Der 1. August kommt - wie jedes Jahr - mit lauter netten Briefen in die Haushalte der Abo-Kunden der LVB: Freundlich teilt man ihnen mit, dass am 1. August wie gewohnt die jährliche Tarifanpassung stattfindet und dass es auch dieses Jahr wieder teurer wird. Das Zögern und Zaudern der Verwaltungen und Ratsversammlungen bezahlen die Bürger mit automatischen Preiserhöhungen.

Wirklich spürbare Gegenwehr gegen  diesen jährlichen Verschiebebahnhof der Kosten zeigt bislang nur die Linksfraktion im Leipziger Stadtrat, die sich recht deutlich zu Wort meldete, gleich nachdem auch der Mitteldeutsche Verkehrsverbund (MDV) auf das sommerliche Tarifspiel aufmerksam machte.

Besonders mokiert sich die Linke-Stadträtin Franziska Riekewald  über die Begründung, “sonst das Angebot kürzen zu müssen”.

Dieses Jahr soll auch wieder der Preis des Einzeltickets erhöht werden. Dazu erklärt Franziska Riekewald als verkehrspolitische Sprecherin der Fraktion Die Linke im Leipziger Stadtrat: “Noch im Jahr 2007 kostete ein Einzelticket 1,80 Euro. Ab August kostet dieses Ticket nunmehr 2,50 Euro. Das entspricht einer Verteuerung von knapp 40 Prozent  innerhalb der letzten 8 Jahre. Kein Wunder, dass die Leipzigerinnen und Leipziger immer mehr auf das Fahrrad umsteigen und die öffentlichen Verkehrsmittel ihren Anteil am Modal Split nicht ausbauen können. Die Preiserhöhungen stehen in keinem Verhältnis zur Entwicklung der Gehälter der Leipzigerinnen und Leipziger. Mobilität ist Daseinsversorge und sollte für alle Menschen bezahlbar sein.”

Die Linke fordere daher schon seit langem eine Änderung der Tarifpolitik des MDV. “Nur wenn endlich alternative Finanzierungsformen gefunden werden, wären die jährlichen Preiserhöhungen verzichtbar. Wir sehen dazu auch die Stadtverwaltung in der Pflicht. Der Verkehrsleistungsfinanzierungsvertrag mit den Leipziger Verkehrsbetrieben gehört dringend überarbeitet”, sagt die Stadträtin. Der aktuelle Verkehrsleistungsfinanzierungsvertrag stammt aus dem Jahr 2008, und darin ist der Zuschuss an die LVB auf 45 Millionen Euro jährlich gedeckelt. Die Fahrgäste tragen mittlerweile mit 83 Millionen Euro zum Funktionieren der LVB bei.

Wenn eine Stadt sich auf Kosten ihres Verkehrsunternehmens gesund spart, zahlen zwangsläufig die Fahrgäste die Zeche. Dass einige von ihnen mittlerweile lieber aussteigen und zu Fuß gehen oder Rad fahren, darüber haben wir ja schon berichtet. Franziska Riekewald: “Wir werden uns auch weiterhin für eine Erhöhung des Zuschusses an die LVB einsetzen. Aber auch der Freistaat Sachsen ist gefordert, endlich seine Förderpolitik zu überdenken und den öffentlichen Nahverkehr zu stärken.”

Aber der genannte Freistaat – bzw. seine Regierung – hat erst mal eine Kommission gebildet, die über die künftige Finanzierung des ÖPNV nachdenken will. Das kann dauern. Am 26. Juli traf sich dieser Arbeitskreis zur ersten Sitzung im Pullmann Hotel in Dresden.

„Ziel des Workshops war es, die Kommissionsmitglieder zunächst über den aktuellen Status Quo des ÖPNV in Sachsen zu informieren“, erklärte danach Verkehrsstaatssekretär Hartmut Mangold, der dem Gremium vorsitzt. Die Präsentationen der fünf in Sachsen tätigen Zweckverbände hätten gezeigt, dass sich im Freistaat in den vergangenen Jahren ein leistungsfähiger, kundenfreundlicher und innovativer ÖPNV entwickelt habe. Man darf staunen. Leistungsfähig, aber heruntergespart. Da freuen sich sogar die Fahrer in den Kabinen. Gleichsam gelte es jetzt, so Mangold, das System gründlich auf Effizienz und Zukunftsfähigkeit zu prüfen.

„Wir haben es derzeit mit sehr ernstzunehmenden Veränderungen in den Rahmenbedingungen zu tun“, so Mangold weiter. Als Beispiele nannte er die extrem unterschiedliche demografische Entwicklung in Sachsen sowie die unsichere Finanzierung des ÖPNV durch den Bund.

„Wir haben heute wichtige Ansatzpunkte für die Kommissionsarbeit gefunden, beispielsweise bereits vorhandene, tarifliche Insellösungen zwischen einzelnen Verbünden. Diese wollen wir zu möglichst sachsenweiten Lösungen weiterentwickeln”, sagte Mangold, ging dann noch auf ein sachsenweites Bildungsticket ein. Aber der Verweis auf die “unsicheren Bundesmittel” zeigt auch, wie schwer sich der Freistaat tut, die vom Bund bereitgestellten Gelder auch tatsächlich für den ÖPNV bereitzustellen. Und wenn man das System wieder auf “Effizienz” prüfen will, klingt das auch nicht nach einer neuen Zukunftsstrategie, sondern auf ein Einsparen von Mitteln im existierenden System. Die neue Strategiekommission leidet unter dem selben Problem wie in der Region Leipzig-Halle der MDV: Eigentlich sind es die starren kommunalen Grenzen und Hoheitsgebiete, die die Entwicklung eines einheitlichen und effizienten Nahverkehrssystems verhindern. Jeder spart, plant und reformiert für sich allein. Ein Großes und Ganzes, das sich sinnvoll über eine ganze Region verknüpft, kommt nicht dabei heraus.

