Ein bisschen skeptischer sah Leipzigs Oberbürgermeister Burkhard Jung nun doch schon drein, als er am Nikolaustag den dritten und letzten Bauabschnitt im umgebauten Paunsdorf Center eröffnete. Immerhin hatte er im September erst die "Höfe am Brühl" eröffnet, die mitten in der Leipziger City genauso opulent Verkaufsfläche versammeln. Die gigantischen Dimensionen können schon Bange machen. Auch einem Oberbürgermeister.

Denn wirklich beherrschbar sind die Prozesse, die mit diesen gewaltigen Verkaufstankern selbst in einer Stadt wie Leipzig entstehen, nicht. Da helfen auch die regelmäßigen Monitorings zum Einzelhandel nicht, die versuchen, die Sache über die Entwicklung der Verkaufsflächen abzubilden. Das macht Sinn, wenn sich der Einzelhandel tatsächlich in der Innenstadt konzentriert und eine Abschätzung der Entwicklung zu den Satelliten-Centern passieren soll. Das markante Beispiel dafür ist immer “nova eventis” (ehemals Saalepark). Auch dort wurden noch einmal Millionen in die Hand genommen, um den “Shopping-Spaß” zu erhöhen. Denn mit Beginn des neuen Jahrtausends hat es Leipzig – insbesondere durch die Hauptbahnhof-Promenaden – wieder geschafft, seine “Zentralitäts-Kennziffer” ins Positive zu drehen. Heißt: über die Marke 100. Vorher floss die Leipziger Kaufkraft Jahr für Jahr in die Center “auf der grünen Wiese” ab. Seitdem liegt Leipzig gegenüber den Centern da draußen leicht im Plus – bei 101 Prozent. Das ist für eine zentrale Stadt wie Leipzig nicht viel.

Es ist auch für eine ostdeutsche Großstadt nicht viel. Denn die Center-Entwicklung ab 1990 hat gerade um Leipzig herum zu einer Verzerrung der Einkaufsströme geführt. Selbst das benachbarte Halle kommt auf eine Zentralitätsziffer von über 110. Chemnitz und Magdeburg liegen bei 130.

Wie gigantisch die Leipziger Anstrengungen waren, die Einkaufsströme umzulenken, zeigt allein schon die Verkaufsflächenentwicklung in der Innenstadt. Von 1990 bis 2011 nahm die Fläche von 45.000 auf 170.000 Quadratmeter zu. Selbst die Schließung der “Blechbüchse” mit ihren 12.000 Quadratmetern hat diesen Trend nicht gebremst. Im nächsten Monitoring werden dann auch die “Höfe am Brühl” zu finden sein. Und mancher Stadtrat wird den Kopf schütteln und sich fragen, was man da falsch gemacht hat. Denn 2007 – als man mit dem Centerbauherren und -betreiber mfi über das damals noch “Brühl Arkaden” benannte Projekt diskutierte, rang man mfi eine ganze Reihe von Zugeständnissen ab – angefangen beim Branchenmix über die Aufteilung des Baukörpers bis hin zur Begrenzung der Verkaufsfläche.

Ganz offiziell verkündet wurde eine Deckelung der Maximalverkaufsfläche auf 27.500 Quadratmeter. Doch wer heute die technischen Daten bei mfi nachliest, sieht, dass man sich daran keineswegs gehalten hat. Per 25. September 2012 startete die große Einkaufs-Mall mit einer Handelsfläche von 44.000 Quadratmeter, auf denen bis zu 132 Geschäfte unterkommen können. Damit stimmen natürlich auch sämtliche Berechnungen zum Wirkungsradius dieses Centers nicht mehr.

