Die Energiepolitik in Deutschland ist ja eine Art Eiertanz: Da geht es mal drei Schritte vor, zwei zur Seite, vier die kreuz und zwei die quer. Die meisten Eier werden dabei zertreten. Aber irgendwo merken dann doch ein paar Tänzer, dass man vielleicht doch mal geradeaus laufen sollte. Sogar in Sachsen. Ein Antrag der Regierungskoalition macht's deutlich.

Ja, es ist dieselbe Koalition, die nun ein ganzes Jahr damit zugebracht hat, um alle Kohlemeiler in der Lausitz zu kämpfen, als wäre das tatsächlich die viel beschworene Übergangstechnologie, die es nicht ist.

Aber ein wenig scheint man im Lauf des Jahres wohl doch mitbekommen zu haben, dass das eigentliche Grundproblem eine nach wie vor nicht umgesetzte Energiewende ist. So stellt es jetzt auch Jörg Vieweg, Sprecher für Energiepolitik der SPD-Fraktion im Sächsischen Landtag, fest: Man hat zwar seit 15 Jahren eifrig immer neue Windräder, Solaranlagen und andere alternative Energieerzeuger gebaut und 2011 auch noch den Ausstieg aus der Kernkraft beschlossen, aber bei zwei wesentlichen Punkten hängt man fürchterlich hinterher: Das eine ist der Ausbau der notwendigen Übertragungsnetze und das andere ist die Schaffung der dringend benötigten Speicher. Denn ein Großteil des mit Wind und Sonne erzeugten Stroms kann überhaupt nicht genutzt werden, weil es – saisonal bedingt – zu viel davon gibt und die nötigen Stromspeicher, die den überschüssigen Strom aufnehmen können, fehlen.

Und was noch fehlt – und das ist jetzt auch der sächsischen Regierungskoalition aufgefallen – ist eine regelmäßige Berichterstattung zum Thema. Wenn die Regierung keine Informationen zum Ausbau der Speichertechnologien sammelt, agieren auch die Abgeordneten im Landtag im Dunkeln.

Und so passiert Erstaunliches: CDU und SPD beantragen gemeinsam genau so eine Berichterstattung.

“Ohne neue Speichertechnologien wird uns die Energiewende nicht gelingen“, begründete Jörg Vieweg am Donnerstag, 19. November, im Landtag den Koalitionsantrag „Energieforschung und Speichertechnologie in Sachsen stärken“. “Es nützt nichts, nur weiter Erneuerbare Energien auszubauen, wenn nicht gleichzeitig auch die Netze fit gemacht und viele dezentrale Speicher ermöglicht werden. Mehr noch – wenn wir den Ausbau der Speichertechnologien nicht verbessern, wird es nichts mit unseren ehrgeizigen Zielen.“

Denn das gesamte deutsche Stromnetz könne derzeit nur für die Dauer einer Stunde Strom speichern. – Nötig sei jetzt ein Masterplan für Energieforschung und Speichertechnologie, so Vieweg.

„Wir müssen die Wahrnehmung bestehender Netzwerke erhöhen! Es gibt zahlreiche Akteure, die im Bereich Energiespeicher tätig sind. Nur wissen die voneinander? Wir müssen im nächsten Schritt die vielen Initiativen bündeln, Forschungseinrichtungen und deren Netzwerke stärken”, begründet der Abgeordnete den Antrag.

Zudem müssten nationale und europäische Drittmittel akquiriert werden. Denn irgendwie scheint auch noch eine professionell vernetzte Forschungslandschaft zu fehlen. Tatsächlich müssten jetzt richtig Mittel investiert werden, um ziemlich schnell leistungsfähige Speichertechnologien zu schaffen, die auch wirtschaftlich sind und eben nicht nur eine Stunde abpuffern können, sondern – ähnlich wie Gasspeicher – mehrere Wochen und Monate. Als Partner, der nicht von bestimmten Herstellerinteressen getrieben sei, solle die Sächsische Energieagentur SAENA die Koordinierung aller Aktivitäten übernehmen, empfiehlt Vieweg.

