Andere haben die Meldung aus dem Statistischen Landesamt einfach übernommen, frei nach dem Motto "Sachsen immer attraktiver, immer mehr Pendler kommen hierher zur Arbeit". Platter geht's nicht. Aber was soll dabei herauskommen, wenn man Journalismus als PR betrachtet? Die nicht mehr ganz so neuen Zahlen zu Sachsen-Pendlern 2014 hat das Statistische Landesamt am 21. Januar veröffentlicht.

“2,057 Millionen Einwohner des Freistaates Sachsen gingen im Jahresdurchschnitt 2014 einer Erwerbstätigkeit nach – entweder an einem Arbeitsplatz in Sachsen oder in anderen Ländern innerhalb Deutschlands. Gegenüber dem Vorjahr verringerte sich die Zahl der Auspendler, also der Erwerbstätigen mit Wohnort in Sachsen und Arbeitsplatz außerhalb, um 0,9 Prozent auf knapp unter 142.000 Personen. Im Gegensatz dazu stieg die Zahl der nach Sachsen einpendelnden Erwerbstätigen (rund104.000 Personen) weiter deutlich an – aktuell um 4,4 Prozent und im Vergleich zum Jahr 2010 um fast 13Prozent”, meldeten die Landesstatistiker. “Im Jahr 2014 lag damit für Sachsen ein Auspendlerüberschuss in Höhe von gut 37.000 Erwerbstätigen vor. Dieser Pendlersaldo war auf dem niedrigsten Stand seit 2005.”

Was trotzdem nicht heißt, dass Sachsen jetzt auf einmal zur großen Jobmaschine für alle Regionen drumherum wird. Ein negativer Saldo bleibt ein negativer Saldo. Noch immer fahren deutlich mehr Menschen insbesondere aus den grenznahen Regionen im Süden zum Arbeiten vor allem nach Bayern. Man kommt um den Blick auf die regionalen Details nicht herum. Und man muss so heranzoomen, denn zum Entstehen irgendeiner Art weit austrahlender neuer Industrien ist einem ja nichts bekannt geworden in den letzten zehn Jahren.

Aber wenn man die Landschaft heranzoomt, dann sieht man, wie sich aus der großen bunten Soße ein Flickenteppich abzeichnet, der deutlich macht, dass auch hinter der landesweiten Pendler-Statistik wieder die spürbare Verdichtung der Metropolstrukturen steckt. Denn den Zuwachs an Einpendlern produzieren so ziemlich allein die drei sächsischen Großstädte Leipzig, Dresden und Chemnitz. Hier wächst die Zahl der Erwerbstätigen, während sie in den ländlichen Räumen überall sinkt. Hier wächst die Zahl der Einpendler aus anderen Ländern und Bundesländern, während die Landkreise alle im negativen Saldo stecken, denn ihre Erwerbstätigen machen sich entweder – wie im Vogtland und im Erzgebirge – auf zum Arbeiten nach Bayern. Oder sie stecken morgens in den großen Pendlerströmen in die Großstädte.

Und seit 2012 sinkt die Zahl der Auspendler aus Sachsen. Aber das hat ebenfalls nichts damit zu tun, dass irgendwo in der Landschaft neue große Fabriken aus dem Boden gestampft wurden. Hier wirkt fast ausschließlich der Effekt des wachsenden Fachkräftebedarfs im Land, der auf halbierte Jahrgänge von Berufsanfängern trifft. Die jungen Leute brauchen sich keinen Job mehr in Bayern oder Hessen zu suchen. Sie werden von den heimischen Betrieben mit Kusshand genommen. Gleichzeitig sucht die Dienstleistungsbranche immer mehr Arbeitskräfte. Dort passiert der größte Teil des Arbeitsplatzaufbaus.

Was dazu führt, dass Sachsen sogar auffällt im trüben Meer der ostdeutschen Bundesländer. Die Landesstatistiker dazu: “Die Zahl der  erwerbstätigen Inländer 2014 war in Sachsen um 0,2 Prozent höher als im Vorjahr. Mit dieser Entwicklung blieb der Freistaat allerdings unter der bundesweiten Tendenz, denn in Deutschland erhöhte sich die Erwerbstätigenzahl nach dem Inländerkonzept um 0,9 Prozent. Im Vergleich der fünf neuen Länder konnten nur Sachsen und Mecklenburg-Vorpommern gegenüber 2013 einen Zuwachs verbuchen.”

Die Botschaft hätte damals eigentlich schon ein paar Landesregierungen dazu animieren müssen, sich endlich einmal in der Förderung der Metropolstrukturen gemeinsam einzubringen. Denn sie wissen es alle, dass nur in diesen Netzwerkstrukturen wirtschaftliches Wachstum zu generieren ist. Aber erstarrt wie die Ölgötzen schauen die Ministerpräsidenten auf die müde Bilanz, kürzen den Großstädten gleich noch die Investitionen und spielen weiter dicker Bauer und düngen das Land mit dem Geld, das zielgenau investiert, ganz andere Effekte zeitigen würde.

Eigentlich ist es zum Heulen. Denn die Zahlen liegen ja alle auf dem Tisch. Leipzig etwa hat seine Einpendlerzahl 2014 auf 91.363 gesteigert. 2016 oder 2017 dürfte diese Zahl die 100.000er-Schwelle überschreiten. 19.000 kamen dabei aus Sachsen-Anhalt, 5.000 aus Thüringen, über 2.000 aus Brandenburg, über 1.000 aus Berlin, aber auch aus Bayern. Die Leipziger Auspendler-Zahl ist übrigens auch gestiegen. Aber das lag vor allem am Beschäftigungszuwachs in den angrenzenden Landkreisen – etwa in Schkeuditz am Flughafen.

Hinter der gestiegenen Einpendlerzahl nach Sachsen steckt also vor allem der Beschäftigungsaufbau in Leipzig, Dresden und Chemnitz, der über die Landesgrenzen hinweg wirksam ist. Nicht besonders stark. Das muss man auch betonen. Auf die in Sachsen Beschäftigten gerechnet, macht die Zahl der Einpendler nur 5 Prozent aus. Und der Wert würde noch weiter absacken, wenn nicht solche Magneten wie Leipzig da wären, wo die Zahl der Einpendler aus anderen Bundesländern immerhin 13 Prozent an den hier registrierten sv-pflichtig Beschäftigten ausmachen würde.

Eigentlich müsste man sogar titeln: Zahl der Pendler nach Sachsen wächst trotz sächsischer Wirtschaftspolitik.

Die Pendler-Meldung des Statistischen Landesamtes.

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