Das war dann mal eine April-Nachricht, die freilich kein Aprilscherz war: "4 out of 5 largest EU emitters are German lignite power stations" , meldete die britische Klimaschutzorganisation Sandbag am 1. April. Übersetzt: 4 der 5 größten Emittenten der EU sind deutsche Kohlekraftwerke. Sie hätte aber auch schreiben können: Zwei der größten CO2-Schleudern stehen in der Lausitz.

Sandbag hat die offiziellen europäischen Emissionsdaten für 2014 ausgewertet. Dass deutsche Kohlekraftwerke immer wieder in der Spitzengruppe der größten CO2-Emittenten auftauchen, ist nicht neu. Neu ist dagegen, dass unter den fünf größten CO2-Schleudern gleich vier deutsche Kraftwerke sind. Unter den zehn größten Emittenten sind es immerhin sechs. Da staunten selbst die Briten.

Dave Jones, Analyst  von Sandbag, kommentiert es so: “The majority of German lignite is two-thirds more carbon-intensive than even efficient hard coal, and this is undermining power sector decarbonisation not just within Germany, but even at a European level. The Energiewende can only be a true international success story if lignite emissions are substantially reduced.”

Eine Botschaft, die eigentlich in die Ohren der brandenburgischen und der sächsischen Regierung gehört, die nach wie vor um den Erhalt der Braunkohlekraftwerke in der Lausitz kämpfen, als gäbe es keine Alternative, und die Braunkohleverbrennung immerfort als “Übergangstechnologie” anpreisen. Die Kraftwerke werden dann gern gleich noch als hocheffizient angepriesen. Was sie nicht sind. So sieht es auch Jones in seiner Äußerung: “Die Mehrheit der deutschen Braunkohlekraftwerke sind um zwei Drittel emissionsintensiver als ebenso effiziente Steinkohlekraftwerke.” Und eine Erfolgsgeschichte könne die “Energiewende” (das deutsche Wort hat es augenscheinlich auch ins Englische geschafft) erst werden, wenn der CO2-Ausstoß substanziell gesenkt werden kann. Also genau das, was Bundesenergieminister Sigmar Gabriel (SPD) mit seinem jüngst vorgelegten “Eckpunktepapier” beabsichtigt.

Das sieht für Kohlemeiler ab 20 Jahre Alter eine gestaffelte Abgabe vor. Und unter die Abgabe würden auch die beiden ältesen Kraftwerksblöcke im Kraftwerk Jänschwalde fallen. Ein Fakt, der auch in der sächsischen Regierung geradezu einen Aufschrei der Empörung ausgelöst hat.

Das vom schwedischen Eniergiekonzern Vattenfall betriebene Kraftwerk Jänschwalde ist mit einem CO2-Ausstoß von 24 Millionen Tonnen auf Platz 4 in der Sandbag-Liste gelandet. Das waren immerhin 5 Prozent weniger CO2-Ausstoß als noch 2013. Aber das lag nicht an der “effizienten Technologie”, sondern schlicht daran, dass 2014 eines der wärmsten Jahre seit Beginn der Temperaturmessungen in Mitteldeutschland war. Da sich die Kohlemeiler aber nicht abschalten lassen, pumpte auch Jänschwalde im Sommer Strom ins Netz und reihenweise mussten Windparks abgeschaltet werden. Die Stromnetzbetreiber müssen immer öfter derart nachregulieren.

Das Kohlekraftwerk Lippendorf im Leipziger Südraum gehört übrigens auch zu den größten CO2-Emittenten in Europa. 2014 landete es mit 11,9 Millionen Tonnen CO2-Emission auf Rang 8, hatte seinen Ausstoß sogar um 1 Prozent gesteigert.

Anders etwa als das griechische Kohlekraftwerk Agioas Dimitrios, das seinen Ausstoß um 10 Prozent senkte. Das freilich nicht wegen des milden Winters, sondern weil die Sparauflagen der Troika zu einem drastischen Wirtschaftseinbruch geführt haben.

Dass Kohlekraftwerke in Deutschland weiter pusten, hat mit den großen Energiekonzernen zu tun, die natürlich ihre Kraftwerkparks so lange wie möglich betreiben wollen. Verbal assistiert von Politikern, die unfähig sind, ihren eigenen Landeshaushalt zu lesen, sonst würden sie bei Braunkohle nicht von einem billigen oder gar subventionsfreien Brennstoff reden.

Auch die “Süddeutsche” erwähnte bei Auswertung der Sandbag-Meldung wenigstens den enormen Flächenverbrauch der Braunkohlewirtschaft, der eben nicht nur Sanierungskosten in Milliardenhöhe bedeutet, sondern auch den Verlust von Infrastrukturen und oft genug wertvollen Böden.

Die größte europäische CO2-Schleuder steht übrigens in Polen – das Kraftwerk Bełchatów. Die Briten sind mit der Drax Power Station in der Liste der 10 größten CO2-Emittenten vertreten, die Italiener mit Brindisi Süd. Der Rest sind deutsche Kohlekraftwerke, drei davon in Ostdeutschland, neben Jänschwalde und Lippendorf nämlich auch Schwarze Pumpe. Das ist schlicht zu viel, führt im Sommer zur Überlastung der Netze und behindert, wie Jones gesagt hat, massiv die Energiewende. Der Vorstoß von Sigmar Gabriel, jetzt wenigstens die ältesten und unrentabelsten Blöcke entweder mit Abgaben zu belegen oder ganz vom Netz zu nehmen, ist überfällig.

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Es gibt 2 Kommentare

“an die Wändet ihrer” sollte natürlich
“an die Wände ihrer” heißen.

Nach dem zweiten Weltkrieg, schrieben die Besatzungsmächte den Deutschen an die Wändet ihrer Ruinen: “Das ward ihr. Das habt ihr getan. Ihr tragt die Schuld daran.”

An alle Politversager, Möchtegernblindgänger, leitende Verharmloser und ignorante Chefs, all euch Lakaien der Wirtschaft und euch gekauften Betrügern sei versichert – es wird auch Euch so ergehen!

Ihr wähnt Euch heute ganz vorn, ganz oben, unantastbar, unfehlbar und im ewigen Recht. Falsch! Ihr werden stürzen!! Denn: “Das ward ihr. Das habt ihr getan. Ihr tragt die Schuld daran.”

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