Für FreikäuferAm Montag, 14. August, endlich, muss man sagen, kündigte das sächsische Wirtschaftsministerium die Fortschreibung des Energie- und Klimaprogramms Sachsen an. „Endlich“, meldete selbst die SPD-Fraktion. Aber auch Wirtschaftsminister Martin Dulig (SPD) machte deutlich, dass er selbst eigentlich nicht der Bremser war. Denn die Fortschreibung steht seit 2014 im Koalitionsvertrag von CDU und SPD.

Aber warum dauert es dann drei Jahre, bevor der zentral zuständige Minister überhaupt erst einmal die Fortschreibung ankündigen kann? Das Problem sind die beiden CDU-geführten Ministerien, mit denen er als Energieminister zusammenarbeiten muss, wenn es um den Ausbau der Erneuerbaren Energien in Sachsen geht: dem Innenministerium von Markus Ulbig (CDU) und dem „Umweltministerium“ von Thomas Schmidt (CDU), der sich – je länger er im Amt ist – immer mehr als Bremser und Nicht-Problem-Löser erweist.

„Der Zustand einer Regierung muss erbarmungswürdig sein, wenn sie es für notwendig hält, schon die pure ‚Ankündigung‘ der ‚Fortschreibung‘ groß zu feiern“, spottete Dr. Jana Pinka, umweltpolitische Sprecherin der Linksfraktion im Landtag. „Unglaublich, die Staatsregierung hat nach den Pariser Klimabeschlüssen und unserem Dringlichen Antrag für einen ‚Sächsischen Klimaschutzaktionsplan‘ (Drs. 6/3589) über 20 Monate Beratung gebraucht, um sich auf die Fortschreibung des Energie-und-Klimaprogrammes zu einigen. Offenbar musste Teilen der CDU der Klimawandel erst noch erklärt werden – immer wieder fallen CDU-Abgeordnete mit abstrusen Theorien auf, z. B. dass CO2-Reduktion der Umwelt schade.“

Womit sie auf ein Interview von Lars Rohwer mit der „Freien Presse“ vom 24.07.2017 anspielt.

Auch Jörg Vieweg, Sprecher für Energiepolitik der SPD-Fraktion im Sächsischen Landtag, sieht das Problem in einem Umweltminister, der bei sämtlichen Themen, die wirklich Umweltschutz in Sachsen betreffen, mauert und bremst: „Es ist gut, dass das sächsische Umweltministerium endlich den Weg für eine bessere Umweltpolitik im Freistaat freigemacht hat. Wir haben im Koalitionsvertrag vereinbart, uns an den Klimazielen des Bundes zu orientieren. Ich freue mich, dass nun auch die sächsische CDU bereit ist, die Klimaziele ihrer Bundeskanzlerin mit umzusetzen“, so Jörg Vieweg zur Ankündigung des Wirtschaftsministers Martin Dulig (SPD).

Das Ziel sieht zumindest ein bisschen ehrgeizig aus. Der Anteil Erneuerbarer Energie soll – parallel zum Bund – bis 2035 auf 60 Prozent erhöht werden.

„Um das zu erreichen, braucht es nicht nur mehr Anstrengungen beim Ausbau der Erneuerbaren, sondern auch im Verkehrs- und Wärmesektor. Auch die Braunkohle muss stärker bei den Einsparzielen berücksichtigt werden“, beschreibt Vieweg die Ziele für das Energie- und Klimaprogramm. „Wichtig ist mir, dass am Ende nicht nur Papier beschrieben wird, sondern konkrete Maßnahmen – zum Beispiel bei Elektromobilität und dem Ausbau Erneuerbarer Energien – zügig umgesetzt werden.“

Aber das Wörtchen „zügig“ hat wohl seine Berechtigung nur, wenn es mit der nächsten Sachsenwahl wirklich eine andere Regierung gibt, die wieder gestaltet und nicht nur aussitzt. Denn das, was Dulig angekündigt hat, wird vor der nächsten Sachsenwahl 2019 garantiert nicht zu einem Maßnahmenplan.

Jana Pinka: „Minister Dulig will ein Gutachten, dann auf Basis des Gutachtens ein Diskussionspapier (Grünbuch) und dann? Na dann ist die Regierungszeit um. Genau wie in der ÖPNV-Strategiekommission wird durch die Staatsregierung alles ausgesessen. Die Forscher*innen geben uns noch drei Jahre Zeit, das Ruder rumzureißen. Duligs ‚Tempo‘ reicht da nicht.“

Und genauso sieht es Gerd Lippold, energiepolitischer Sprecher der Grünen-Landtagsfraktion: „Minister Dulig versucht seine energiepolitische Handlungsunfähigkeit in dieser Regierungskoalition wieder einmal mit der Ankündigung von Gutachten zu verschleiern. Er kann das im Koalitionsvertrag vereinbarte Ziel ‚Orientierung an den Bundeszielen‘ bei seinem Koalitionspartner CDU nicht durchsetzen und spielt deshalb auf Zeit.“

Er jedenfalls sieht in der Ankündigung ein Eingeständnis, dass Dulig in dieser Wahlperiode keine wirklichen Ergebnisse mehr erreichen kann.

