Der am Donnerstag, 30. Oktober, angekündigte Plan des schwedischen Energiekonzerns Vattenfall, einen Verkauf seiner Braunkohlesparte zu prüfen, lässt zumindest bei einigen sächsischen Politikern die Alarmglocken schrillen. Nur in der CDU-Spitze nimmt man die Ankündigung wie eine frohe Botschaft entgegen. Immerhin steht ja die Reise von Ministerpräsident Stanislaw Tillich noch aus, der Ende November die schwedische Regierung besuchen will.

Sein Chef der Staatskanzlei war ja in der vergangenen Woche schon dort. Und zur gestrigen Entscheidung von Vattenfall, einen Verkauf seiner Braunkohlesparte zu prüfen, nimmt Staatsminister Dr. Johannes Beermann recht frohgestimmt Stellung: “Die Staatsregierung begrüßt das Bekenntnis Vattenfalls zur Braunkohle und ist erfreut über die Ankündigung, in das weitere Vorgehen die Länder Brandenburg und Sachsen einzubeziehen. Für die Staatsregierung ist entscheidend, dass die Arbeitsplätze und die Zukunft des Braunkohleabbaus und der Braunkohleverstromung in der Lausitz gesichert sind. Die Braunkohle ist für das Gelingen der Energiewende von zentraler Bedeutung.”

Irgendwie liest man sich auf oberster sächsischer Ebene die Meldung so zurecht, wie sie in die eigene Heilserwartung passt, ohne auch nur zu registrieren, dass Kohle auch für Vattenfall zum Minusgeschäft zu werden droht. Das kann sich auch ein großer Staatskonzern nicht leisten. Und die sächsische Staatsregierung hat schlicht keine Strategie zum Umsteuern. Man reitet den Gaul, bis er tot umfällt. Und dann?

“Der frohe Mut, den Staatskanzleichef Beermann angesichts eines möglichen Verkaufs der Braunkohle-Sparte durch Vattenfall verbreitet, hat aus meiner Sicht keine Grundlage”, stellt denn auch Dr. Jana Pinka, stellvertretende Vorsitzende der Fraktion Die Linke im Sächsischen Landtag, fest. “Denn diese Entscheidung eröffnet auch Heuschrecken und anderen windigen Investoren die Möglichkeit, das Lausitzer Braunkohlegeschäft zu übernehmen. Dann kann eben nicht angenommen werden, dass die Arbeitsplätze in den Revieren sicher sind; sie könnten wegfallen, noch bevor sich die Region auf den Weg zum notwendigen Strukturwandel machen kann, der ihr eine Perspektive für die Zeit nach der Braunkohle eröffnet. So bliebe keine Zeit, den Übergang zu gestalten. Ein “Weiter so” beim Lausitzer Braunkohleabbau unter neuen, möglicherweise rein renditeorientierten Eigentümern würde daher die Arbeitsplätze in der Region sehr wohl gefährden.”

Was tatsächlich übrig bleibt – und was auch in der Bilanzmeldung von Vattenfall deutlich nachzulesen ist -, ist eine Begleitung des Konzern beim Umbau der Strukturen hin zu erneuerbaren Energiequellen.

“Die sächsische Staatsregierung sollte sich im ständigen Gespräch mit den Verantwortlichen in Schweden für einen behutsamen Übergang anstelle eines möglicherweise kurzfristigen Verkaufs einsetzen und sich endlich darüber Gedanken machen, wie sie die betroffene Region für die Zeit nach dem Braunkohleabbau wappnen kann”, sagt Pinka.

Dumm nur, dass SPD und CDU die Braunkohle auch in ihrem Koalitionsvertrag wieder als Übergangstechnologie in ein fernes Land der alternativen Energiezukunft aufgemalt haben.

Haben sie wenigstens verstanden, was der Vattenfall-Verwaltungsrat am Donnerstag, 30. Oktober, bezüglich der ostdeutschen Braunkohlesparte tatsächlich mitgeteilt hat und was das im Zusammenhang mit den Konzern-Ergebnissen für die ersten drei Quartale 2014 bedeutet? Denn Kohle ist kein gutes Geschäft mehr für die Schweden (was übrigens auch die Verkaufsoptionen stark einschränkt). Der Vattenfall-Verwaltungsrat will jetzt Optionen für einen Verkauf der Braunkohlensparte prüfen lassen. Dabei solle eine “nachhaltige, neue Eigentümerstruktur” für das Braunkohlengeschäft in der Lausitz sowie für das Kraftwerksgeschäft im Südraum von Leipzig gefunden werden.

“Wer trägt die Risiken bei einem Verkauf? Hier ist höchste Wachsamkeit gefordert. Jeder Kuhhandel auf Kosten der Steuerzahler, des Klimaschutzes, der Gesundheit und der von Umsiedlung betroffenen Menschen muss verhindert werden. Wie im Fall des Desasters bei der Sächsischen Landesbank drohen sonst Risiken – allerdings in weitaus höherem Maße und für einen weitaus längeren Zeitraum”, stellt denn auch Gerd Lippold, energiepolitischer Sprecher der Fraktion Bündnis 90 / Die Grünen im Sächsischen Landtag, fest. “Dem Vattenfall-Verwaltungsrat geht es ganz offenbar um die Fortsetzung des Kohlegeschäftes ohne ein Enddatum durch neue Eigentümer der Kraftwerke und Tagebaue. Und Sachsen und Brandenburg sollen möglichst einen Teil der Risiken übernehmen.”

