zur Veröffentlichung im Internet geeignet, ist den Bürgerinnen und Bürgern dennoch auf Antrag grundsätzlich Zugang zu den gewünschten Informationen auf anderem Wege zu gewähren. Der oder die jeweilige Sächsische Datenschutzbeauftragte erhält die zusätzliche Funktion des bzw. der Beauftragten für die Informationsfreiheit und überwacht die Einhaltung der Veröffentlichungs- und Auskunftspflichten.“

Was natürlich auch die Rolle des Datenschutzbeauftragten in Sachsen aufwertet. Der wird vom Landtag auf sechs Jahre gewählt und berichtet – ganz offiziell – alle zwei Jahre über seine Erfolge und Misserfolge. Wobei man durchaus das Gefühl haben darf, dass letztere überwiegen. Denn wenn eine Regierung gern verschwiegen arbeitet, bedeutet das ja nicht, dass sie mit den Daten der Bürger genauso sorgsam umgeht.

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