„Warum sonst feiert man jetzt die Beauftragung eines Gutachtens zu Ausbaupotenzialen als einen Durchbruch? Dieses Gutachten hätte sein Ministerium längst beauftragen können, wenn es darum gegangen wäre, den Prozess voranzubringen“, stellt Lippold fest. „Schon die Vorgehensweise mit der ‚Windpotenzialstudie‘ belegt, dass man auf diese Weise leicht Entscheidungen über mindestens eine halbe Legislaturperiode aussitzen kann. Jetzt, nach der Hälfte der Legislaturperiode, regt der Minister neue Gutachten an. Offenbar soll das die Tatenlosigkeit bis zur nächsten Landtagswahl bemänteln. Das werden wir ihm nicht durchgehen lassen! Die Potenziale für saubere Energie aus Wind und Sonne in Sachsen sind seit Jahren bekannt. Die Bundesziele, deren Übernahme im Koalitionsvertrag steht, wären leicht erreichbar. Sachsen könnte beim Aufbau einer zukunftsfähigen Energieversorgung endlich vorwärtskommen, wenn wenigstens diese Ziele zum Planungsrahmen würden. Der Eiertanz von Minister Dulig in der Energiepolitik ist eine Farce. Wir brauchen in Sachsen endlich Schwung beim Aufbau einer zukunftsfähigen Energieversorgung und keine neuen Ordner mit Studien im Schrank von Ministerien!“

Tatsächlich steht die sächsische Regierung einfach nackt da: Sie hat kein Programm für den Ausbau Erneuerbarer Energien. Sie hat kein Programm für einen nachhaltigen, umweltfreundlichen Verkehr. Sie hat kein Energieeffizienzprogramm. Und bei einem Thema rennt sie sehenden Auges in eine Situation, in der sie nicht mehr handlungsfähig ist.

Denn die CDU mag noch so gern über den ach so wichtigen Brennstoff Kohle diskutieren: Kohleverbrennung aber rechnet sich immer weniger. Die Kraftwerke werden nach und nach einfach vom Netz gehen.

Jana Pinka: „Minister Dulig spricht von Debatten rund um den Braunkohleausstieg, tatsächlich hat Vattenfall-Nachfolgerin LEAG ihren Ausstieg aus der Braunkohle schon eingeleitet, Nochten II wird so nicht kommen. Ich erwarte von einem modernen Energie-und-Klimaprogramm, dass es mit verschiedenen Szenarien auf die veränderten Rahmenbedingungen reagiert – dazu gehört auch der engagierte Ausbau von Erneuerbaren Energien. Das Land braucht einen Plan – so müssen von der LEAG bereits jetzt nicht genutzte Flächen (Nochten II) schnellstmöglich (in Abstimmung mit Kreistag und lokaler Politik) insbesondere für Erneuerbare Energien genutzt werden.“

Die LEAG verrät ihren Plan übrigens nicht. Der Verzicht auf Nochten II ist nur das Eingeständnis, dass dieses zusätzliche Kohlefeld niemals gebraucht wird. Aber als bei der Übernahme der Lausitzer Kohlesparte von Vattenfall gefragt wurde, wie lange die LEAG ihre Beschäftigungszusagen für die Belegschaft geben möchte, machte der Konzern nur eine einzige Zusage: Dass der Betrieb bis 2020 weiterläuft.

Da kann jeder auf den Kalender schauen, wie kurz die Frist ist. Die nächste sächsische Regierung hat unter Garantie mehrere Kraftwerksschließungen auf dem Tisch.

Die Energiewende erfordert ein komplexes politisches Denken, mit dem die aktuell verantwortlichen Minister sichtlich überfordert sind. Da ist nicht mal der Mut da, sich ein Sachsen ohne Braunkohlekraftwerke auch nur vorzustellen. Was machen diese Leute eigentlich, wenn das tatsächlich so weit ist? Waschen sie dann ihre Hände in Unschuld und tun so, als hätten sie von nichts gewusst?

Peinlich findet das auch Marco Böhme, energie- und klimaschutzpolitischer Sprecher der Linksfraktion. Das Energie- und Klimaprogramm muss aus seiner Sicht einige zentrale Fragen beantworten: „Wie können endlich auch die anderen Sektoren ihren Klimaschutzbeitrag leisten, vor allem Mobilitäts-, Landwirtschafts- und Wärmesektor? Wie können wir den Energieverbrauch deutlich reduzieren (Vermeiden vor Verlagern)? Wie können die Veränderungen für Geringverdiener und die ländliche Bevölkerung sozial verträglich gestaltet werden (Daseinsvorsorge, Stromkosten, ÖPNV …)? Wie kann Akzeptanz für Energie- und Klimaschutzmaßnahmen erhöht werden? Im Gegensatz zu Minister Dulig, der nur ankündigt, haben wir bereits eine Anregung geliefert. Unser Gesetzentwurf zur Stärkung der Windenergienutzung im Freistaat Sachsen liegt vor.“

Der ist aber eben von den Linken. Aber wie sehr das, was die sächsische CDU macht, von den großen Regionalzeitungen als gültiger Maßstab verkauft wird, hatte die „Freie Presse“ am 24. Juli mit ihrem Artikel zum Klimaschutzplan deutlich gemacht. Da durften dann zwar Grüne und SPD mit ihren Stellungnahmen zu Wort kommen. Aber das letzte Wort überließ man dem „Energieexperten Lars Rohwer“ (CDU), der diesen Blödsinn erzählte: „Eine reine Konzentration beim Klimaschutz auf CO2-Werte ist von vorgestern. Man wisse heute, dass auch Stickstoffe und Kleinstpartikel betrachtet werden müssten. Mit der veralteten grünen Ideologie würden wir der Umwelt eher schaden.“

Der Mann verwechselt eindeutig die Autoabgase und Luftschadstoffe mit den komplexen Problemen unseres Klimas. Der Mann ist von seinem Expertentum sichtlich überfordert. Aber indem die „Freie Presse“ ihm auch noch das letzte Wort überlässt, produziert sie bei ihren Lesern eine völlig falsche Sicht auf die Probleme. Und bestärkt die Regierungspartei in ihrer ignoranten Sicht auf ein Problem, das auch die Sachsen am Ende teuer bezahlen werden. Sehr teuer.

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