Es ist eine Geschichte aus tiefster Vergangenheit. Sie erzählt vom Ende des Jubelgesangs über die Solarindustrie in Sachsen. Vor Jahren mal gefeiert als eine der Zukunftsbranchen im Land. Doch das Statistische Landesamt vermeldet jetzt zum mittlerweile fernen Jahr 2013: "Erneut Umsatzrückgang auf sächsischem Umweltmarkt". Natürlich ist es eine ganz praktische Idee, alle Wirtschaftsleistungen, die der Umwelt zugute kommen, in einer Zahl zu bündeln.

Das könnte so eine Art Marke sein, wo der Freistaat Sachsen steht beim Umbau hin zu einer grünen Wirtschaft. Aber das Problem ist, dass besonders umsatzintensive Branchen so eine Zahl schnell dominieren – auch im negativen Sinn.

“Rund 2,24 Milliarden Euro Umsatz mit Gütern und Leistungen für den Umweltschutz erzielten die sächsischen Betriebe im Jahr 2013”, hat das Statistische Landesamt nun ausgerechnet. “Das bedeutete für den sächsischen Umweltmarkt das zweite Jahr in Folge einen Umsatzrückgang gegenüber 2012 um knapp eine halbe Milliarde Euro (-18,2 Prozent). Der Abwärtstrend löste den bis 2011 kontinuierlichen Zuwachs der umweltschutzbezogenen Umsätze ab”, meinen die Statistiker aus Kamenz.

Eine Aussage zumindest, die ein paar Fragezeichen wert ist. Denn erstens wird nicht alles in der Statistik erfasst, was eigentlich zum Umweltschutz gehört – angefangen von der nachhaltigen, ökologischen Landwirtschaft über die Produktion umweltschonender Fahrzeuge bis hin zur regenerativen Energieerzeugung. Die Zahl beschreibt im Grunde nur die industrielle Seite der Umweltproduktion.

Das wird noch deutlicher, wenn die Statistiker die Zahlen bewerten, wie man ganz klassische Industrieproduktionen bewertet: “Sowohl bei den im Inland erzielten Umsätzen mit Umweltschutzgütern und -leistungen (rund 1,8 Milliarden Euro, -11,9 Prozent) als auch bei den damit im Ausland erbrachten Erlösen (rund 0,4 Milliarden Euro, -38,6 Prozent) waren deutliche Rückgänge zu verzeichnen.” Und dann so ein Satz: “Die Umsatzzuwächse in Bereichen wie Luftreinhaltung,  Lärmbekämpfung, Wärmedämmung oder Schutz und Sanierung von Boden, Grund- und Oberflächenwasser konnten die Rückgänge insbesondere im wertintensiven Bereich der Photovoltaik nicht kompensieren.”

Hinter der Zahl, die scheinbar die Entwicklung des gesamten sächsischen Umweltmarktes beschreibt (was sie nicht tut), stecken vor allem zwei Entwicklungen, die zumindest dieses Immer-Mehr-Spiel der üblichen Wirtschaftsstatistik in Frage stellen. Das eine ist natürlich die Krise der sächsischen Solarindustrie, die ihr Spitzenjahr 2010 hatte und damals auch noch zu guten Preisen exportieren konnte. So eine Marktdominanz hält freilich im Zeitalter von Copy & Paste nicht lange an. Gerade asiatische Firmen haben die Produktion von Solarmodulen nicht nur enorm ausgebaut, sondern auch enorm verbilligt. Im Ergebnis nahm der Wert der sächsischen Solarexporte rapide ab. Immerhin machen sie den Hauptteil der sächsischen Umweltexporte aus. 2010 hatten Sachsens Umweltexporte noch einen Wertumfang von 1 Milliarde Euro, 2013 waren es nur noch 393 Millionen Euro.

Zum anderen sind aber auch die Preise im Inland gesunken, was den wertmäßigen Umsatz der Photovoltaik-Branche ebenfalls rapide sinken ließ – von 1,7 Milliarden Euro im Jahr 2011 auf 505 Millionen im Jahr 2013. Für die Endkunden bedeutete das schlicht: Die Anlagen auf dem Dach wurden deutlich preiswerter.

Der reine Blick auf Branchenumsätze verrät eben nicht wirklich, was tatsächlich geschehen ist. Und es wird noch viel mehr versteckt, wenn es in die starren Raster der 2006 und 2008 zuletzt novellierten Umweltstatistik gepresst wird.

“Wie bereits in den Vorjahren wurden 2013 die meisten umweltschutzbezogenen Umsätze im Bereich Klimaschutz erwirtschaftet (rund 1,4 Milliarden Euro = 60,5 Prozent). Der Umsatzschwerpunkt lag dabei vor allem auf Maßnahmen zur Nutzung erneuerbarer Energien (rund 65 Prozent). Mit der Herstellung von Photovoltaikanlagen und deren Komponenten (z.B. Solarmodule) wurden im Berichtsjahr 2013 rund 522,5 Millionen Euro Umsatz erwirtschaftet. Damit erzielte dieser Produktionszweig nur noch reichlich die Hälfte des Vorjahresumsatzes”, beklagen die Statistiker die Umsatzrückgänge in der Solarbranche, ohne tatsächlich einzuordnen, woran dieser Rückgang lag. An einer zunehmenden Abstinenz der Sachsen von der Photovoltaik auf jeden Fall nicht.

“Demgegenüber legten die Umsätze für die Errichtung von Windkraftanlagen (Onshore und Offshore) mit rund 268 Millionen Euro deutlich zu, erreichten aber nicht die Umsätze der Solar- und  Photovoltaikindustrie”, setzen die Statistiker aus Kamenz ihr Lamento fort, ohne die Hintergründe zu erklären. “Wie bereits in den Vorjahren ließ sich mit der Wärmedämmung von Gebäuden erneut ein sattes Umsatzplus erzielen: rund 187 Millionen  Euro entsprachen einem Umsatzzuwachs von rund 12 Prozent.”

Die Produzenten von Windkraftanlagen haben also 2013 mehr Bauteile absetzen können. Für Lärmschutz und Landschaftsschutz wurde etwas mehr Geld investiert. Und für Bodensanierung wurde auch mehr ausgegeben. Im Großen und Ganzen entwickelt sich Sachsens Umweltwirtschaft also stetig ein wenig nach oben. Nur die Solarbranche, die um 2010 noch als die kommende neue Wachstumsbranche gefeiert wurde, verzerrt die Zahlen durch ihren gigantischen Preis- und Umsatzverfall.

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