Radfahrer müssen erfindungsreich sein, wenn sie nicht irgendwo im Leipziger Wegenetz stecken bleiben wollen. Sie müssen die abgelegensten Wege kennen, wissen, wo man durchs Unterholz kommt, wo es partout nicht weitergeht und wo man lieber einen weiten Umweg fährt. Wer auf dem Plattenweg an der Leutzscher Allee Richtung Zöllnerweg will, endet zwar nicht an einer Ampel - aber dahinter im Nirwana.

Oder um es mit den Worten eines Lesers zu schildern: “Anfang Zöllnerweg hinter der Kreuzung Waldstraße: Aus Richtung Leutzscher Allee kommend und in den Zöllnerweg fahrend hört der Radweg hinter der Kreuzung auf und man muss die Straße nutzen. Damit aber nicht genug, denn genau an dieser Stelle verengt sich die Fahrspur noch zusätzlich und die Straße macht einen leichten Rechtsknick. Hier wurde ich schon oft von Autos (darunter auch LKWs) ins Grüne abgedrängt. Der weitere Verlauf des Zöllnerweges ist auf beiden Seiten nicht besonders schön zu befahren. Ich musste mir hier schon oft Beschimpfungen gefallen lassen.”

Ein Grund dafür, dass Radfahrer hier weggehupt und abgedrängt werden, kann auch die ratlose Beschilderung sein. Der Radstreifen führt zwar über die Waldstraße, verwandelt sich dort auf einer Insel in einen ausgeschilderten Rad-Fußweg. Dann kommt der Bypass, der Autofahrern aus der Waldstraße das direkte Abbiegen in den Zöllnerweg ohne das leidige Warten an der Ampel ermöglicht. Und das war’s dann. Einen weiteren Hinweis für Autofahrer, dass sie hier mit Radfahrern rechnen müssen, gibt es nicht.

Dafür hört man als Radfahrer den zuständigen Straßenmeister in sich hineinlachen: Wen interessieren denn Radfahrer, wenn es um flotte Schneisen für Autofahrer geht?

Trotzdem wagen sich zumindest tapfere Leipziger auf schnittigen Rädern in diese Schikane.

Wer sich auf dieses Kräftemessen auf unübersichtlicher Straße nicht einlassen will, der biegt auf der Insel nach rechts ab – hat dann zwar allerlei eilige Kraftfahrer abzuwarten, die über den Bypass schnell in den Zöllnerweg wollen, fährt auch gezwungenermaßen gegen die Fahrtrichtung, gelangt dann aber auf den Waldweg nördlich des Elstermühlgrabens, auf dem man zumindest den gefährlichsten Teil des Zöllnerweges umfahren kann.

Und was sagt der ADFC dazu?

Alexander John, stellvertretender Vorsitzender des ADFC Leipzig

Der sicherere Weg, um in den Zöllnerweg zu kommen: Schon vor der Kreuzung auf die Fahrbahn fahren. Foto: Ralf Julke
Der sicherere Weg, um in den Zöllnerweg zu kommen: Schon vor der Kreuzung auf die Fahrbahn fahren. Foto: Ralf Julke

Ja, schon der Plattenweg ist eine Zumutung. Selbst als Gehweg ist er zu schmal und dort soll auch noch mit dem Rad gefahren werden. Eine Frechheit. Das Ende des Radfahrstreifens am Zöllnerweg hat vor allem mit dem Naturschutz zu tun. Das Rosental ist u. a. europäisches Vogelschutzgebiet. Hauptgrund, weshalb die Nordtangente an der Stelle niemals vierspurig ausgebaut werden wird und sogar mit Tempo 30 versehen ist. Platz für einen Radweg gibt es nicht, schon für einen Gehweg reicht der Platz nicht.

Im Grunde ist es eine schöne Gegend und auch mit dem Rad lässt es sich relativ gut befahren, wenn man nicht zu weit am Fahrbahnrand fährt (man darf dort nämlich weitestgehend nicht überholt werden und man sollte auch nichts anderes suggerieren) und die Straße nicht in Sachsen läge – anderswo ist es mir auch noch nicht passiert, dass in solchen Situationen gedrängelt und gehupt wird.

Das ist insofern interessant, da es in Deutschland zunächst allen Menschen grundsätzlich verboten ist, ein motorisiertes Fahrzeug zu fahren. Erst mit der bestandenen Prüfung erlangt man die Fahrerlaubnis.

Hierzu muss man auch nachweisen, dass man neben der Kenntnis der Regeln und der “Beherrschung” des Fahrzeuges auch die medizinisch-psychologischen Voraussetzungen erfüllt. Wer die maximal 850 m mit ca. 20 km/h bei erlaubter Höchstgeschwindigkeit von 30 km/h nicht hinter Radfahrenden fahren kann ohne zu hupen, zu drängeln oder aggressiv zu werden, erfüllt diese psychologischen Voraussetzungen nicht und sollte entweder zur Therapie und/oder die Fahrerlaubnis abgeben/entzogen bekommen.

Hier kann man nur darauf bauen, dass die Polizei auch des Öfteren mal kontrolliert und so auch für etwas mehr Miteinander sorgt.

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Keine Kommentare bisher

Ui, Herr John drückt sich recht deutlich aus bzgl der geistigen Verfassung der Autofahrer.

Ich finde es auch immer sehr lustig, wenn Leipziger permanent auf die Berliner Autofahrer verweisen, die doch wirklich ganz schlimm seien. Dabei ist das Gegenteil wahr: In Berlin wird zwar zügig, aber sichtbar entspannter gefahren. Da wird nicht jede Rechtsabbiegung mit Tempo 40 genommen, und man geht auch mal runter vom Gas, wenn man eine Straße irgendwo queren will. In der echten Großstadt kommt auf das Stichwort “Leipzig” oft der Spruch, dass die Leipziger so abartig autofahren würden. Gut, ist aber noch nicht ganz so schlimm wie in Moskau (wo man mit einem russischen Chauffeur gut beraten wäre).

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