Und ganz ähnlich euphorisch äußerte sich Lars Rohwer, Sprecher für Energiepolitik und digitale Entwicklung der CDU-Landtagsfraktion.

“Es wird also nötig, die regenerative Energie zu speichern, genau dann und dort, wo sie eingespeist wird, um sie für spätere Bedarfe zu konservieren. An dieser Stelle wird deutlich, wie relevant solche Speichertechnologien für eine erfolgreiche Energietransformation eigentlich sind – sie sind praktisch das Herzstück. Wir wissen aber auch, dass die vorhandenen Technologien hinsichtlich verschiedener Speichermöglichkeiten zwar theoretisch vorhanden sind, aber deren praktische Umsetzung teilweise noch zu kompliziert ist, oder zu teuer”, sagte er am Donnerstag. “Der Antrag der Koalition trägt diesem Problem Rechnung und versucht diesen Knoten endlich durchzuschlagen. Damit die Energietransformation wirklich gelingt, brauchen wir Technologien, die nicht nur im Labor oder im kleinen Maßstabe funktionieren, sondern wir benötigen wirklich praxistaugliche Speicher, die dem alltäglichen Anspruch von privaten Verbrauchern und der Industrie gerecht werden. Dies verlangt exzellente Forschung, die noch stärker gefördert werden muss, um mit Aussicht auf Erfolg diese Herausforderungen angehen zu können. Sachsen hat dafür allen Grund, denn wir wollen nicht nur als Industriestandort weiter wachsen, sondern wir wollen auch als Forschungsstandort weiterhin positive Impulse setzen.”

Lauter wahre Worte, auf die eine ganze Branche nun seit Jahren wartet. Hat Sachsen wirklich das Zeug zum Vorreiter?

An so einem Thema könnte es sich beweisen.

Lars Rohwer: “Die Einspeisung von Ökostrom wird erst dann wieder rentabel, wenn dieser auch zu einem angemessenen Preis veräußert werden kann. Die mit der Einspeisung von Erneuerbaren verbundene Volatilität der Preise kann unter Zuhilfenahme von Speichern wunderbar ausgenutzt werden, um die Nachfrage und somit auch den Preis des Stromes zu steuern. Dies stellt einen weiteren, flexibilisierenden Baustein hin zu einem neuen Strommarktdesign dar, welchen wir politisch begleiten müssen.“

Jörg Vieweg sprach auch gleich mit Blick auf den Masterplan, der nun erarbeitet werden soll, von einem energiepolitischen Meilenstein. Klingt bombastisch. Aber die notwendige Kritik schickte der SPD-Abgeordnete gleich hinterher: Sachsen habe beim Thema Netze und Speicher in der Vergangenheit viel Zeit verschlafen. Und außerdem habe die SPD-Fraktion bereits in der vergangenen Legislaturperiode einen Antrag zu diesem Thema gestellt. Nur da war bei der damaligen Regierung kein Durchdringen.

Insofern hat sich mit dem Eintritt der SPD in die Regierung im Herbst 2014 auch hier ein wenig geändert und die Arbeit von Abgeordneten, die wirklich kontinuierlich am Thema Energiewende dran sind, wird ein wenig belohnt.

„Insofern freue ich mich besonders, dass jetzt Kontinuität belohnt wird”, sagt Vieweg.

Jetzt kann man gespannt sein, wann die erste Berichterstattung zum Thema vorliegt und ob aus dem Masterplan dann auch noch in dieser Regierungsperiode ein funktionierendes Forschungs- und Umsetzungsnetzwerk wird, das Sachsen tatsächlich mal zu einem modernen Energieland macht, wie im Antrag gewünscht.

Der Koalitionsantrag „Energieforschung und Speichertechnologie in Sachsen stärken“. (Ds. 6/2974)

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