Fragen stellen darf man im Sächsischen Landtag. Jede Menge. Aber wenn man zu konkret wird, muss man damit rechnen, dass das zuständige Ministerium einfach antwortet: "Nee, geht uns nichts an. Brauchen wir nicht drauf zu antworten." - Kann man machen. Aber wirklich gut kommt diese Haltung nicht an, erst recht, wenn sie so ein sensibles Thema wie den Braunkohlebergbau betrifft. Immerhin geht es da ja gerade um einen milliardenschweren Verkauf.

Im Frühjahr möchte der schwedische Energiekonzern Vattenfall ja bekanntgeben, wem man seine Kraftwerke und Tagebaue in der Lausitz und den einen Block im Kraftwerk Lippendorf verkauft. Wobei völlig offen ist, ob der Käufer später noch alle Kraftwerksblöcke weiter befeuert oder nur die Kohle haben will.

Grüne wie Linke machen sich gleichermaßen Sorgen darüber, dass die Rückstellungen, die die Tagebaubetreiber Vattenfall und Mibrag für ein Ende des Tagebaubetriebes gebildet haben, überhaupt ausreichen, die Tagebaurestlöcher zu sanieren und die Landschaft wieder zu renaturieren. Im Frühjahr 2015 hatten Dr. Gerd Lippold von den Grünen und Dr. Jana Pinka von den Linken gleichermaßen nachgefragt.

Die Antworten, die sie damals bekamen, fanden beide Abgeordneten keineswegs beruhigend. Man hatte zwar nun ein paar Zahlen mehr als im Jahr zuvor – so die Auskunft, dass Vattenfall zum Jahresende 2015 insgesamt 1,347 Milliarden Euro an bergbaubedingten Rückstellungen bilanzierte. Aber was fehlte, war die unabhängige Einschätzung des sächsischen Wirtschaftsministeriums, ob die Summe überhaupt angemessen war und ausreichen würde, die Tagebaulandschaft zu sanieren.

Oder wie es Dr. Jana Pinka jetzt dezidiert formulierte: “Welche Erkenntnisse liegen der Staatsregierung zum laufenden und künftigen Sanierungsbedarf und den dabei zur realisierenden mittel- und langfristigen Sanierungsmaßnahmen in den von Vattenfall im Lausitzer Braunkohlerevier und von der MIBRAG im mitteldeutschen Braunkohlerevier betriebenen Braunkohletagebauen vor?”

Immerhin hat ja der Tagebaubetreiber das Gelände nur auf Zeit. Wenn der Tagebau ausgekohlt ist oder der Betrieb aus marktwirtschaftlichen Gründen beendet wird, geht das Gelände in die Obhut einer Sanierungsgesellschaft über, die dafür sorgen muss, dass die Sicherheit und die Struktur für künftige Nutzungen hergestellt werden. Das kostet in der Regel Milliarden. Zur Eröffnung des Zwenkauer Sees (der allein 23 Millionen Euro gekostet hat), gab die Sächsische Staatskanzlei im Mai 2015 zum Beispiel diese Zahl bekannt: “Insgesamt haben der Bund und die von Braunkohle-Altlasten betroffenen Länder Sachsen, Sachsen-Anhalt, Thüringen und Brandenburg seit der deutschen Wiedervereinigung bereits mehr als neun Milliarden Euro in die Rekultivierung alter Braunkohletagebaue investiert.”

Man kann nicht wirklich davon ausgehen, dass es in der Lausitz künftig billiger wird. Oder in den Tagebauen im Leipziger Südraum oder drüben in Sachsen-Anhalt.

Und da die Tagebaue auf sächsischem Gebiet in irgendeiner Weise alle in die Regie des Landes Sachsen kommen, wäre ein zuständiger Wirtschaftsminister eigentlich gut beraten, wenigstens eine Vorstellung vom Umfang der notwendigen Sanierungsmaßnahmen und den damit verbundenen Kosten zu haben.