Die Einzelhandelsfläche allein in der Innenstadt schnellt damit deutlich über 200.000 Quadratmeter. Während die Kaufkraft in Leipzig seit Jahren stagniert. Wäre sie zwischenzeitlich deutlich gestiegen – selbst nur auf das Niveau von Karlsruhe – man könnte das Ganze vielleicht noch im Gleichgewicht sehen. Aber in Leipzig kaufen eher seltener Kunden aus Karlsruhe oder München ein. Jedes neue Center erkämpft sich seinen Anteil am stagnierenden Kaufkraft-Kuchen.
Was in der Folge zwangsläufig heißt, dass an anderer Stelle Anteile wegfallen. Die Center rüsten nicht auf, um die Zentralitätsziffer von Leipzig aufzuhübschen, sondern um einander vom Markt zu drängen. Und auch wenn mfi und Partner Ivenhoe Cambridge in Paunsdorf modernisieren, geht es um Marktanteile.

Eröffnet wurde das Paunsdorf Center im Leipziger Osten 1994. Es hat eine Handelsmietfläche von 110.000 Quadratmetern und eine reine Verkaufsfläche von 70.000 Quadratmetern. Die finanzielle Beteiligung am Paunsdorf Center liegt zu gleichen Teilen bei der Essener mfi management für immobilien AG und dem kanadischen Investor Ivanhoe Cambridge. Und in den letzten Jahren spürte man bei mfi, das zuvor schon das Center-Management steuerte, dass nach 15 Jahren durchaus die ersten Schwankungen sichtbar wurden. Man musste wieder aufrüsten, um beim Kampf um die Kunden dabei zu bleiben.

155 Millionen Euro wurden seit Frühjahr 2011 in den Umbau gesteckt, um das Paunsdorf Center wieder jünger, frischer und vielfältiger zu machen und an das veränderte Kaufverhalten der Kunden anzupassen.

“In drei großen Bauabschnitten wurde zum einen von Seiten der Investoren etwa die Hälfte der Fläche umgebaut. Die andere Hälfte wurde hingegen durch die Bestandsmieter erneuert. So ist ein komplett neues und modernes Einkaufscenter entstanden”, erzählt Stefan Kowalczuk, Gesamtprojektleiter für die Umstrukturierung. “Es gibt in Deutschland kein anderes Einkaufszentrum, das in seiner Struktur mit dem Paunsdorf Center vergleichbar ist.”
Bei der Modernisierung und Umstrukturierung des Centers lagen die Schwerpunkte vor allem auf dem Bereich Mode sowie einem neuen und erweiterten Gastronomiekonzept. In der Mitte der Mall ist ein zentraler Marktplatz entstanden, der mit freistehenden Theken und einem großen Sitzbereich das Herzstück des Centers bildet. Hier finden die Kunden vor allem frische Produkte wie Fisch, Backwaren, Blumen und Feinkostspezialitäten sowie ein umfangreiches gastronomisches Angebot vor.

Das Modeangebot im Paunsdorf Center wird mit der zweiten “Fashion Mall” deutlich erweitert. Sie wurde parallel zur bestehenden Einkaufsstraße gebaut und bietet mit rund 700 Metern Länge Platz für viele zusätzliche Geschäfte – darunter sind bekannte Marken wie s.Oliver, Hunkemöller oder Fast Forward.

Und zum Einkaufserlebnis gehört mittlerweile – das hat man bei mfi gelernt – so etwas wie ein Wohlfühlfaktor. Die beiden lichtdurchfluteten Plätze “Stadtpark” und “Style Square” kombinieren Einkauf und Entspannung und sorgen zudem für eine ganz besondere Atmosphäre. Ein bisschen wie einst auf diversen Leipziger Messen: Nachgebildete historische Fassaden der Stadt Leipzig und moderne Häuseransichten bringen so etwas wie städtisches Flair ins Center.

