Bei all der Diskussion um den neuen Stadtentwicklungsplan (STEP) Verkehr und dem darin zu findenden Modal Split wurde in den letzten Wochen fast vergessen, was für ein langer und zäher Kampf es eigentlich war, bis Leipzigs stark auf Kraftfahrzeuge fixierte Verkehrspolitik sich überhaupt für mehr Investitionen in Rad- und Fußverkehr öffnete. Von der Finanzierung des ÖPNV, der noch immer auf Sparkurs rattert, gar nicht zu reden.

Das wurde in den letzten Jahren auch werbewirksam kaschiert durch Leipzigs Aktionen etwa zum Energy Award oder in der seit 1994 bestehenden Mitgliedschaft im “Klima-Bündnis” europäischer Städte. “Seit 2009 nimmt Leipzig am European Energy Award teil und wurde 2014 zum zweiten Mal als Klimaschutzkommune zertifiziert. Im Februar 2014 wurde darüber hinaus auch das Energie- und Klimaschutzprogramm der Stadt Leipzig fortgeschrieben”, würdigt nun der Allgemeine Deutsche Fahrradclub (ADFC) dieses Engagement, erinnert aber auch daran, wozu sich die Stadt damit eigentlich verpflichtet hat, denn die Mitglieder des Klima-Bündnisses versprachen eine kontinuierliche Verminderung ihrer Treibhausgasemissionen um zehn Prozent alle fünf Jahre.

10 Prozent – das sind etwa 0,6 Tonnen CO2 pro Kopf und Jahr. Allein der Verkehr erzeugt in Leipzig rund 2,5 Tonnen CO2 pro Einwohner im Jahr. Das wäre einer der Hebel, das Ziel zu erreichen.

Und der ADFC ist gar nicht so sicher, dass es beim derzeitigen Zuschnitt der Verkehrspolitik in Leipzig gelingt: “Der gegenwärtige Stadtverkehr könnte einen großen Anteil dazu beitragen, dass diese Ziele verfehlt werden. In Leipzig wächst nicht nur seit Jahren die Zahl der Einwohnerinnen und Einwohner, sondern auch der PKW-Bestand. In Leipzig waren Ende 2013 so viele Personenkraftwagen gemeldet wie noch nie.”

Aber auch beim ADFC hat man ja diese nicht tot zu kriegende Hoffnung, dass sich die Dinge ändern. Nicht allzu flott, aber zumindest im üblichen Leipziger Schneckentempo.

Ein Hoffnungszeichen hat man in der Pkw-Statistik gefunden: “Die Gegenüberstellung von Bevölkerungszahl und PKW-Bestand zeigt jedoch einen erfreulichen Trend: Seit 2011 nimmt der PKW-Besatz (auf 1.000 Einwohner) tendenziell ab.”

Bis 2011 war der Trend ungebrochen – da stieg der Pkw-Bestand pro 1.000 Einwohner zuletzt von 379,7 auf 384,9 im Jahr 2010 und 386,3 im Jahr 2011. Seitdem sinkt er: 385,2 waren es im Jahr 2012 und 384,8 im Jahr 2013. Die Zahlen von 2014 liegen noch nicht vor. Aber dass der Pro-Kopf-Besitz an Kraftfahrzeugen nicht weiter wuchs, hat auch damit zu tun, dass viele insbesondere jüngere Leipziger ihr Leben ohne Pkw organisieren. Oder genauer: Ohne eigenen Pkw. Denn zusätzlich zur verstärkten Nutzung des Fahrrades und der ÖPNV-Angebote hat auch die Nutzung von Carsharing zugenommen.

„Wir sind sehr erfreut, dass die Investitionen der letzten Jahre in den ÖPNV und den Radverkehr allmählich Früchte tragen. Erkennbar wird das daran, dass immer weniger Leipzigerinnen und Leipziger ein eigenes Auto unterhalten“, zeigt sich Dr. Christoph Waack, Vorsitzender des ADFC Leipzig, zufrieden mit der Entwicklung.

Der zweite Effekt: Bundesweit hat Leipzig unter den Großstädten mit mehr als 500.000 Einwohnern bereits heute mit 385 Pkw auf 1.000 Einwohner nach Berlin den geringsten Autobesatz. Was auch ein Zeichen dafür ist, dass Mobilität in modernen Großstädten nicht mehr zwingend mit dem Pkw gesichert werden muss.

“Die Stadt darf jetzt nicht nachlassen, den Ausbau der nachhaltigen Verkehrsmittel weiter voranzutreiben”, fordert nun der ADFC mit Blick auf die Umweltbilanz. Der Klimawandel sei nicht abstrakt, sondern durch das Handeln jedes einzelnen Menschen beeinflussbar. “So wie das Ozonloch bereits durch Verbannung schädlicher Gase deutlich reduziert wurde, kann auch durch die Wahl nachhaltiger Verkehrsmittel die klimaschädliche CO2-Belastung verringert werden”, betont der Verband. “Leipzig hat sich bereits 1994 im Klima-Bündnis europäischer Städte verpflichtet, daran mitzuwirken und mit einem ganzen Bündel von Maßnahmen, die letztlich auch der lokalen Wirtschaft Aufträge bringen, die gesteckten Ziele zu erreichen. Der ADFC Leipzig unterstützt diesen Ansatz und ruft alle Leipzigerinnen und Leipziger auf, das Frühlingswetter zu nutzen und wenn möglich und so oft es geht das Auto stehen zu lassen und lieber das Fahrrad für die täglichen Wege zu nutzen.”

Was dann den auch vom Leipziger Radbeauftragten registrierten “Druck von der Straße” erhöhen könnte. Denn die Diskussion um den STEP Verkehr hat ja auch gezeigt, wie sehr die leicht verbesserte Verkehrspolitik in Sachen Radverkehr wieder unter Beschuss gerät, ohne dass die Löcher im Radwegenetz auch nur ansatzweise gestopft sind. 20 Prozent Radverkehr an allen Wegen der Leipziger wären überhaupt kein Problem, wenn das Radwegenetz schon sicherer und barrierefreier wäre, als es jetzt ist.

Das fröhliche Versprechen aus dem ADFC zum Mehrwert: “Neben den langfristigen Klimaschutzzielen werden mit dem Radfahren auch gleich ganz individuelle Ziele für die eigene Gesundheit und Fitness erreicht: Regelmäßiges Radfahren reduziert erwiesenermaßen die Gefahr von Kreislauferkrankungen und stärkt das Immunsystem.”

Dr. Christoph Waack abschließend: „Leipzig ist auf einem guten Weg. Nun gilt es dranzubleiben und zusammen mit allen Leipzigerinnen und Leipzigern die Klimaschutzziele der Stadt auch zu erreichen.“

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Wenn Leipzig seine Klimaziele erreichen will braucht es … Politiker und andere in der Verantwortung stehende …
und mehr Radverkehr…

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