Wie soll es eigentlich weitergehen mit dem ÖPNV in Leipzig? Muss er nicht deutlich besser werden, als er jetzt ist? Erst recht, wenn die Stadt den ambitionierten "Modal Split" erreichen will, wie er im neuen STEP Verkehr steht? - 25 Prozent aller Wege sollen die Leipziger 2025 mit Bahn und Bus zurücklegen. Aber das wird nie funktionieren, wenn so völlig hemmungslos wie in den letzten Jahren die Preise im Mitteldeutschen Verkehrsverbund (MDV) erhöht werden. Zwei Vorschläge von SPD und Linken.

Dass die Linksfraktion sich reinkniet ins Thema, war zu erwarten. Schon 2013 hatte sie ein “Fahrpreis-Moratorium” beantragt, bei dem die Verantwortlichen nicht mitspielen wollten – mit dem Hinweis auf – ach ja – das beim Mitteldeutschen Verkehrsverbund (MDV) in Auftrag gegebene Finanzierungskonzept. Das bis heute nicht vorliegt. Mit Ach und Krach legte der MDV im Sommer ein Gutachten vor, das zumindest einmal aufdröselt, wie sich die Verkehrsunternehmen im MDV finanzieren, wie sich die Kosten entwickeln und wie die Schere bis 2025 auseinander geht, wenn man einfach so weiter macht wie bisher.

Da steckte dann der (völlig unbegründete) Vorschlag zum “Bürgerticket” mit drin, von dem selbst MDV-Geschäftsführer Stefan Lehmann nicht annimmt, dass es in den nächsten Jahren im MDV-Gebiet durchsetzbar wäre.

Auch die öffentliche Präsentation in der Alten Börse zeigte nicht wirklich, wie der MDV in die Zukunft kommen will. Nur eins zeigte sie: Dass die Fahrpreise immer weiter steigen.

Und dass der Grund seit Jahren immer wieder derselbe ist: Die Kürzungen durch die Geldgeber Bund, Land und Kommunen. Die Preise steigen, obwohl sich die Attraktivität nicht wirklich erhöht. Und obwohl wirklich sinnvolle Ideen nicht mal versucht werden, in die Tat umzusetzen – das Abschaffen der Zonengrenzen etwa und das Entwickeln von regionenweiten Tickets, die das ÖPNV-Nutzen ohne bürokratische Tarifgrenzen einfacher und vor allem bezahlbar machen. Barrierefrei heißt nun einmal auch, dass sich die Verantwortlichen in den Verkehrsunternehmen endlich die eigenen Denkschranken aus den Köpfen schlagen und ÖPNV im Sinne der Nutzer denken, nicht in ihren engen Zonengrenzen.

Dass der MDV parallel wieder eine Latte Fahrpreiserhöhungen für 2015 beschloss, gegen die augenscheinlich nicht mal die Stadträte Einspruch erheben können, das war dann die Krönung des Meisterstücks. Wohin will eine solche Organisation, wenn sie nur eines kennt: Alle Kosten auf die Nutzer abwälzen, ohne im Gegenzug ein wirklich attraktives und vor allem transparentes Angebot zu schaffen?

Was Linke und Grüne vorschlagen, kann natürlich nur das Reparieren an zwei wunden Stellen sein. Mehr nicht. Es löst das Gesamtdilemma nicht. Und es löst es vor allem nicht im Rahmen des MDV, wo sich die Geschäftsführer der versammelten Verkehrsunternehmen augenscheinlich gegenseitig beim Denken behindern.

Die beiden Fraktionen können nur die eigenen Stadtfinanzen in Anspruch nehmen und den Leipziger Verkehrsbetrieben (LVB) die Leistungen, die sie für wichtig halten, quasi abkaufen, indem die benötigte Gegenfinanzierung aus dem Leipziger Haushalt überwiesen wird.

Die Linksfraktion hat sich das wildeste Bubenstück aus den Fahrpreiserhöhungen für 2015 vorgenommen: das neue Preismodell für die Leipzig-Pass-Mobilcard. Die soll es mit dem neuen Gebührenmodell ab August in zwei Varianten geben: einer einfachen Monatskarte für 34,50 Euro und einer Monatskarte im Jahresabonnement, wo der Monatspreis dann 29,50 Euro betragen soll.

