In der „Sächsischen Zeitung“ vom 25. Mai versuchte Sachsens Schulministerin Brunhild Kurth einmal zu erklären, warum ihr vorgelegter Entwurf zum neuen Schulgesetz nicht wirklich so neu aussieht und warum Koalitionspartner SPD schon angekündigt hat, dass dieser Entwurf noch gründlich überarbeitet werden müsse. Und dabei trat sie der SPD gleich noch einmal ordentlich auf die Füße.

Selbst der SPD-Vorsitzende und stellvertretende Ministerpräsident Martin Dulig hatte Kurths Vorlage kritisiert. Das ginge so nicht, sagte sie nun im Interview mit der SZ: „Wenn man mit Dingen nicht einverstanden ist, müssen sie dort diskutiert werden, wo sie hingehören. Also im Kabinett. Das ist nicht geschehen. Ich bin für Geradlinigkeit und Transparenz. Das erwarte ich auch von einem Koalitionspartner.“

Das lässt zumindest ahnen, wie sehr sächsische Regierungsentscheidungen noch immer im kleinsten Zirkel entschieden werden. Ob sie das weiter werden, ist die Frage. Denn Dulig bekommt bei seiner Kritik an diesem mutlosen Entwurf deutliche Unterstützung aus der eigenen Partei. „Die CDU-MinisterInnen scheinen in Sachen Schulgesetz gerade nur ein Ziel zu haben: progressive Vorschläge abbügeln und echte Veränderungen verhindern. Wir steuern in Sachsen zielstrebig auf eine Bildungskatastrophe zu“, sagt zum Beispiel die Leipziger Stadträtin und Landesvorsitzende der Jusos Katharina Schenk.

Doch dass es keine wirkliche Zukunftsentscheidung im Bildungssystem gibt, hängt aus ihrer Sicht vor allem an der Finanzpolitik des sächsischen Finanzministers. „Verantwortlich ist vor allem Finanzminister Unland, aber auch Kultusministerin Kurth, die nicht in der Lage ist, sich gegen den Finanzminister durchzusetzen, um endlich mehr für Schulen, Bildung, LehrerInnen zu erreichen“, kritisiert sie. „Die SPD unterbreitet nicht erst seit Beginn des Verfahrens Vorschläge. Die CDU hingegen macht nur eines: Neues verhindern und an antiquierten Bildungsidealen festzuhalten.“

Besonders heftig verteidigte Brunhild Kurth das bestehende Modell, nach dem die Schulkinder schon nach der vierten Klasse in unterschiedliche Bildungswege einsortiert werden. Dabei hat sie augenscheinlich die Frage der SZ-Redakteurin mit Absicht falsch interpretiert, als sie sagte: „Wenn Sie alle drei Bildungsgänge – Haupt-, Realschule und den gymnasialen – unter einem Dach meinen, nein.“ Damit sei sie nicht einverstanden.

Aber längeres gemeinsames Lernen kann auch schon damit beginnen, dass Kinder bis zur sechsten oder bis zur achten Klasse gemeinsam eine Schule besuchen. Der heutige Zustand sorgt dafür, dass gerade angehende Lehrer regelrecht abgeschreckt sind, ihre Zukunft als Lehrer an einer sächsischen Oberschule zu suchen. Denn die frühe Trennung hat eindeutig Folgen für die Motivation und Leistungsbereitschaft der Schüler. Kurth behauptete drum auch gleich kühn in Bezug aufs längere gemeinsame Lernen: „Es ist wissenschaftlich nicht belegt, dass das zu besseren Leistungen führt.“

Aber wie will man etwas wissenschaftlich belegen, was es schlichtweg nicht gibt? In ihrem Urteil über die Politik der Kultusministerin ist Katharina Schenk dann auch sehr deutlich: „Vom längeren gemeinsamen Lernen hat Kultusministerin Kurth offensichtlich keine Ahnung. Die Oberschulen werden durch falsche Politik aufs Abstellgleis geschickt. Dass dann alle das Gymnasium besuchen wollen, wundert uns nicht.“ Und sie benennt auch, wo Kurths Problem liegt, die benötigten Lehrer zu finden, jetzt, wo der Lehrermangel gerade in den Oberschulen besonders deutlich wird: „Der Lehrberuf muss endlich attraktiver werden. Eigentlich müssten sich die KultusministerInnen der vergangenen Jahre bei den Lehramtsstudierenden entschuldigen, die sie konsequent vergrault haben.“

Ein Thema, auf das am Mittwoch, 25. Mai, auch die bildungspolitische Sprecherin der Fraktion Die Linke im Sächsischen Landtag, Cornelia Falken, zu sprechen kam, als sie Brunhild Kurths Versuch kommentierte, Lehrer aus der Gymnasiallaufbahn für einen Dienstantritt im Oberschulsystem zu ködern: „Trotz der Höhergruppering sind die Lehrkräfte immer noch schlechter bezahlt als in anderen Bundesländern. Dass die neu eingestellten Lehrkräfte mit einer klassischen Ausbildung Lehramt an Mittelschulen lediglich die E 11 erhalten und sich zudem vier Jahre bewähren müssen, um eine Höhergruppierung zu erhalten, ist höchst ungerecht. Und es ist kurzsichtig: Denn eine Bewerbung für das Lehramt an Mittelschulen erscheint fortan aufgrund der finanziellen Bevorteilung der Gymnasiallehrer*innen unattraktiv. Dadurch verringern sich die Aussichten, ausreichend Lehrer*innen-Nachwuchs im Bereich der Mittel- bzw. Oberschulen zu gewinnen, weiter.“

Es ist ganz ersichtlich, dass auch das sächsische Sparprogramm bei der Bezahlung der Lehrkräfte eine Rolle dabei spielt, dass das Kultusministerium für dieses Geld nicht genügend Lehrer anwerben kann. Die Linke fordert deshalb eine Höhereinstufung aller Lehrkräfte, die zum 1. August eingestellt und an einer Mittel- bzw. Oberschule unterrichten werden. Falken: „Und was macht die Kultusministerin mit den Gymnasiallehrerinnen und -lehrern, die bereits einen Arbeitsvertrag mit der Einstufung in die E 11 unterschrieben haben? Diese Verträge müssten alle vom Kultusministerium erneuert werden.“

Aber am Ende geht es natürlich nicht darum, wie Brunhild Kurth im Interview beteuert hat, kleine Schritte zu gehen. Dazu sind die Schieflagen im sächsischen Bildungssystem längst zu auffällig.

Ein neues Schulgesetz macht nur Sinn, wenn es wirklich einen neuen Qualitätssprung wagt, so Katharina Schenk: „Aber was an oberster Stelle steht: Die CDU muss endlich anfangen zukunftsorientierte Politik zu machen. Es reicht nicht, den bloßen Schulstart abzusichern. Mit dieser Logik gefährdet man den Verlauf des Schuljahres. Gute Presse zu dessen Beginn mag den CDU-Abgeordneten genügen, den Jusos und der SPD nicht. – Die Zeit des Blockierens ist vorbei, Herr Unland und Frau Kurth! Wir müssen JETZT die Weichen für eine bessere, zukunftsfähige Bildungspolitik stellen. Zum Abschluss schließen wir gern noch eine kleine Bildungslücke: Nicht die Regierung entscheidet, wann ein Gesetzgebungsverfahren abgeschlossen ist, sondern das Parlament.“

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