Das war wohl nix. Am 1. Juli 2017 trat bundesweit das Prostituiertenschutzgesetz (ProstSchG) in Kraft. Und in Sachsen steht die Umsetzung des Gesetzes weiter aus. Es wird wohl erst im Januar 2018 umgesetzt werden, wie Sozialministerin Barbara Klepsch (CDU) mitteilte. Über ein halbes Jahr lang stritten sich die Ministerien darüber, wer das Gesetz in Sachsen eigentlich umsetzen soll.

„Seit September 2016 ist klar, dass die neuen Regelungen auch in Sachsen zum 1. Juli 2017 umgesetzt sein müssen. Einem Antrag im Bundesrat zur Verlängerung der Umsetzungsfrist stimmte die Sächsische Staatsregierung damals mit der Begründung nicht zu, dass der Schutz der Prostituierten eine schnelle Wirksamkeit des Gesetzes erfordere. Vor diesem Hintergrund ist es blanker Hohn, dass Sozialministerin Klepsch jetzt die Verantwortung auf den Bundesgesetzgeber schiebt, der den Ländern keine ausreichende Vorlaufzeit eingeräumt habe“, kritisiert Katja Meier, gleichstellungspolitische Sprecherin der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen im Sächsischen Landtag.

Denn auch in der Stellungnahme des Sozialministeriums zum Grünen-Antrag „Einsetzung eines Runden Tisches Prostitution in Sachsen und Einrichtung von Fachberatungsstellen“ steht wieder – wie schon im Januar – der blamable Satz: „Der Bundesgesetzgeber hat bei dem Erlass des ProstSchG nicht hinreichend berücksichtigt, dass die Länder eine ausreichende Vorlaufzeit für die Umsetzung benötigen. Nach den geltenden Verfahrensregeln kann ein Sächsisches Ausführungsgesetz zum ProstSchG nicht mehr rechtzeitig zum 1. Juli 2017 in Kraft treten. Wir streben deshalb ein rückwirkendes Inkrafttreten zum 1. Juli 2018 an.“

Tatsächlich hat sich das Regierungskabinett über ein halbes Jahr darüber gestritten, wer das Bundesgesetz nun für Sachsen umsetzen soll. Ein Ministerpräsident, der klare Aufgabenzuweisungen vornimmt, scheint an dieser Runde nicht mehr teilzunehmen.

„Laut Stellungnahme appelliert das Staatsministerium an die Kommunen, das Prostituiertenschutzgesetz – wie bundesseitig vorgesehen – bereits ab dem 1. Juli 2017 zu vollziehen. Das ist hanebüchen. Ich kann jede Kommune verstehen, die ohne entsprechende Rechtsgrundlage keine Anmeldung entgegennimmt und die verpflichtende Gesundheitsberatung nicht durchführt“, beschreibt Katja Meier das Dilemma für die Kommunen. „Immerhin handelt es sich um einen schwerwiegenden Grundrechtseingriff, der eine klare gesetzliche Regelung bedarf. So weist die Stadt Dresden auf ihrer Homepage darauf hin, dass Anmeldung und Gesundheitsberatung derzeit nicht möglich sind bzw. nicht durchgeführt werden.“

Und es entsteht eine rechtliche Grauzone, die ausgerechnet jene in Konflikte stürzt, die eigentlich von Amts wegen für klare Verhältnisse zuständig sind.

„Offen ist zudem die Frage, wie Polizei und Ordnungsbehörden ab dem 1. Juli mit dieser unklaren Situation umgehen. Entweder werden beide Augen zugedrückt oder der Willkür ist Tür und Tor geöffnet“, benennt Katja Meier das Problem, das einfach dadurch entstanden ist, dass die Staatsregierung das Thema vertrödelt hat. „Es ist erschreckend, wie gleichgültig sich die Staatsregierung angesichts der Ziele des Prostituiertenschutzgesetzes, nämlich dem Schutz vor Zwangsprostitution und Menschenhandel, verhält. Trotz absehbar kurzer Zeit zur Verabschiedung eines Landesausführungsgesetzes und mehrfacher Nachfragen der Grünen-Fraktion seit September 2016 konnte sich die Staatsregierung erst im März 2017 darauf einigen, welches Ministerium die Umsetzung des Prostituiertenschutzgesetzes in Sachsen federführend übernimmt. Die notwendigen Entscheidungen und Weichenstellungen wurden sehenden Auges auf die lange Bank geschoben, die Staatsregierung hat schlicht ihre Arbeit nicht gemacht.“

Was natürlich Fragen aufwirft zur Funktionsfähigkeit der sächsischen Regierung. Denn das ist ja nicht das einzige Thema, das im Kompetenzwirrwarr der Staatsregierung verschlissen wurde. Gerade dann, wenn es um die Interaktion mit der Bundesebene geht. Man denke nur an die desolaten Ergebnisse beim Länderfinanzausgleich und bei den Regionalisierungsmitteln.

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