Das Thema hätte Sachsens Wirtschaftsminister Martin Dulig (SPD) wirklich vermeiden können. Dann wäre zwar der Verkauf der Braunkohlesparte von Vattenfall an den tschechischen Investor EPH nicht ganz so still und reibungslos über die Bühne gegangen, aber der Freistaat Sachsen hätte es vermieden, in ein riesiges leeres Loch zu gucken: Wo ist das Geld für die Sanierung der Tagebaulandschaft?

Mit dem Thema dieser Sicherstellungen haben Grüne und Linke nun seit Monaten die sächsische Regierung genervt. Jetzt hat der Sächsische Rechnungshof sich die Sachlage angeschaut und einen Sonderbericht „Festsetzung von Sicherheitsleistungen im Rahmen bergrechtlicher Betriebsplanzulassungen“ erstellt. Doch der wurde in Gänze als geheim eingestuft.

Soviel Mauschelei treibt die Oppositionsfraktionen auf die Palme. Deutlicher kann eine Regierung gar nicht machen, dass sie einen gewaltigen Fehler vertuschen möchte. Denn den privatrechtlichen Teil so einer Untersuchung hätte man durchaus separieren und unter Verschluss halten können. Wenn aber ein Rechnungshof die Folgen solcher Vereinbarungen für den Staatshaushalt untersucht, gehört das in die Öffentlichkeit. Genau da fängt demokratische Kontrolle an.

„Die Reduzierung der Risiken für öffentliche Haushalte, die aus den Folgekosten der Braunkohlewirtschaft erwachsen, ist für die Bürgerinnen und Bürger in Sachsen von größter Bedeutung. Es geht um Milliardenrisiken – Milliarden an Steuergeldern, die für öffentliche Aufgaben wie Schulen, Kindergärten und öffentliche Infrastruktur gebraucht werden. Der Freistaat kann es sich nicht leisten, mit diesem Geld möglicherweise für jene Unternehmen einspringen zu müssen, die zuvor Milliarden aus dem Abbau sächsischer Braunkohle in private Taschen internationaler Investoren transferiert haben“, kommentiert  Dr. Gerd Lippold, energiepolitischer Sprecher der Grünen-Fraktion, diesen Vorgang, der ihm mehr als zu denken gibt. „Ich habe die Staatsregierung danach gefragt, wer die Geheimhaltung entschieden hat und warum. Außerdem werde ich die Offenlegung aller Berichtsteile fordern, die keinerlei Betriebs-, Geschäfts- oder Steuergeheimnisse enthalten.“

Gerade aber wenn es um Bergbau geht, spielt die sächsische Verwaltung ein eigenwilliges Spiel und tut so, als wolle man Tagebaubetreiber nicht verprellen, indem man von ihnen keine Sicherheiten verlangt.

„Der einfachste und wirksamste Weg zur Absicherung der öffentlichen Hand gegen Folgekosten im Bergbau ist die Erhebung von Sicherheitsleistungen nach Bundesberggesetz, die im Bergbau die Regel sind und nicht etwa die Ausnahme. Gleichwohl macht das sächsische Oberbergamt gerade in der Braunkohle, wo die finanziellen Risiken besonders hoch sind, diese Ausnahme und fordert keinerlei Sicherheiten von den Braunkohleunternehmen ein“, stellt Lippold fest. „Wir haben diese Praxis bereits in der Vergangenheit im Sächsischen Landtag kritisiert und die Staatsregierung in einem Plenarantrag aufgefordert, endlich die längst möglichen Schritte zu ergreifen, um die enormen Risiken für öffentliche Haushalte zu begrenzen.“

Denn die liegen im Milliardenbereich. Über 1 Milliarde Euro hatte der schwedische Konzern Vattenfall für seine Lausitzer Tagebaue schon zurückgelegt, um künftige Tagebaufolgen zu reparieren. Doch der Freistaat Sachsen beharrte genauso wenig wie das Nachbarland Brandenburg darauf, dass die Gelder gesichert werden. Sie blieben im Verkaufsportfolio und wanderten mit dem Verkauf zum neu gegründeten Braunkohlekonzern LEAG.

