Da brauchte es eigentlich keinen Regierungswechsel in Schweden. Die Zeit der Braunkohleverstromung geht zu Ende - auch wenn nun jeder Politiker aus Sachsen nach Stockholm fliegt, um dort mit der neuen Regierung zu verhandeln. Dass Vattenfall jetzt ernsthaft den Verkauf seiner Braunkohlesparte prüft, hat mit dem simplen Geschäftsergebnis zum Oktober 2014 zu tun.

Recht deutlich verkündete Magnus Hall, CEO und Präsident von Vattenfall AB am Donnerstag, 30. Oktober: “Unsere Strategie sieht klar eine Reduzierung unserer Kohlendioxidexponierung und eine Umstellung unseres Erzeugungsportfolios auf erneuerbare Energien vor. Der Verwaltungsrat hat entschieden, dass Vattenfall Optionen für eine nachhaltige und neue Eigentümerstruktur seines Braunkohlegeschäfts prüfen wird.”

Ein paar Trostworte für die Provinzpolitiker aus Brandenburg und Sachsen, die jetzt in Stockholm um eine Fortsetzung der alten Strategie bettelten: “Wir verstehen die gegenwärtige und künftige Bedeutung der Stromerzeugung aus Braunkohle für die regionale Wirtschaft und für Deutschlands Energiepolitik. Die Landesregierungen von Brandenburg und Sachsen sind wichtige Ansprechpartner für Vattenfall in der Lausitz und wir setzen auch weiterhin auf den engen Dialog.”

Aber die Optionen, sich von der Braunkohlesparte zu trennen, prüfe man doch. Und das hat nichts mit Politik zu tun, sondern mit einem simplen Bilanzergebnis. Magnus Hall: “Wie andere Energieversorgungsunternehmen auch leidet Vattenfall unter schwierigen Marktbedingungen, die durch eine schwache Nachfrage, ein Überangebot an Erzeugungskapazitäten und historisch niedrige Großhandelspreise bei Strom gekennzeichnet sind. Im Vergleich zu den ersten neun Monaten des Jahres 2013 haben wir ein niedrigeres bereinigtes Betriebsergebnis erzielt. Das ist in erster Linie auf gesunkene Margen in der Produktion und auf die geringere Produktion selbst zurückzuführen. Diese Negativeffekte konnten nur teilweise durch gesunkene Kosten ausgeglichen werden.”
Heißt im Klartext: Die konventionellen Kraftwerke produzierten 2014 deutlich weniger Strom, konnten also weniger verkaufen. Und das auch noch zu einem niedrigen Preis, denn der Strompreis an der Börse ist seit Monaten im Keller. Erfreulicherweise, muss man sagen, denn da wollte Deutschland ja hin mit seiner “Energiewende”, dass Strom aus erneuerbaren Energien in Hülle und Fülle zur Verfügung steht. Doch so richtig haben gerade sächsische Spitzenpolitiker nicht begriffen, was das heißt und wie durchdacht die “Energiewende” mal war, ganz am Anfang, als sie von Rot-Grün ins Laufen gebracht wurde – bevor völlig überforderte Regierungen unter Angela Merkel das EEG-Gesetz immer wieder umdefinierten.

Es war diese Merkelsche Steuer-Hektik, die das Ganze erst zum Spielball der Konzerne machte, die am Ende nicht mehr wussten: Was gilt denn nun? Rein in die Kartoffeln? Wieder raus? Auch Energiekonzerne brauchen Planungssicherheit. Die hatten sie aber in den vergangenen Jahren genausowenig wie die Stadtwerke. Fast alle Investitionen – von den so wichtigen Übertragungstrassen bis zu den Speicherkapazitäten – stecken in der Warteschleife. Und Sachsens Regierung hat dabei genauso Eiertänze veranstaltet wie die Bundesregierung.

Selbst für Vattenfall wird der Spaß jetzt teuer. Um die Geschäftsverluste auszugleichen, hat der schwedische Staatskonzern jetzt Abschreibungen in Höhe von insgesamt 23,1 Milliarden schwedischen Kronen (SEK) vorgenommen. “Diese gehen im Wesentlichen auf den konventionellen Kraftwerkspark und auf Wertberichtigungen im Bereich Trading zurück”, teilt der Konzern mit. Man schreibt also seine Kohlekraftwerke schon einmal vorsorglich in Größenordnungen ab. Am 30. Oktober entspricht der Wechselkurs von Euro in schwedische Kronen 1: 9,2795. Was dann einer Wertberichtigung von rund 2,5 Milliarden Euro entspricht. Bei solchen Beträgen ahnt man, warum Vattenfall die Bundesregierung auf Milliarden Euro Schadensersatz verklagt: Nicht die Energiewende macht die Arbeit der Konzerne teuer, sondern die Unberechenbarkeit deutscher Tagespolitik.

Und was passiert jetzt mit den Kraftwerken, die nichts mehr groß zum Konzernergebnis beitragen? – “Vattenfall wird eine Reihe zusätzlicher Maßnahmen zur Steigerung der Effizienz und zur weiteren Kostenreduzierung durchführen. Auch setzen wir den Verkauf von Aktivitäten, die entweder nicht zum Kerngeschäft gehören oder die Renditeerwartungen des Unternehmens nicht erfüllen können, fort.” Und die Kohlekraftwerke gehören nicht mehr zu den Renditebringern.

Aber wer erzählt das nun den reisefreudigen Politikern aus Sachsen?

Was wird bleiben bei Vattenfall? – “Seinen übrigen Geschäftsaktivitäten in Deutschland – Fernwärme, Vertrieb und Verteilnetze sowie Handel, Windkraft und weitere Energieerzeugung – bleibt Vattenfall weiterhin vollauf verpflichtet.”

Zum Vattenfall-Newsroom.

Zum Artikel vom 27. Oktober 2014 auf L-IZ.de
Das neue Lieblingsreiseland der Sachsen: Auch Staatsminister Beermann war jetzt in Stockholm – Stanislaw Tillich fährt im November

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