Aber irgendwie will Wirtschaftsminister Martin Dulig (SPD) nicht ran an dieses Thema. Für ihn liegen Aussagen “zum derzeitig bestehenden und künftigen Finanzierungsbedarf für die erforderlichen Aufwendungen zur Realisierung der o.g. Maßnahmen zur vollständigen Sanierung (eingeschlossen die Folgeprobleme wie Grundwasseranstieg und Verockerung der Oberflächengewässer u. a.)” völlig außerhalb des Verantwortungsbereichs der sächsischen Regierung. Es ginge reinweg um die Tätigkeit von privaten Konzernen. “Die Privaten nehmen im Hinblick auf den nachgefragten Sachverhalt auch keine öffentlichen Aufgaben wahr. Ferner bestehen keine vertraglichen Beziehungen der Staatsregierung zu den Privaten im Hinblick auf den nachgefragten Sachverhalt”, erklärt er und verweigert jede wie auch immer geartete Antwort auf die hartnäckigen Nachfragen der linken Abgeordneten.

Was zumindest eine Auskunft ist. Denn sie lautet eindeutig: Sachsens Staatsregierung hat keine verlässlichen Zahlen, was die künftigen Tagebausanierungen im Freistaat eigentlich kosten werden. Man fährt – wie so oft – einfach “auf Sicht”. Und überlässt die Dinge einfach ihrem Lauf. Vielleicht darauf hoffend, dass die Rückstellungen in der Bilanz von Vattenfall und Mibrag doch irgendwie ausreichen, wenn es soweit ist.

Wer aber keine belastbaren eigenen Zahlen hat – die man auch bekommen könnte, wenn man die eigenen Bergfachleute einmal einsetzt, um diese Zahlen in eigener Regie zu erfassen – dann bleibt natürlich auch bei Pinkas abschließenden Fragen nur das große Schulterzucken.

Sie wollte nämlich wissen, ob die Rückstellungen der “Höhe nach ausreichend sind, um den bestehenden Sanierungsbedarf für die von Vattenfall im Lausitzer Braunkohlerevier und von der MIBRAG im Mitteldeutschen Braunkohlerevier betriebenen Braunkohletagebaue verlässlich zu sichern bzw. die erforderlichen Sanierungsmaßnahmen in voller Höhe zu finanzieren?”

Eigentlich eine Frage, die eine zuständige Landesregierung brennend interessieren sollte. Denn mit privat oder nicht privat hat das ja nichts zu tun. Der Freistaat hat auch jetzt schon die volle bergbaurechtliche Aufsicht über die Tagebaue. Da sollte man eigentlich wissen, ob die per Gesetz geforderte Vorsorge (die Rücklagen) auch für die kommenden Sanierungen ausreichen.

Aber Dulig nimmt die Nachfrage eher persönlich und antwortet: “Die Frage ist auf eine Bewertung gerichtet. Zu der Abgabe einer Bewertung ist die Staatsregierung nicht verpflichtet. Von einer Beantwortung durch die Staatsregierung wird daher abgesehen.”

Nach einer auch nur minimalen Neugier der Landesregierung, was die möglichen Risiken des auslaufenden Tagebaus in Sachsen betrifft, klingt das wirklich nicht.

Die jüngste Nachfrage von Dr. Jana Pinka. Drs 3478

Die Anfrage aus dem Sommer, auf die sich die Nachfrage bezog. Drs 2239

Anfrage von 2013 zu den bergbaurechtlichen Rückstellungen der Tagebaubetreiber. Drs 11731

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Im schlimmsten Fall macht man es dann ganz billig: ein geschlossenes Reservat analog der Lieberoser Heide (die Jahrzehnte ein Truppenübungsplatz war und in großen Teilen der Sahara glich) und beobachtet streng wissenschaftlich, wie die Natur sich diesen toten Bereich zurückerobert.
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