"Energiekonzern: Vattenfall macht rund drei Milliarden Euro Verlust", titelte der "Spiegel" gleich am Dienstag, 21. Juli, nachdem der schwedische Energiekonzern seine Halbjahresergebnisse vorgelegt hatte. Der Konzern selbst äußerte noch einen Zahn schärfer: "Hohe Abschreibungen und weiterhin niedrige Strompreise an der Börse beeinflussen Quartalsergebnis von Vattenfall". Vielleicht wird Magnus Hall, Präsident und CEO von Vattenfall AB, das Jahr 2015 verfluchen.

Es ist das Jahr, in dem es dem lange Jahre erfolgreichen Energiekonzern die Suppe verhagelte. Und nicht die rot/grüne-Regierung, die seit Oktober 2014 in Stockholm regiert, ist dran schuld und auch nicht die von Bundesenergieminister Sigmar Gabriel ins Spiel gebrachte “Klimaabgabe”. Es ist der so gern beschworene “Markt”, der zuschlägt. Und der jetzt ziemlich gnadenlos zeigt, dass er viel einfacher und gnadenloser funktioniert, als es sich all die sächsischen Politiker vorstellen können, die seit Herbst nach Stockholm gereist sind und seither dutzende Briefe, Deklarationen und Memoranden verfasst haben. Als hätte so eine Schaumschlägerei irgendeinen Einfluss auf Marktpreise.

Und die sind es, die Vattenfall nun endgültig das Geschäft verhageln. 2014 konnte es Magnus Hall schon ahnen – der Gewinn des Energiekonzerns, der jahrzehntelang auch die schwedischen Staatskassen aufpäppelte, ist dahingeschmolzen wie Eis in der Sonne. Und Hall und seine Führungsriege wussten ganz genau, dass es nur noch eine Frage von Monaten war, bis aus dem Plus vor dem Unternehmensergebnis ein wachsendes Minus werden würde. Das ist jetzt passiert. Im zweiten Quartal meldet der Konzern einen Verlust von 28,8 Milliarden Schwedischen Kronen, was rund 3,1 Milliarden Euro entspricht. Im ersten Quartal war es ein Minus von 23,8 Milliarden Schwedischen Kronen gewesen , was etwa 2,5 Milliarden Euro entsprach. Und das, obwohl sich die produzierte Strommenge gegenüber dem Vorjahresquartal nicht verändert hat.

Konnte man in den vergangenen Jahren mit dem preiswert produzierten Kohlestrom an den Strombörsen noch gute Geschäfte machen, ist das seit einem Jahr vorbei. Was zum Teil natürlich an den kontinuierlich wachsenden Kapazitäten von Wind- und Solarstrom liegt: Sie erhöhen das Überangebot an Strom. Und zwar so schnell, dass eine Strategie zum planmäßigen Abschalten der Kohlekraftwerke schon seit Jahren überfällig ist. Mit der “Klima-Abgabe” hatte Sigmar Gabriel ein Steuerungsinstrument vorgelegt, das diesen Prozess in etwas geregeltere Bahnen gebracht hätte. Aber die großen deutschen Kraftwerksbetreiber wollten lieber das Chaos und mobilisierten alles, was in ihrer Macht stand, um die “Klima-Abgabe” zu Fall zu bringen und im Gegenzug die Bundesregierung auch noch in die Pflicht zu nehmen, für die Stilllegung der alten Kohlemeiler zu bezahlen. Nichts anderes ist die viel gepriesene “Kapazitäts-Reserve”, die mit der ursprünglich geplanten Reserve der Energiewende nichts, aber auch gar nichts zu tun hat.

