Mit zwei dermaßen unterschiedlichen Halbzeiten, dass diese kaum zu ein und demselben Spiel zu gehören schienen, haben sich die Handballerinnen des HC Leipzig um den Einzug in die DHB-Pokalendrunde gebracht. Am Samstag hatten sie die Gäste des VfL Oldenburg zunächst klar dominiert, waren mit 17:9 und damit acht Toren Vorsprung in die Pause gegangen. Doch nach dem Wechsel spielte sich der VfL in einen Rausch, während beim HCL jedes Selbstvertrauen über Bord ging.

Lauthals jubelnde Oldenburgerinnen sprangen nach der Schlusssirene ausgelassen im Kreis, während den Spielerinnen des Titelverteidigers die Tränen der Enttäuschung in die Augen schossen. Fassungslos verharrten viele der 1.090 Zuschauer in der Ernst-Grube-Halle zunächst auf ihren Plätzen. Es brauchte bei allen Beteiligten eine Weile, bis sie realisiert hatten, was sich in den letzten 30 Minuten auf der Platte abgespielt hatte.

“Norman (Rentsch) hat in der Pause extra noch mal gesagt, dass wir von Null wieder beginnen, die zweite Halbzeit genauso engagiert in der Abwehr und nach vorne spielen müssen.”, sagte die sichtlich niedergeschlagene Luisa Schulze im L-IZ-Interview. “Irgendwie ist uns das nicht gelungen. Wir haben schnelle Gegentore bekommen, und was wir dann vorne gemacht haben, weiß ich ehrlich gesagt auch nicht.”
Dass die Partie überhaupt noch mal in die Nähe eines spannenden Pokalfights rücken würde, haben nach der ersten Hälfte selbst die Anhänger des VfL Oldenburg nicht mehr zu träumen gewagt. “Da läuft nichts!”, mächte ein Gäste-Fan seinem Ärger Luft. Mit einer starken Abwehrleistung und treffsicherem Offensivspiel, hatte der HCL die Niedersachsen schier zu Verzweiflung getrieben, ließ in den ersten 30 Minuten nur neun Gegentore zu.

Folglich wuchs der Vorsprung kontinuierlich an, über fünf (8:3/ 12.), sechs (12:6/ 20.) bis hin zu acht Toren (15:7/ 25.). Diese Differenz war es auch, die die HCL-Frauen beim 17:9 mit zum Pausentee nehmen konnten.

Doch bereits zum Wiederbeginn wurden die Blau-Gelben kalt erwischt. Mit einem 1:4-Auftakt (18:13) zeigte Oldenburg, dass es durchaus noch am Leben war. Und es wurde immer lebendiger, während Leipzig zunehmend blockiert wirkte. In der 48. Minute hatten sich die Gäste bereits auf 22:20 heran gearbeitet. Dass sie die Partie zu diesem Zeitpunkt noch nicht gedreht hatten, lag vor allem daran, dass auch der VfL in der Offensive seine Fehler machte.

Ein leichtes Durchatmen deutete sich an, als sich die Leipzigerinnen nach einer genommenen Auszeit wieder schnell auf vier Tore absetzen konnten (25:21/ 50.). Aber auch dieser Mini-Befreiungsschlag brachte keine Sicherheit in die Reihen des HCL. Im Gegenteil, denn Oldenburg legte nach, erzielte vier Tore in Folge und hatte damit sechs Minuten vor Schluss den 25:25-Ausgleich hergestellt.

“Oldenburg ist natürlich aggressiver geworden. Sie sind bekannt dafür, dass sie sehr offensiv werden. Wir haben dann einfach ein paar falsche Entscheidungen getroffen, und Oldenburg hat das nach vorne gnadenlos ausgenutzt.”, beschrieb Luisa Schulze die Situation. Tatsächlich fehlte es dem Leipziger Angriffsspiel an Durchschlagskraft, fehlten Ideen und Anspielstationen. Und auch die Defensive konnte dem Oldenburger Druck nicht standhalten.
Nach einem Pfostentreffer von Anne Hubinger in der 55. Minute, konterte sich der VfL mit dem 26:27 erstmals seit dem 0:1 wieder zur Führung. Hubinger und Schulze bogen das Resultat noch einmal um. Zwei Minuten vor Ultimo führte der HCL damit 28:27. Diese Führung hielt nicht lange, Caroline Müller glich für Oldenburg aus. Jetzt war Pokaldramatik pur.

Etwas mehr als eine halbe Minute war noch zu spielen, als Oldenburg einen Siebenmeter zugesprochen bekam. Geschke scheiterte zunächst, erwischte aber den Abpraller und versenkte den Ball zum 28:29 (60.) in den Maschen des HCL-Tores. Leipzig nun wirklich verzweifelt, nahm noch eine Auszeit, löste die Torhüterposition auf und versuchte irgendwie noch das Remis zu erzielen. Doch da ging nichts mehr. Oldenburgs immer stärker werdende Keeperin Tess Wester fing den Verlegenheitswurf von Karolina Kudlacz mühelos weg. Leipzig war aus dem Pokal ausgeschieden.

“Wir können jetzt nicht lange an diesem Spiel hängen bleiben, müssen die Saison trotzdem weiterspielen.”, versuchte Luisa Schulze den Blick nach vorn zu richten. Denn bereits am Dienstag geht es für den HCL weiter. Um 19:30 Uhr geht es dann in der Arena gegen die Spreefüxxe aus Berlin. Diese übrigens haben den Sprung ins Pokal-Final4 geschafft, ebenso wie Buxtehude, der Thüringer HC und eben auch der VfL Oldenburg.
HC Leipzig vs. VfL Oldenburg 28:29 (17:9)
DHB-Pokal, Viertelfinale

HC Leipzig: Schülke, Roth – Mazzucco (4), A.Müller, Hertlein (2), Schulze (10/6), Kudlacz (6), Hubinger (5), Diehl, Reimer, Ioneac, Urbicht (1), Rösike. Trainer: Norman Rentsch.
VfL Oldenburg: Wester, Renner – Schnack (3), A.Meyer (3), Deters, Birke (5), C.Müller (5), Wenzl (4/1), Svendsen, Salberg, Schirmer, Geschke (8/1), Hartstock (1), Otto. Trainer: Leszek Karwicki.

Schiedsrichter: Hanspeter Brodbeck/ Simon Reich. Zwei-Minuten-Strafen: HCL 5x (Mazzucco, A.Müller, Schulze, 2x Hubinger), Oldenburg 2x (Wenzl, Geschke). Siebenmeter: HCL 6/8 (Schulze 6/7, Kudlacz 0/1), Oldenburg 2/5 (Geschke 1/3, Wenzl 1/1, C.Müller 0/1). Zuschauer: 1.090 in der Ernst-Grube-Halle, Leipzig.

Alle Pokal-Ergebnisse:
www.hbf-info.de/home-1-2-2-0.html

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