Als Kind erlebte Christopher Kunze sein erstes Fußballspiel im Bruno-Plache-Stadion. Seitdem lässt ihn die Atmosphäre in Probstheida nicht mehr los. Der inzwischen 25-Jährige engagiert sich ehrenamtlich im Social Media Team des 1. FC Lok und hat zu Ostern unter dem Titel "Blau-gelbe Nestwärme" eine neue Veranstaltungsreihe ins Leben gerufen. "Ich wollte zeigen, dass auch der 1.FC Lok mit einem geringen finanziellen Spielraum, Menschen, denen es deutlich schlechter geht als uns, helfen kann", so Kunze.

Sie waren Organisator eines Osteressens für sozial schwache Familien, Straßenkinder und Obdachlose, das vergangenen Samstag beim 1. FC Lok veranstaltet wurde. Was waren Ihre Beweggründe für dieses Engagement?

Der 1.FC Lok ist der größte Fußballverein Leipzigs. Damit haben wir nicht nur eine hohe soziale Verantwortung, wir verbinden und vereinen in unserem Club auch Menschen aus allen sozialen Schichten. Dies wollte ich in der neuen Veranstaltungsreihe „Blau-gelbe Nestwärme“ verdeutlichen. Zudem sehe ich grundsätzliche Parallelen zwischen den Gästen und unserem Verein.

Beim 1.FC Lok herrscht ein sehr großer Zusammenhalt und wir Fans und Verantwortlichen unterstützen uns gegenseitig wo es nur geht. Dies geschieht aufgrund der finanziellen Situation teilweise mit recht unkonventionellen und kreativen Mitteln. Wir versuchen täglich mit wenig viel zu erreichen. Dies ist bei unseren Gästen vom Samstag sehr ähnlich.

Sie müssen täglich schauen wie sie über die Runden kommen, sich gegenseitig unterstützen und eine Gemeinschaft bilden. Diese Brücke wollte ich schlagen und zudem zeigen, dass auch der 1.FC Lok mit einem geringen finanziellen Spielraum, Menschen, denen es deutlich schlechter geht als uns, helfen kann.

Auf welche Resonanz stießen Sie im Vorfeld mit Ihrer Idee, und wann begannen Sie mit der Planung?

Von der ersten Idee an stand der Verein sofort hinter mir und wollte diese Veranstaltung unbedingt verwirklichen. Wir haben generell viele kreative Menschen mit sozialen und sportlichen Ideen im Verein. Oft fehlt es zur Umsetzung einfach an der Manpower und dem nötigen Kleingeld. Insofern musste ich mich zur Realisierung des Osteressens vordergründig um Sponsoren und ehrenamtliche Helfer kümmern. Dies war im Endeffekt allerdings das geringste Problem.

Die Leute und Firmen waren sofort begeistert von meinem Vorhaben, wollten unbedingt helfen und sicherten mir Unterstützung zu. Gemeinsam mit den Verantwortlichen im Verein haben wir dann die anfängliche Idee zu einem funktionierenden Konzept weiterentwickelt und die Rahmenbedingungen Stück für Stück geklärt. Die Planung lief jetzt insgesamt knapp 2 Monate.

Wie haben Sie die potentiellen Gäste zu dieser Veranstaltung eingeladen?

Die Gäste haben wir über Kontakte im Verein und andere soziale Vereine erreicht. Wir wollten diese Veranstaltung generell vorab nicht groß anpreisen und haben daher versucht, die möglichen Gäste eher unauffällig zu erreichen. Für uns stand nicht die mögliche PR, sondern die Veranstaltung mit Ihren Gästen im Vordergrund.

Geholfen haben uns dabei der Verein Straßenkinder Leipzig mit der in Leipzig bekannten Tante E, der Familienverein Tüpfelhausen, das Netzwerk blau-gelb, die Kindervereinigung Leipzig und unser ehrenamtlicher Mitarbeiter Steffen Schulze, welcher in der Stadt die Straßenzeitung Kippe verkauft.

In Gesprächen und mit Aushängen an szenetypischen Treffpunkten haben wir dann auf das Osteressen aufmerksam gemacht und die Leute konnten sich bei Interesse unverbindlich eintragen. Wer dann im Endeffekt am Karsamstag am Treffpunkt erscheint, war für uns bis zum Schluss eine große Unbekannte.

Was konnten die Besucher am Samstag im Bruno-Plache-Stadion erleben, wie lief der Tag ab?

Der Tag war zeitlich komplett durchgeplant. Los ging es 10:30 Uhr am Augustusplatz. Die Gäste wurden mit einem Bus der Kindervereinigung Leipzig abgeholt und in unser Bruno gebracht. Dort wurden sie 11:00 Uhr von unserem Aufsichtsratsvorsitzenden und mir begrüßt. Von 11:30 Uhr bis 13:00 Uhr folgte dann unser Ostermenü. Dieses wurde von ehrenamtlichen Servicekräften und drei Spielern unserer ersten Mannschaft serviert.

Die Leute konnten es sich also bei Speis und Trank so richtig gutgehen lassen. Nebenher gesellten sich unser Trainer Heiko Scholz, unser Sportchef  Mario Basler und unser Co-Trainer Rüdiger Hoppe zu den Gästen. Es wurden reichlich Fragen beantwortet, Fotos geschossen und Autogramme geschrieben.