Womit aber auch genau die Konkurrenz abgebildet ist, mit der man es in Paunsdorf zu tun hat: die attraktive Innenstadt, wo die Stadtkulisse nicht künstlich hergestellt werden muss. Was übrigens nicht nur in Leipzig eine Rolle spielt: Auch in anderen deutschen historischen Innenstädte versuchen die großen Centerbetreiber ECE, mfi & Co. mit ihren Center-Konzepten Fuß zu fassen. Man hat in den Planungszentralen durchaus erkannt, dass zum veränderten Käuferverhalten auch ein sich mählich änderndes Mobilitätsverhalten gehört. Die “amerikanische Art”, mit dem Kombi einmal im Monat oder in der Woche ins Center zu fahren, den Laderaum vollzupacken und wieder wegzufahren, verliert an Attraktivität.

So wie es junge Leute heute schon zum Wohnen in die Großstädte zieht, so ändert sich auch ihr Verhalten beim Einkauf. Man geht öfter zu Fuß oder nimmt das Rad – bei der Eröffnung der “Höfe am Brühl” blieben die meisten Autoparkplätze leer. Dafür reichten die Abstellanlagen für die Fahrräder hinten und vorne nicht. Das freilich ist ein Nachteil, den das Paunsdorf Center nicht wird ausgleichen können. Es bleibt ein Stadtrandcenter – auch wenn es mittlerweile andere Stadtrand-Center (wie das Löwen-Center in Burghausen) deutlich abgehängt hat.

Punkten will das Paunsdorf Center auch mit einer neuen Aufteilung der Verkaufsflächen. Für die Mietbereiche, die neu entstanden sind, wurden vor allem ehemalige Großflächen zugunsten kleinerer und mittlerer Shops mit innovativen Ladenkonzepten umstrukturiert. 160 Geschäfte finden die Kunden momentan im Paunsdorf Center vor – etwa 20 weitere Läden kommen noch hinzu.

“Dank namhafter Marken nahezu aller Branchen vereint das moderne Paunsdorf Center zahlreiche Vorteile für die Käufer: eine ideale Lage direkt neben der Autobahn, ausreichend Parkmöglichkeiten und eine optimale Anbindung an den öffentlichen Nahverkehr”, betont Meka Brunel, Leitender Vize-Präsident Europa des kanadischen Investors Ivanhoe Cambridge. “Der Umbau wird einen erheblichen Einfluss auf die Möglichkeiten für den Einzelhandel der Region haben.”

Das neue Konzept des Paunsdorf Centers soll sich an alle Altersgruppen und somit an die ganze Familie richten. Deswegen wurden auch umfangreiche Freizeitmöglichkeiten für Groß und Klein mit eingebaut. Mit der Wandlung zum modernen Familien-Erlebniscenter will das Paunsdorf Center seine Position auf überregionaler Ebene nachhaltig stärken und ein einmaliges Einkaufserlebnis schaffen. “Die Anstrengungen der vergangenen Wochen und Monate haben sich wirklich gelohnt”, sagt Centermanager Michael Schneider. “Das Paunsdorf Center hat sich komplett verwandelt und verbindet ab sofort Lifestyle, Shopping-Spaß und Unterhaltung zu einem ganz besonderen Einkaufserlebnis für die ganze Familie.”

Womit man wieder bei den gewaltigen Anstrengungen wäre, die alle Center-Betreiber mittlerweile unternehmen, um die komplexe Nutzungsvielfalt funktionierender Innenstädte zu kopieren.

Gefährlich wird das, wenn man das dann auch noch wie bei den “Höfen am Brühl” mitten in der Innenstadt macht.

Die Frage ist jetzt nur: Konkurriert das mfi-Projekt in der City gegen das in Paunsdorf – oder nehmen die beiden gigantischen Center den Rest der Verkaufslandschaft in die Zange? – Oder beides.

Einzelhandelsmonitoring 2011:
www.leipzig.de/imperia/md/content/61_Stadtplanungsamt/raumbeobachtung/inhalt_moni_eh_internet_a4.pdf

Die mfi-Daten zu den “Höfen am Brühl”:
www.mfi.eu/vermietung/shoppingcenter/sachsen/hoefe-am-bruehl-leipzig.html

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