Für Magnus Hall steckt in dem Kompromiss die Hoffnung, wenigstens einen kleinen Teil der auflaufenden Verluste kompensieren zu können. “Die deutsche Bundesregierung hat die Überführung von Kohlekraftwerken in eine Kapazitätsreserve in Verbindung mit einer finanziellen Kompensation für die Eigentümer vorgeschlagen”, sagte er am Dienstag. “Wir glauben, dass dieser Vorschlag nicht nur die notwendigen Rahmenbedingungen für niedrigere Kohlendioxidemissionen, sondern auch Versorgungssicherheit schafft. Für uns bedeutet der Vorschlag auch mehr Klarheit in unserem Verkaufsprozess für die Braunkohlesparte.“

In diesem Glauben schwebt derzeit auch die sächsische Regierung, die immer noch hofft, wenn schon nicht die Kohlekraftwerke, die Vattenfall verkaufen will, in der Lausitz wirtschaftlich betrieben werden können, dann doch zumindest die Tagebaue, die ebenso zum Verkauf stehen. Immer mit dem politischen Totschlagargument der Arbeitsplätze, was ja bekanntlich auch die Industriegewerkschaft BCE zum Partner in diesem wilden Kampf gegen Windmühlen gemacht hat.

Aber Hall machte am Dienstag deutlich, dass das ein trügerischer Glaube ist: Der Arbeitsplatzabbau in den Kohlekraftwerken wird weiter gehen, er wird sogar noch forciert. Im Gegenzug versucht Vattenfall mit aller Kraft, zu einem Erzeuger erneuerbarer Energien zu werden.

Magnus Hall: “Vattenfall treibt seinen strategischen Wandel mit Schwerpunkt auf erneuerbare Energien weiter voran. Unsere neue Organisation trägt dazu bei, das Tempo des Wandels noch zu steigern. Aber wir müssen weiter hart an Kostenreduzierungen arbeiten. Der Stellenabbau, den wir im vorigen Quartal angekündigt haben, ist im Gang, hat sich aber durch unsere Neuorganisation verzögert. Wir prüfen zusätzlich im gesamten Konzern, wo weiter Kosten reduziert werden können.”

Denn eins weiß er nun wirklich, nachdem er 2014 noch eine Hoffnung andeutete, die Phase könnte vorübergehen: Die steigende alternative Stromproduktion sorgt dafür, dass sich Kohlestrom an den Börsen nicht mehr kostendeckend verkaufen lässt.

„Die Strompreise an der Börse sind im zweiten Quartal weiter gesunken. Die niedrigen Strompreise wirken sich zunehmend negativ auf das Ergebnis aus, da Termingeschäfte zu höheren Preisen aus früheren Jahren nun sukzessive auslaufen“, betonte Magnus Hall am Dienstag.

Und das hat Folgen. Denn die “sehr niedrigen Börsenpreise für Strom drücken die Margen im Bereich der konventionellen Erzeugung”, so Vattenfall. “Deshalb hat der Verwaltungsrat von Vattenfall Abschreibungen beschlossen. Die geringere Ertragskraft und die daraus folgende frühere Schließung der Blöcke 1 und 2 führen zu einer Wertminderung des Kraftwerks Ringhals von rund 17 Mrd. SEK. Die Braunkohleaktivitäten sind ebenfalls von niedrigen Börsenpreisen und höheren Geschäftsrisiken betroffen, was insgesamt zu einer Abschreibung von 15 Mrd. SEK führt. Diese Abschreibungen und eine Wertminderung des Kraftwerks Moorburg in Höhe von 4 Mrd. SEK sowie höheren Rückstellungen belasten das Ergebnis im zweiten Quartal mit insgesamt rund 40 Mrd. SEK.”

Heißt im Klartext: auch seine Kraftwerke in der Lausitz hat der schwedische Energiekonzern jetzt mit 15 Milliarden Schwedischen Kronen abgeschrieben, was rund 1,6 Milliarden Euro entspricht. Das kann dann zweierlei heißen: entweder drückt es den möglichen Verkaufspreis der Kraftwerke noch weiter, was sie zwar für andere Bewerber erschwinglicher macht. Aber die Abschreibung bedeutet natürlich auch ein Eingeständnis sinkender Rentabilität. Da ist dann die Frage, ob überhaupt noch alle Kraftwerke und Blöcke verkauft werden können oder ob die Abschreibung schon das Signal für die bald folgende Abschaltung von Kraftwerkskapazität ist.

Was natürlich die Frage aufwirft, was Kraftwerksblöcke, die sowieso schon abgeschrieben sind, in einer “nationalen Kapazitätsreserve” zu suchen haben.

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