Als Osterüberraschung bekam dann jeder Gast ein Osternest mit Osterhasen, einem T-Shirt, einem LOK-Energydrink und einer Eintrittskarte zum Flutlichtspiel am Freitag gegen die SG Union Sandersdorf. Bevor es dann 15:00 Uhr wieder mit dem Bus zurück zum Augustusplatz ging, konnte jeder noch an einer organisierten Stadionführung durch das altehrwürdige Bruno-Plache Stadion teilnehmen.

Christopher Kunze rief mit dem Osteressen die Veranstaltungsreihe "Blau-gelbe Nestwärme" ins Leben. Foto: Bernd Scharfe
Christopher Kunze rief mit dem Osteressen die Veranstaltungsreihe “Blau-gelbe Nestwärme” ins Leben. Foto: Bernd Scharfe

Welche Begebenheit, welcher Eindruck wird Ihnen von diesem Tag besonders lange in Erinnerung bleiben?

Besonders der Moment, als wir die Osternester überreicht haben, wird mir in Erinnerung bleiben. Die leuchtenden Kinderaugen und diese Dankbarkeit in den Gesichtern hat alle Beteiligten sehr berührt. Zudem war es ein etwas mulmiges Gefühl, wenn man den Gästen noch ein paar Joghurts oder Äpfel mit auf den Heimweg gibt.

Zum einen freut man sich, wenn man mit solch einfachen Mitteln helfen kann, andererseits sollte so etwas in unserer Gesellschaft eigentlich gar nicht vorkommen. Gerade beim Thema Kinderarmut muss die Stadt noch viel tun.

Welche Rückmeldungen haben Sie von den Besuchern erhalten?

Die Leute haben sich schon während des Essens und bei der Verabschiedung mehrmals bedankt. An der lockeren und entspannten Atmosphäre hat man zudem gemerkt, dass die Gäste wirklich Spaß haben und den Tag genießen. Hinterher haben wir außerdem noch ein paar bewegende Nachrichten über unsere Facebook-Seite bekommen. Die Rückmeldungen waren also durchweg positiv.

Wird es auch im nächsten Jahr wieder ein Osteressen geben oder planen Sie ähnliche Veranstaltungen?

Wir sind ein Verein, der auf seine Geschichte und Tradition sehr stolz ist. Daher soll diese Veranstaltung keine einmalige Sache sein, sondern zu einer neuen Tradition im Vereinsleben des 1.FC Lokomotive Leipzig werden. Wir möchten jedes Jahr zu Ostern solch ein Event auf die Beine stellen und es Schritt für Schritt ausbauen und erweitern.

Wir haben zudem mit dem Kinderhospiz Bärenherz einen verlässlichen Partner, welchen wir seit zwei Jahren kontinuierlich unterstützen. Zuletzt hatten wir im Dezember eine Spendenaktion initiiert, bei der wir am Ende einen Scheck von über 1.000 Euro überreichen konnten.

Auch wenn es viele nicht wissen, die Loksche kümmert sich seit Jahren um karitative Projekte, unterstützt integrative Kampagnen und hilft kranken und bedürftigen Menschen durch Auktionen bei Ebay oder ähnlichen Aktionen. Das nächste Ziel des Vereins ist der Aufbau einer Blindenfußballmannschaft.

Bitte sagen Sie noch ein paar Sätze zu Ihrer Person. Was machen Sie zum Beispiel beruflich?

Ich bin 25 Jahre alt und komme aus Leipzig. Ich habe bis zum Sommer an der HTWK Wirtschaftsingenieurwesen studiert und arbeite nun seit September in Erlangen bei einem Bauträger und Projektentwickler in der Immobilienbranche.

Ich arbeite nun seit über zwei Jahren ehrenamtlich beim 1.FC Lok und habe das Social Media Team gegründet. Mittlerweile sind wir dort fünf Leute, welche sich um die Kommunikation und Außenwirkung des Vereins ehrenamtlich kümmern.

Was verbindet Sie “ausgerechnet” mit dem 1. FC Lok?

Mein erstes Spiel im Bruno war das Abstiegsspiel des VfB Leipzig am 7. Juni 1998 gegen die SG Wattenscheid 09. Mitglied bei Lok bin seit 1. Dezember 2012. Für mich übte der Verein seit der Neugründung einen besonderen Reiz aus. Dieser Kult, die Euphorie und der Zusammenhalt waren für mich die ausschlaggebenden Gründe weshalb ich mich für die Loksche entschieden habe.

Da ich grundsätzlich keine Fahne im Wind bin, käme es für mich auch nie in Frage, diese Meinung zu revidieren oder aufgrund einer besseren sportlichen Perspektive den Verein zu wechseln. Wir bei Lok sind alle irgendwo Idealisten und auch etwas verrückt. Das Motto: Liebe kennt keine Liga drückt dies am besten aus.

Die Liga und der Erfolg sind für mich nicht zwingend entscheidend dafür, ob ich mein Geld und meine Zeit am Wochenende in Probstheida lasse. Für mich zählen hierbei noch andere Dinge wie Fluidum und Feeling wenn ich das Stadion betrete, Vereinsgeschichte, Tradition und Atmosphäre im Stadion und auch zwischen den Fans und dem Verein.

Wir werden immer der etwas aufmüpfige Kultklub mit Ecken und Kanten sein, wo Fußball noch gelebt wird und die Bratwurst und das Bier auf der Speisekarte stehen und nicht Pizza und Sekt. Und genau das ist mein Ding.

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