Das Ergebnis: Die Preise steigen, weil auch die vorhandenen Synergieeffekte nicht gehoben werden können und die Fahrgäste lieber gar nicht weiter fahren, als sich mit dem sinnlosen und bürokratischen Fahrscheinwirrwarr im MDV zu beschäftigen. Der MDV spricht dann sogar von Optimierung, obwohl an diesem Flickenteppich-System nichts zu optimieren geht.

Die neuen Tarife am 1. August 2015

Zum Nachlesen die Botschaft des MDV zum Fahrpreisanstieg am 1. August:

Tarifanpassung und optimiertes Angebot ab August 2015 im MDV-Gebiet

Der Mitteldeutsche Verkehrsverbund (MDV) ergänzt sein Tarifangebot und passt die Fahrpreise ab 1. August 2015 weiter an die wirtschaftliche Situation der Verkehrsunternehmen an. Eine absolute Neuheit gibt es zunächst als Pilotprojekt in der Tarifzone 110 (Stadt Leipzig): das ABO-Flex. Bei jeder Fahrt spart der Kunde damit mindestens 25 Prozent und zahlt am Automaten oder demnächst per Handy bargeldlos. Das Abonnement mit einer Mindestlaufzeit von sechs Monaten hat einen sehr niedrigen Grundpreis von 4,90 Euro und richtet sich zum ersten Mal an Gelegenheitsfahrer. Zusätzlich gibt es nun auch ein Ferienangebot in Sachsen. Mit dem FerienTicket Sachsen können alle Schüler und Azubis bis zum 21. Geburtstag für 28 Euro sechs Wochen in ganz Sachsen und dem gesamten MDV mit S-Bahn, Zug, Tram und Bus unterwegs sein.

„Das Ticket unterstreicht, wie eng die Zusammenarbeit zwischen den Verbünden heute ist“, betonte MDV-Geschäftsführer Steffen Lehmann. Auch die Leipzig-Pass-Mobilcard gibt es ab August im ABO. Die Nutzer zahlen dann den bisherigen Preis der Monatskarte von 29,50 Euro. Wer die Card weiterhin als Monatskarte kauft, der zahlt künftig 32,50 Euro. Das ABO Senior richtet sich im Preis zukünftig nach dem Verkehrsangebot der jeweiligen Wohnorte.

Die Preise für öffentliche Verkehrsmittel im MDV-Verbund steigen ab 1. August 2015 in Halle um durchschnittlich 4,9 Prozent, in Leipzig um 3,9 Prozent und in der Region um 2,4 Prozent. Bei den Einzelfahrscheinen sind es zum Beispiel 0,10 Euro pro Ticket. Bei den Kurzstrecken bleibt der Preis weiterhin gleich. Um das bestehende Zug-, Bus- und Straßenbahnangebot mit jährlich 80 Millionen Fahrplankilometern auch weiterhin zu erhalten und auszubauen, ist eine tarifliche Anpassung zum August unumgänglich. Ein vom MDV in Auftrag gegebenes Gutachten zur Finanzierbarkeit des öffentlichen Nahverkehrs in Mitteldeutschland unterstreicht die aktuelle Finanzierungssituation. Die Möglichkeiten für Kostensenkungen in den Unternehmen werden bereits intensiv genutzt und sind weitgehend ausgeschöpft. Es herrscht bereits ein Investitionsstau, der zu einem deutlichen Nachholbedarf bei der Technik und im Ausbau des Netzes führt.

Zusätzlich zur vorliegenden Studie des Finanzierungsbedarfs für den Betrieb und die Investitionen im Nahverkehr des MDV-Raums haben die Arbeiten für die Untersuchung von ergänzenden Finanzierungswegen innerhalb des MDVs begonnen. Laut MDV-Geschäftsführer Steffen Lehmann sollen die Ergebnisse im Sommer 2016 in den politischen Gremien der Landkreise und kreisfreien Städte vorgestellt werden.

Nutzungsregelungen für Fahrkarten zum bisherigem Preis:

Zum bisherigen Preis erworbene Einzel-, 4-Fahrten- und Tageskarten werden bis zum Jahresende 2015 anerkannt; Wochen- und Monatskarten gelten bis zum Ablauf ihrer zeitlichen Gültigkeit. Bei Abonnementfahrkarten mit monatlicher Zahlung wird ab August der neue Preis abgebucht. Abonnementfahrkarten mit jährlicher Zahlung (Einmalzahlung) werden bis zum Ablauf des gezahlten Jahresbetrages anerkannt.

Informationsmöglichkeiten für Kunden:

Informationsbroschüren und –flyer mit den neuen Preisen sind kostenlos bei allen Verkehrsunternehmen im Verbund, am MDV-Infomobil und in zahlreichen öffentlichen Einrichtungen erhältlich. Die aktuellen Preise sind zudem auf www.mdv.de bereits ersichtlich.

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Man gewinnt den Eindruck, dass es schlicht nicht gewollt ist, dass der ÖPNV stärker genutzt wird. Dann müsste man nämlich zum einen investieren, um mehr Fahrzeuge für höhere Frequenzen, die dann nötig wären, anzuschaffen (sowie für dringend notwendige Instandsetzungen der Infrastruktur) und zum anderen auch dafür sorgen, dass die Bahnen und Busse auch z. B. im Stadtverkehr ordentlich vorankommen, was wiederum Nachteile für den MIV mit sich bringen muss, was man gegen den Widerstand der Autofahrerlobby sich nicht anzugehen getraut…

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