Am Dienstag, 31. Januar, meldete das sächsische Wirtschaftsministerium den Beschluss des mittlerweile 6. Verwaltungsabkommens zwischen Bund und Ländern zur Braunkohlesanierung im Kabinett. Recht spät. Auch die Akteure im Leipziger Neuseenland haben schon gebangt, denn wirklich sicher, dass es noch einmal richtig viel Geld für die Braunkohlelandschaften geben würde, war es lange Zeit nicht.

Erst im November 2016 haben sich der Bund und die Braunkohleländer auf einen Entwurf für das 6. Verwaltungsabkommen über die Finanzierung der Braunkohlesanierung bis 2022 geeinigt. Betroffen davon ist der Freistaat Sachsen mit seinen Revieren in Mitteldeutschland und der Lausitz – aber auch die Bundesländer Brandenburg, Sachsen-Anhalt und Thüringen. Dazu stellen der Bund und die vier betroffenen Länder mehr als 1,2 Milliarden Euro bereit. Rund eine halbe Milliarde Euro entfallen auf den Freistaat Sachsen, davon werden rund 240 Millionen Euro vom Land selbst getragen. Die Bereitstellung der Landesmittel hat das Kabinett am Dienstag, 31. Januar, beschlossen und damit den Weg für die Unterzeichnung des Verwaltungsabkommens im Frühjahr 2017 bereitet.

Womit dieses Programm jetzt wohl das letzte sein dürfte, mit dem die Folgen des Kohlebergbaus in DDR-Zeiten abbezahlt werden.

Wie teuer das war, das betonte am Dienstag auch Wirtschaftsminister Martin Dulig (SPD) noch einmal: „Das Leipziger Neuseenland hat in den letzten Jahren ebenso wie das Lausitzer Seenland stark an Attraktivität gewonnen. Von 1991 bis heute haben der Bund und der Freistaat Sachsen rund 4 Milliarden Euro in die Braunkohlesanierung der sächsischen Reviere investiert, davon entfallen rund 1 Milliarde Euro auf den sächsischen Landeshaushalt. Durch das Abkommen wird die Finanzierung der Braunkohlesanierung in den Jahren 2018 bis 2022 abgesichert. Damit können die erforderlichen Sanierungsmaßnahmen durch die Lausitzer und Mitteldeutsche Bergbau-Verwaltungsgesellschaft mbH (LMBV) fortgeführt werden.“

Aber nicht nur die zum Teil sehr teuren und sensiblen Sanierungen der LMBV stecken in dem Posten – man denke nur an die ganzen Probleme mit der Verockerung der Pleiße, für die jetzt verzweifelt nach einer Lösung gesucht wird.

Es stecken im Grunde auch schon Aufwertungsprojekte darin, die aus der stabilisierten Bergbaufolgelandschaft dann so etwas wie ein Freizeitparadies machen sollen.

Das betonte dann auch das Wirtschaftsministerium extra: „Besondere Bedeutung kommt den sogenannten Maßnahmen nach § 4 zu, die für infrastrukturelle Maßnahmen wie z.B. den Bau von Radwegen, Bootsanlegern, Schleusen oder Anlagen für eine touristische Nutzung oder Schiffsanleger für Fährverbindungen zur Verfügung stehen. Diese Maßnahmen werden nur durch Landesmittel und Gelder der Projektträger finanziert. Seit dem Jahr 1998 sind im Freistaat hierfür Mittel in Höhe von 226 Millionen Euro bereitgestellt worden. Bis 2022 stellt der Freistaat weitere insgesamt 75 Millionen Euro zur Verfügung.“

Im Leipziger Südraum werden diese besonderen Mittel aus § 4 zum Beispiel für die kurze Gewässerverbindung Cospudener – Zwenkauer See (Harthkanal) verwendet. Ein Projekt, das am Ende deutlich über 20 Millionen Euro kosten wird.

Aber etwas anderes macht Dr. Gerd Lippold, energiepolitischer Sprecher der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen im Sächsischen Landtag, nervös: Die schiere Geldsumme, die hier im Lauf von rund 30 Jahren aufgewendet wird, um die Bergbauschäden allein aus DDR-Zeiten zu beseitigen.

„Ein weitere halbe Milliarde trotz Fertigstellung der bergtechnischen Sanierung zeigt: Der Freistaat muss endlich auch für die aktiven Tagebaue bessere Vorsorge treffen. Denn hier sind künftig ähnliche Ewigkeitskosten zu erwarten. Das heutige System der Rückstellungen berücksichtigt solche Ewigkeitskosten noch nicht einmal. Umso wichtiger ist es, dass wenigstens für die verursachergerechte Finanzierung der heutigen Renaturierungsaufgaben endlich Sicherheitsleistungen eingefordert werden“, kommentiert er den Kabinettsbeschluss vom Dienstag.

Im Gegenteil: Mittlerweile scheint höchst unsicher, ob die EPH-Tochter LEAG überhaupt noch über die 1,4 Milliarden Euro verfügt, die der vorige Besitzer der Lausitzer Kohlesparte, Vattenfall, über die Jahre zurückgelegt hat.

„Im Juni 2016 hat das Forum Ökologisch Soziale Marktwirtschaft (FÖS) eine alarmierende Studie zur finanziellen Vorsorge im Braunkohlebereich veröffentlicht. Diese Studie analysiert die geltenden Regelungen zur Finanzierung der Folgekosten des Braunkohlebergbaus auf Basis von Rückstellungen und zeigt enormen politischen Handlungsbedarf. Weder ist die Berechnung der Rückstellungen nachvollziehbar noch die Konzernhaftung im Insolvenzfall gesichert“, geht Lippold auf ein Papier ein, mit dem auch die bisherigen Aufwendungen über die fünf Verwaltungsabkommen kritisch hinterfragt werden. Schon ein kleiner Fehler oder ein nicht berücksichtigtes Risiko sorgen für unerwartete Mehrkosten in Millionenhöhe. Als Beispiel nennt das Papier die spektakuläre Hangrutschung in Nachterstedt in Sachsen-Anhalt.

„Intransparenz, unzutreffende Annahmen und systematisches Ignorieren von Langzeitfolgen – mit dieser Formel kalkulieren die Betreiber Rückstellungen“, kritisiert Gerd Lippold. „Das Ergebnis: hohe Risiken für die Gesellschaft. Wir brauchen jetzt dringend Schutzmaßnahmen für die öffentlichen Haushalte in Land, Bund und Kommunen. Das zeigen uns die bisher 4 Milliarden Euro für lange geschlossene DDR-Tagebaue allein in Sachsen.“

Denn wenn alle Befürchtungen eintreffen und die Tagebaubetreiber die nötigen Rücklagen nicht bilden können, dann bleibt wieder der Steuerzahler auf den absehbaren Sanierungskosten sitzen. Und die 4 Milliarden Euro sollten zumindest zu denken geben. In einer anderen Dimension als der von mindestens ein, zwei Milliarden Euro wird es die Sanierung der heute aktiven Tagebaue auch nicht geben.

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