Als "Gegendarstellung" hat der Zweckverband für den Nahverkehrsraum Leipzig (ZVNL) seine Stellungnahme zu einer Forderung des Fahrgastverbandes Pro Bahn betitelt, der just zum 1. Mai mehr Fahrzeuge fürs Mitteldeutsche S-Bahn-Netz gefordert hatte. Tatsächlich aber stellt der ZVNL die Analyse des Fahrgastverbandes gar nicht in Frage. Nur irgendwie ist die Realität in Mitteldeutschland nicht so, dass eine schnelle Lösung zu erwarten ist.

Oliver Mietzsch, Geschäftsführer des ZVNL, hat die Forderungen des Fahrgastverbands Pro Bahn e.V., Landesverband Mitteldeutschland, nach mehr und größeren Fahrzeugen im Mitteldeutschen S-Bahn-Netz sogar als unrealistisch bezeichnet.

Er gesteht aber zu: Auf einzelnen Linien gebe es zu bestimmten Uhrzeiten durchaus Kapazitätsprobleme. Diese seien aber nicht das Ergebnis falscher Planungen des ZVNL, betont er.

Dann macht er aber deutlich, in welchem Wechselspiel der ZVNL tatsächlich agiert. Denn die “Bestellvorgaben des ZVNL beruhten auf den zum Ausschreibungszeitpunkt vom Eisenbahnverkehrsunternehmen gemeldeten bzw. prognostizierten Fahrgastzahlen.” Das war also die Deutsche Bahn.

Und die gewann ja dann bekanntlich auch die Ausschreibung. Und im Wesentlichen macht der ZVNL die Bahn dafür verantwortlich, dass das Zugmaterial nicht in Gänze zur Verfügung steht.

Problematischer sei vielmehr, dass die Deutsche Bahn AG nicht immer die vertraglich vereinbarten Leistungen erbringe, betont der ZVNL. Ursache hierfür seien “im wesentlichen, dass seit Inbetriebnahme des Mitteldeutschen S-Bahn-Netzes im Dezember 2013 aufgrund von Fahrzeugschäden, anschließenden Gewährleistungsproblemen mit dem Hersteller sowie erheblichen Graffitischäden regelmäßig ca. 5 Fahrzeuge im Netz fehlten, zeitweise hätten sogar bis zu 10 Fahrzeuge gefehlt.”

Bei 50 ausgelieferten Fahrzeugen sind das zwischen 10 und 20 Prozent der Fahrzeuge, die zeitweise nicht zur Verfügung stehen. Und zwangsläufig tauchen die Engpässe natürlich an der am höchsten belasteten Strecke im Netz auf – auf der S3 und der S 5X zwischen Halle und Leipzig.

Aus dieser Perspektive betrachtet hat der Fahrgastverband Pro Bahn recht: Um diesen Engpass zu schließen, müssten dringend mehr Fahrzeuge beschafft werden.

Denn das Ergebnis der fehlenden Fahrzeuge: Statt der geplanten und auch vertraglich vorgesehenen Doppeltraktionen fahren dann trotzdem häufig nur Einfachtraktionen nach Halle, “wodurch sich die Anzahl der verfügbaren Sitzplätze deutlich verringere.”

Das ist der Punkt, an dem der ZVNL von der Nichterbringung vertraglich vereinbarter Leistungen spricht.

Der ZVNL befinde sich dazu seit Inbetriebnahme des Mitteldeutschen S-Bahn-Netzes fast täglich im Gespräch mit der DB, betont der Zweckverband nun. Aus dem Hut zaubern ließen sich Fahrzeuge bei einem Einzelpreis im Millionenbereich pro Wagen allerdings nicht, zumal auch Fragen der technischen Kompatibilität (Kuppelbarkeit, Barrierefreiheit, Tunnelfähigkeit ect.) zu beachten seien.

„Der ZVNL hat bei seinen Kapazitätsplanungen die Reisendendaten der DB AG sowie unabhängiger Fahrgastprognosen zu Grunde gelegt, und darauf nochmals eine zusätzliche Sitzplatzmarge von 25% addiert. Mehr war verkehrlich nicht erforderlich und finanziell nicht darstellbar“, versucht nun Oliver Mietzsch zu erklären, warum das bestellte Wagenmaterial trotzdem nicht ausreicht.

Die vielen Fahrzeugschäden und Verunstaltungen ebenso wie die häufigen Streiks hätte niemand voraussehen können, auch nicht Pro Bahn, so der Zweckverbandsgeschäftsführer. Wenn der Fahrgastverband den ZVNL und die anderen Aufgabenträger auffordere, neue Fahrzeuge zu bestellen, möge er bitte auch sagen, woher das Geld dafür kommen solle, findet Oliver Mietzsch: „Mit unrealistischen Forderungen ist niemand geholfen.“

Da wäre man dann unversehens bei der Forderung der sächsischen Grünen, den Anteil aus den vom Bund gewährten Regionalisierungsmitteln von derzeit 78 Prozent auf 90 Prozent zu erhöhen. Da wären dann die notwendigen Millionen, die für neue S-Bahnen gebraucht werden. Aber in Sachsen kochen so viele Leute am ÖPNV-Brei herum, dass die wirklich notwendigen Dinge immer wieder auf den Sankt-Nimmerleins-Tag verschoben werden. Der Pro Bahn e.V. hat schon recht: Ausbaden müssen es die Fahrgäste. Aktuell bekommt der ZVNL 121 Millionen Euro im Jahr. Aber das auch erst im Haushaltsjahr 2015. Vorher waren es 112 Millionen.

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