Am Dienstag, 20. Oktober, war der letzte Tag, an dem man Verkaufsangebote im Bieterverfahren für die Braunkohlesparte von Vattenfall abgeben konnte. Das hat auch Greenpeace Schweden getan, aber nicht ganz so, wie es klassische Bieter getan hätten. Um 12 Uhr lief die Abgabefrist ab. Kaufen will Greenpeace aber nicht. Wer kauft schon eine Branche, die keinen Gewinn mehr abwirft?

Tatsächlich schlägt Greenpeace in seiner Interessenbekundung vor, eine Stiftung zu gründen mit dem Arbeitstitel “Beyond lignite”, die vor allem eines organisieren soll: Den organisierten Ausstieg aus der Kohle bis 2030 und den Umbau der Konzernaktivitäten hin zu einem ökologischen Energieunternehmen.

Im Grunde das, was auch Vattenfall machen könnte, wenn da nicht alleweil Minister aus Sachsen und Brandenburg auf der Matte stünden und barmen würden: “Bitte nicht aussteigen! Bitte nicht aussteigen!”

Dabei müsste es im Interesse beider Länder sein, genau diesen Ausstieg mitzugestalten und zu helfen, dass die Strukturen in der Lausitz nicht einfach aus Kostengründen wegbrechen, sondern altnative Energiegewinnung zum neuen Standbein wird, noch bevor die Meiler ausgehen.

Und darin ist das “Statement of Interest”, das Greenpeace abgegeben hat, deutlich: Mit der Braunkohleverstromung kann man kein Geld mehr verdienen. Das Einzige, was wirklich Wert hat, sind die 2 Milliarden Euro an Rücklagen, die auch dringend gebraucht werden, um die Bergbaufolgen in der Lausitz zu beseitigen. Und vielleicht noch eine halbe Milliarde Euro, die aber eher nicht dazu eingesetzt werden sollte, die Meiler am Laufen zu halten. Da ist Greenpeace knochentrocken: Allein die Rentabilität wird über den Weiterbetrieb der Kraftwerke entscheiden. Und die wird für die meisten über kurz oder lang nicht mehr gegeben sein. Die 500 Millionen Euro sollten tatsächlich eher in den Strukturwandel investiert werden und deshalb in eine Stiftung fließen. Und die ersten Kandidaten, diese Stiftung zu füttern wären die Länder Sachsen und Brandenburg.

“Der Greenpeace-Vorschlag ist bisher das einzig realistische Szenario. Der Vorschlag eines Stiftungsmodells unter Beteiligung der Länder Sachsen und Brandenburg sowie des Bundes ist geeignet, das Tagebau- und Kraftwerksgeschäft geordnet und über einen längeren Zeitraum zu Ende zu führen. Damit würden die Kosten und Risiken transparent gemacht und die Verantwortung klar festgelegt”, kommentiert Dr. Gerd Lippold, energiepolitischer Sprecher der Fraktion Bündnis 90 / Die Grünen im Sächsischen Landtag. “Der Greenpeace-Vorschlag wurde unter realen Annahmen zum Strommarkt unterbreitet. Den von Vattenfall angesetzten Sanierungskosten von 2 Milliarden Euro (entspricht dem Wert der Rückstellungen) steht demnach nur ein erwarteter Barwert von 0,5 Milliarden Euro gegenüber.”

Bislang hat auch die tschechische EPH-Holding, zu der auch die Mibrag gehört, Interesse bekundet, die Braunkohlesparte von Vattenfall zu übernehmen. Aber diskutiert wurde in den letzten Monaten auch immer wieder darüber, ob am Ende doch nur die Tagebaue den Besitzer wechseln und die Kraftwerke außen vor bleiben.

Der Nachteil wäre in jedem Fall, dass neue Eigentümer nicht zwangsläufig auch einen geordneten Ausstieg aus der Braunkohle organisieren, der nach den Klimazielen der Bundesrepublik eigentlich längst im Gange sein müsste. Und es würde wieder einmal der durchaus unberechenbare Markt darüber entscheiden, ob und wann die Kraftwerksblöcke abgeschaltet werden. Mit einem geordneten Ausstieg hätte das nichts zu tun.

Und Greenpeace benennt in seinem Papier auch, was von neuen Eigentümern eigentlich zu erwarten ist, wenn sie die Kraftwerke weiter betreiben wollen: Sie müssen die Kosten senken, um weiter rentabel zu bleiben. Was logischerweise Entlassungen und Senkung sozialer Standards nach sich zieht. Dann hätten Sachsen und Brandenburg zwar das, was sie wollten: neue Eigentümer. Aber der Rückbau der Branche würde trotzdem stattfinden.

Wobei auch die aktuelle rot-grüne Regierung in Schweden ein Wörtchen mitzureden hat, denn sie hat von Vattenfall ja vor allem den Ausstieg aus der Braunkohle gefordert – was nicht unbedingt Verkauf heißen muss. Es könnte durchaus auch bedeuten, dass ein Stiftungsmodell, wie es Greenpeace jetzt vorschlägt, positiv aufgenommen wird.

“Eine Stiftung könnte den Weg dazu öffnen, den Verkauf der Braunkohle-Sparte mit einem klimagerechten Kohleausstiegskonzept und dem Einstieg der Lausitz als Standort für erneuerbare Energien zu verknüpfen”, findet auch Gerd Lippold. “Ich fordere Ministerpräsident Stanislaw Tillich (CDU) und Wirtschaftsminister Martin Dulig (SPD) auf, den Vorschlag sorgfältig zu prüfen und sich mit Greenpeace zu ernsthaften und ergebnisoffenen Gesprächen an einen Tisch zu setzen.”

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