Aber dass sie dort noch existieren, bezweifelt auch Dr. Jana Pinka, Sprecherin der Linksfraktion für Umwelt- und Ressourcenpolitik: „Das, was wir bereits wissen, ist alarmierend genug: Wir wussten schon 2015, dass die Staatsregierung keine Sicherheitsleistungen von Vattenfall erheben will (Drs 6/2239). Und wir wissen – ebenso wie Greenpeace – dass betriebliche Rückstellungen wie Kraftwerke oder ähnliches keine insolvenzfesten Sicherheitsleistungen für den Freistaat sind. So haben die Menschen in Sachsen keinerlei (finanzielle) Sicherheiten. Wenn die LEAG pleitegehen sollte, sieht es für die folgenden Generationen finster aus – nicht nur wegen der Folgeschäden des Braunkohleabbaus, der wegen der laschen staatlichen Regulierung in der Lausitz Tierarten ausrotten und Gewässer verseuchen konnte.“

Sie macht die CDU-SPD-Staatsregierung für diese Misere verantwortlich.

„Der Freistaat hätte Vattenfall selbst kaufen und einen geordneten Braunkohle-Ausstieg einleiten können, verbunden mit einem langfristigen, umfassend unterstützten Strukturwandel“, geht sie auf ein Thema ein, das die sächsische Regierung erst recht nicht formulieren wollte. Als würde man das Thema „Strukturwandel“ lieber gar nicht in den Mund nehmen – was man nicht beim Namen nennt, könnte ja vielleicht vorerst ausbleiben. Eine Art Vogel-Strauß-Politik, die aber sehr teuer werden kann, wenn der Kohlebergbau in der Lausitz viel früher ausläuft, als es sich die beiden Regierungsparteien noch ausmalen.

Pinka: „Dazu hätte Wirtschaftsminister Martin Dulig die Interessen der Bürgerinnen und Bürger in den Verkaufsprozess einbringen und staatliche Auflagen durchsetzen müssen. Ich bleibe bei meiner Einschätzung, dass die Regierung nach § 23 Bundesberggesetz hätte einschreiten können. Dulig hat hingegen immer wieder betont, dass er keine Möglichkeit habe, sich einzumischen (Drs 6/7322). Ob das so stimmt, wird noch eine Rolle spielen. Indes gibt die Staatsregierung keinen Cent für den Strukturwandel aus.“

Was auch bedeutet: Man hofft innigst, dass die Kohle noch auf Jahrzehnte hin irgendwie funktioniert und der neue Kohleakteur LEAG irgendwie an die nötige Zukunftsvorsorge denkt.

Aber genau das scheint fraglich, stellt Jana Pinka fest: „Die LEAG müsste laut Hauptbetriebsplan längst ein ‚Konzept zur erforderlichen Vorsorge der Wiedernutzbarmachung und der Ewigkeitslasten‘ vorgelegt haben. Ich habe dazu eine Kleine Anfrage (Drs 6/8215) gestellt. Möglicherweise kommt dieses Konzept zu spät und die Investoren verlassen in nicht allzu ferner Zukunft mit dem Geldgeschenk von Vattenfall das sinkende Schiff ‚Lausitz‘. Wenn überhaupt noch etwas gerettet werden soll, dann sofort: Die Staatsregierung muss unverzüglich Sicherheitsleistungen verlangen!“

Und auch Gerd Lippold mahnt die Regierung: „Angesichts der klaren Ziele des nationalen Klimaschutzplans und der abnehmenden Geschäftsperspektiven für träge Grundlastkraftwerke mit weiterem Ausbau der Erneuerbaren Energien fallen die bisherigen Annahmen für die langfristige wirtschaftliche Zukunft der Braunkohlenunternehmen wie ein Kartenhaus in sich zusammen. Ich fordere die Staatsregierung, aber auch die Abgeordneten der Koalition im Sächsischen Landtag dazu auf, hier endlich die Realitäten zur Kenntnis zu nehmen und im Sinne der Bürgerinnen und Bürger zu handeln, bevor es zu spät ist! In Anbetracht der Risiken im Braunkohlebergbau wäre weitere Tatenlosigkeit das Heraufbeschwören von Belastungen für öffentliche Kassen, die den teuren Skandal der Sächsischen Landesbank noch in den Schatten stellen würden.“

Dr. Jana Pinkas Kleine Anfrage zu Rückstellungen für Bergbau in Sachsen.

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