Es liest sich wie eine Predigt, was Jan Willmroth am Mittwoch, 7. Januar, auf sueddeutsche.de als Kommentar schrieb unter dem Titel "Warum es viel zu viel Öl gibt". Dabei geht es ihm eher nur nebenbei um diese Aussage, auch wenn er sie in seinem Kommentar noch einmal verstärkt. Wichtiger ist ihm eigentlich der Hinweis darauf, dass das verfügbare Erdöl auf Erden gar nicht in dieser Menge verbrannt werden darf, wenn die Menschheit den Klimawandel noch irgendwie im Griff behalten möchte.

Zwischendurch aber begibt er sich auf recht wackligen Untergrund: “Spätestens am Verfall der Ölpreise im vergangenen Jahr lässt sich das hervorragend studieren – und damit auch eines der entscheidenden Probleme des 21. Jahrhunderts: Erdöl ist nicht knapp. Binnen eines halben Jahres sank der Preis für den Schmierstoff der Weltwirtschaft zeitweise um mehr als die Hälfte und für die Ölsorte Brent nun sogar unter 50 Dollar, nachdem ein dank des Fracking-Booms in den Vereinigten Staaten und der Milliardeninvestitionen in neue Quellen enorm ausgeweitetes Angebot auf eine schwächelnde Nachfrage traf. Anhaltend hohe Preise machten diese Investitionen attraktiv. Fortschritte in der Fördertechnik wie die horizontalen Bohrungen beim Schieferöl, die verbesserten Verarbeitungsmethoden bei Ölsanden und immer tiefere Bohrungen auf hoher See haben Ölquellen verfügbar gemacht, von denen vor Jahrzehnten entweder noch niemand wusste oder von denen niemand dachte, man könne sie irgendwann einmal wirtschaftlich ausbeuten.”

Er geht dann auf ein paar Gründe ein, die dafür sorgen, dass das Barrel Öl heute so billig ist. Unter anderem die Nachfrageschwäche in etlichen Schwellenländern, der zunehmende Anteil anderer Energiearten am Gesamtenergiemix, die höhere Effizienz moderner Motoren. Alles richtig.

Aber einen Grund erwähnt er nicht, deutet ihn nur an mit den “Milliardeninvestitionen in neue Quellen” an: Diese Milliardeninvestitionen wurden auf der Basis eines Ölpreises von 70 Dollar pro Barrel Rohöl vorgenommen. Nur aufgrund dieses hohen Preises waren die Investitionen im Umfang von Hunderten Milliarden US-Dollar in neue Förder-Projekte rentabel. Die USA haben es zwar geschafft, mit solchen Investitionen im eigenen Land vom Erdölimporteur zu Exporteur zu werden. Aber das hat natürlich zusätzliche Ölmengen auf den Markt geschwemmt und dazu beigetragen, den Ölpreis abstürzen zu lassen. Das Ergebnis: Der Ölpreis ist im Tiefflug, ist mittlerweile unter 50 Dollar je Barrel gerutscht.

“Spiegel Online” feierte das am Mittwoch, 7. Januar, gleich mal: “Milliarden-Konjunkturhilfe: Deutsche Wirtschaft feiert niedrigen Ölpreis”. Und hat dann auch irgendwie vergessen, dass man zum Thema kurz vor Weihnachten noch eine nicht ganz unwichtige Warnmeldung veröffentlicht hatte: “Goldman-Studie: Billiges Öl könnte für Lieferengpässe sorgen”. In der Goldman-Sachs-Studie wurden zwar vor allem “zukünftige Großprojekte” untersucht, “400 Gas- und Ölfelder weltweit, für die mehrheitlich noch die letzte Entscheidung über Investitionen in Förderprojekte ausstehen.”

Aber auch die schon existierenden Großprojekte wurden mit einem höheren Ölpreis gerechnet als den 61 Dollar im Dezember oder den aktuell 49 Dollar pro Barrel.

Für Norbert Rost vom Dresdner Büro für postfossile Regionalentwicklung ein Grund, zumindest zur Vorsicht zu mahnen: “Auch sind die Tight-Oil und Schiefergas-Gebiete in den USA noch nicht in diese Analyse einbezogen – vermutlich weil sie aus vielen kleinen Projekten bestehen und nicht als ein Großes. Die Gerüchte, der Fracking-Boom der USA basiere auf inzwischen faulen Krediten, halten sich hartnäckig und könnten, die Vorstufe zu einer neuen Finanzkrise darstellen.”

Für ihn gibt es nicht wirklich Grund zu jubeln. Auch wenn “Spiegel Online” im Dezember so tat, als würde sich alles wieder einrenken, wenn es zu Produktionsausfällen kommt, weil etlichen Projekten die Luft ausgeht: “Grundsätzlich sind die prognostizierten Reaktionen auf den Ölpreis ein normaler und wünschenswerter Marktmechanismus: Wird weniger Öl gefördert, weil es sich nicht rechnet, verknappt sich das Angebot, in der Folge steigt der Ölpreis. Das lässt die Industrie wieder mehr investieren, die Förderung steigt, und der Kreislauf beginnt von vorne”, heißt es im “SPON”-Beitrag.

Aber in diesen Dimensionen kann es auch dazu führen, dass der Ölpreis ziemlich schnell in die Höhe schießt. Denn dass das Barrel so billig ist, hängt auch damit zusammen, dass derzeit viele Produzenten um jeden erzielbaren Preis verkaufen, um überhaupt noch Geld in die Kasse zu bekommen. Sie schwemmen den Markt, weil die Investoren, die sich in den Ölrausch gestürzt haben, jetzt ihre Renditen sehen wollen.

Norbert Rost: “Leider haben Politik, Behörden und die meisten Unternehmen diese Entwicklung weiterhin auf der leichten Schulter, obwohl sich hier ein Doppelrisiko aus Finanz- und Energiekrise auftürmt. Eine Peak-Oil-Strategie wird in den meisten Institutionen weiterhin nicht oder nicht angemessen diskutiert.”

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