Vielleicht auch nicht. Vielleicht will er eine absehbar defizitäre Sparte einfach loswerden.”Wir Grünen wollen hingegen, dass die Staatsregierung Vattenfall beim Umsteuern seiner Energiepolitik in der Lausitz aktiv begleitet. Ziel muss es sein, dem in der Lausitz verankerten schwedischen Konzern weiter Chancen zu eröffnen – aber im Feld der erneuerbaren Energien. So könnte Vattenfall als wichtiger Arbeitgeber und Investor weiter im Freistaat tätig bleiben und gleichzeitig die unabdingbaren Kursänderungen vollziehen”, benennt Lippold die Hausaufgaben, die sowohl die brandenburgische als auch die sächsische Regierung schon seit Jahren hätten in Angriff nehmen müssen, denn der mögliche Verkauf der Braunkohlesparte von Vattenfall steht ja nicht zum ersten Mal im Raum. Doch jedes Mal fängt das große Barmen in Dresden an und wird inständig um den Erhalt der klimaschädlichen Braunkohlesparte gebetet, statt einfach zu akzeptieren, dass die Zeit der Braunkohleverbrennung zu Ende geht und dass jenes Land die besseren Karten hat, das den Übergang in eigener Regie bewerkstelligt.

“Die Absicht zum Verkauf des Kohlegeschäftes hat auch handfeste ökonomische Gründe”, betont denn auch Lippold. “In einer Präsentation gab Vattenfall eine Vorausschau auf das Stromerzeugungsgeschäft. Fallende Erlöse und sinkende Absicherung über langfristige Termingeschäfte schaffen Ertragsrisiken in der Kohlesparte. Hinzu kommen noch erhebliche Prognoseunsicherheiten bei der Klima-, Gesundheits- und Umweltschutzgesetzgebung. Heute liegen diese Risiken bei Vattenfall. Es geht neben den Ertragsrisiken während der Laufzeit vor allem um die heute kaum absehbaren Risiken für Beendigung und Folgeschäden des Bergbaus. Diese Risiken lassen Verkaufspläne als außerordentlich schwierig erscheinen. Bereits im Jahr 2013 waren Absichten zum Verkauf des Vattenfall-Kraftwerksblocks in Lippendorf bei Leipzig gescheitert. Die Attraktivität von Vattenfall für Käufer ist seitdem keineswegs gestiegen.”

Viel kann da auch der Freistaat nicht tun – außer den Strukturwandel aus besten Kräften zu unterstützen. Lippold vermutet zumindest, dass Vattenfall dafür gern ein paar Euro als Unterstützung von den beiden betroffenen Landesregierungen sehen will.

“Die von Vattenfall angestrebte ‘enge Zusammenarbeit mit den Regierungen in Sachsen und Brandenburg’ bei der Investorensuche, lässt nur einen Schluss zu: es geht um Reduzierung der Risiken für einen potenziellen Käufer. Das hat unmittelbaren Einfluss auf den Kaufpreis. Entscheidende Bedeutung bei der Bewertung und damit für den Verkaufsprozess hat die Frage, wie hoch die Risiken sind und wer sie trägt”, kommentiert er das Fragenfeld, das sich jetzt auftut. “Daheim in Schweden hat der Begriff Nachhaltigkeit in der Energiepolitik eine klare Bedeutung: weg von fossilen Energieträgern. Genau das soll auch Kern der neuen Eigentümerdirektive für Vattenfall werden, über die die schwedische Regierung in den nächsten Monaten entscheidet. Derweil versteht Vattenfall in Deutschland unter ‘Nachhaltigkeit’ selbst etwas ganz anderes: Man möchte, dass neue Eigentümer den CO2-Ausstoß und das Abbaggern dauerhaft, also ‘nachhaltig’ fortsetzen.”

Vielleicht hat er da die Unternehmenssicht etwas überzeichnet. Aber es ist im Grunde egal. Denn die Tendenz, die Vattenfall aufzeichnet, gilt für alle Eigentümer von Kohlekraftwerken: Der klimaschädliche Brennstoff ist heute schon in vielen Bereichen nicht mehr konkurrenzfähig. Und eine “Übergangstechnologie”, wie Sachsens Staatsregierung immer wieder behauptet, ist es schon längst nicht mehr. Im Gegenteil: Die Wahrscheinlichkeit, dass der Kohleofen in Sachsen schon weit vor 2030 ausgeht, hat sich in den vergangenen Monaten sichtlich vergrößert.

Bleibt noch die Position der SPD, die ja nun vielleicht mitregieren darf.

“Für uns steht im Vordergrund, dass mit einem neuen Eigentümer die Arbeitsplätze in der Lausitz gesichert werden”, erklärt der Parteivorsitzende Martin Dulig, der am Wochenanfang selbst mal kurz in Schweden war. “Es muss nun eine zügige Entscheidung geben. Denn wir brauchen für die Bürgerinnen und Bürger in der Lausitz, aber auch im Sinne einer sicheren Energieversorgung schnell Klarheit. Eine sichere Stromversorgung zu akzeptablen Preisen ist auf absehbare Zeit nur mit der Nutzung der heimischen Braunkohle möglich.”

So recht Abschied nehmen mag also auch die SPD nicht von der Kohleverstromung. Gar noch zu “akzeptablen Preisen”.

“Ich erwarte, dass Vattenfall wie angekündigt einen engen Dialog mit Sachsen und Brandenburg führt”, sagt Dulig noch. “Ich schließe mich Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke an und erwarte, dass die Unternehmensführung zügig zu Beratungen in die Lausitz kommt.”

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