29,50 Euro betrug bis jetzt der Preis des einfachen Monatstickets. Auch das war schon recht unverschämt. Denn im Regelbedarf für Bezieher von Arbeitslosengeld II (“Hartz IV”) sind für Beförderungskosten im Monat nur 25,14 Euro vorgesehen. “Bei einem im Regelbedarf festgelegten Betrag von 25,14 Euro für alle Verkehrsdienstleistungen wird damit für viele Bezieher von Transferleistungen der Erwerb der Leipzig-Mobilcard unerschwinglich”, stellt die Linksfraktion fest. Schon jetzt ist es so, dass viele Bezieher von ALG II sich nur dann ein Monatsticket besorgen, wenn sie es wirklich brauchen. Auch deshalb, weil sie nie wissen, ob ihnen ihr nächster Antrag auf Unterstützung gewährt wird oder sie dann wieder für ein paar Monate ohne Geld dastehen, weil der Sachbearbeiter im Jobcenter meint, er müsse den vollen Satz nicht gewähren.

Doch die 29,50 Euro wollen die LVB jetzt nur noch für Leipzig-Pass-Inhaber gewähren, die gleich ein Jahresabo abschließen. Die, die eh schon jedes Mal überlegen, ob sie sich die Leipzig-Pass-Mobil-Card leisten können, sollen dann fürs Monatsticket 34,50 Euro hinblättern.

Das ist – auch wenn die LVB ihre Kosten dagegen hält – gegenüber den Betroffenen schlicht unverschämt.

Und so beantragt denn die Linksfraktion, um überhaupt das Schlimmste zu verhindern, dass die Stadt die Differenz bezahlt, die die LVB rechnerisch geltend gemacht hat.

Ihr Antrag lautet für den Doppelhaushalt 2015/2016: “Für die Finanzierung der Leipzig-Pass-Mobil-Card werden 1.320.000 Euro zusätzlich eingestellt.”

Soziale Teilhabe ist auch für die Grünen ein Thema. Sie legen ihr Augenmerk auf eine andere Nutzergruppe: die Schüler.

Es gibt zwar schon die gern beworbene “SchülerMobilCard”. Mittlerweile sogar mit SchülerRegioFlat: Für einen Aufpreis können die Schüler damit alle Verkehrsmittel im MDV-Gebiet nutzen. Aber nicht alle Eltern haben 228 Euro für ein Jahres-Abo in der Kasse – oder mehr, wenn mehr Kinder in die Schule gehen. Die RegioFlat kostet 80 Euro obendrauf.

Das Ergebnis ist: Es gibt viele Heranwachsende in Leipzig, die kommen aus ihrem Stadtteil nicht heraus, besuchen auch keine Schulfreunde in anderen Stadtteilen, keine Kinos, Theater oder Musikveranstaltungen oder gar die mittlerweile für sie kostenlosen Museen.

“So schafft man natürlich kein frühes Verständnis für die wichtige Rolle des ÖPNV”, sagt die Grünen-Fraktionsvorsitzende Katharina Krefft. Und so schlagen die Grünen für Leipzig einfach mal einen Zeitenwechsel vor: kostenfreie Schülerbeförderung bei den LVB.

Sie formulieren es so: “Ab dem Schuljahr 2015/16 erfolgt eine kostenfreie Schülerbeförderung durch die Leipziger Verkehrsbetriebe GmbH im Leipziger Stadtgebiet (Tarifzone 110) für Schülerinnen und Schüler, die an Leipziger Schulen unterrichtet werden – hierzu zahlt die Stadt Leipzig der LVB einen Zuschuss für die Schülerbeförderung im Schuljahr 2015/16 in der Höhe der tatsächlich entstehenden Aufwendungen.”

Und das sind, so haben die Grünen ausgerechnet, dann 3,7 Millionen Euro pro Jahr. So könnte man ein Zeichen setzen. “Und man würde gleich noch den ganzen Aufwand für den Verkauf der Tickets einsparen. Der ist nämlich, wie man uns erklärt hat, mitunter das Teuerste an der Sache”, sagt Krefft. “Natürlich muss die Sache noch kontrollierbar bleiben. Aber das lässt sich ganz einfach bewerkstelligen, indem man den Schülerausweis, den ja jeder Schüler hat, als Legitimation akzeptiert.”

Möglich wäre sogar noch ein anderer Effekt: Eine deutliche Reduzierung dessen, was die LVB so gern “Erschleichung einer Beförderungsdienstleistung” nennen: das Schwarzfahren.

Denn anders, als es so manche Medien darstellen, wenn sie mal wieder auf “Schwarzfahrer”-Jagd sind, fahren eben viele Leipziger auch deshalb unbefugt mit Bahnen und Bussen, weil sie sich die Fahrpreise schlicht nicht mehr leisten können.

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