Das Verkehrsverhalten der Sachsen Ƥndert sich. Davon erzƤhlt ja bekanntlich auch die Unfallbilanz. Von 2013 zu 2014 stieg die Zahl der verunfallten Radfahrer in Sachsen von 3.454 auf 3.983. Polizei und ADFC hatten das schon mit Schrecken registriert. Immerhin sieht das wie eine Zunahme von 15,3 Prozent aus. Aber der Anstieg trĆ¼gt. Denn 2013 war eigentlich ein radfahrerunfreundliches Jahr.

Das muss man immer wieder mal erzƤhlen, sonst vergisst man es so schnell. 2013 hatte einen der lƤngsten Winter der vergangenen Jahre, der bis in den April reichte, Ende Mai gab’s die schweren NiederschlƤge, dann kam die Flut. Eine Menge GrĆ¼nde fĆ¼r Radfahrer, lieber nicht mit dem Drahtesel zu fahren.

TatsƤchlich ist deshalb 2013 die Zahl der RadverkehrsunfƤlle drastisch gesunken. Die Zahl der VerunglĆ¼ckten hatte 2012 noch bei 3.840 gelegen, Ƥhnlich hoch wie 2011.

Von denĀ  2.487 Personen, die 2014 im Leipziger Verkehr zu Schaden kamen, waren Ć¼brigens 948 Radfahrer, drei kamen bei VerkehrsunfƤllen zu Tode. Und nicht immer war wirklich schuldhaftes Versagen der Grund fĆ¼r die UnfƤlle. Auch wenn die StVO es wohl attestieren wĆ¼rde.

Denn eines hat Leipzig ganz bestimmt nicht: ein flƤchendeckend funktionierendes Radnetz. Es als ein Mosaik aus VersatzstĆ¼cken zu bezeichnen, ist schon fast eine Beschƶnigung. Bestenfalls bestehen viele StraƟen, AnschlĆ¼sse und Querungen aus Kompromissen, manche geradezu unsinnig oder hartleibig. Die meisten strikt nach Vorschrift hingesetzt, selbst wenn der verfĆ¼gbare Raum es eigentlich nicht hergibt. WarterƤume sind zu gering bemessen, FuƟgƤnger und Radfahrer werden auf schmale Pisten geschickt, auf denen ein Nebeneinander oder Begegnen praktisch unmƶglich ist.

Kreuzungen sind zugebaut und zugestellt, Radstreifen hƶren im Nichts auf und an den gefƤhrlichsten Stellen werden Radfahrer per Schild aufgefordert, sich in den rollenden Verkehr einzuordnen.

NatĆ¼rlich ist das so nicht gewollt. Als Leipzig in die neue Zeit startete, konnte man von einem Radwegenetz eigentlich nicht reden. Es existierte nicht. Und in DDR-Zeiten empfand das auch kaum jemand als stƶrend, denn es waren schlicht zehn Mal weniger Pkw unterwegs. Zugeparkte StraƟen waren eher ein Wunder als das zu Erwartetende. Es war einfach genug Platz auf allen StraƟen fĆ¼r alle Verkehrsteilnehmer. Doch ab den 1990er Jahren musste Leipzigs Stadtverwaltung reagieren. Nicht nur, weil die bundesdeutsche StraƟenbauordnung zwingend Anlagen fĆ¼r Radverkehr vorschrieb, sondern weil der stetig wachsende Kfz-Verkehr die Anlage eigener Radwege geradezu erzwang.

Doch der Ausbau des Netzes gestaltet sich schwierig.

Und noch immer werden Fehler gemacht, die neue Konflikte schaffen. Manchmal ist die Ratlosigkeit der Planer regelreicht greifbar, etwa wenn sie mit Schildern versuchen, Radfahrer vom Innenstadtring fernzuhalten, oder an anderer Stelle eine Radwegenutzungspflicht verhƤngen, obwohl das schmale Handtuch von Weg gerade mal fĆ¼r FuƟgƤnger reicht.

Der Allgemeine Deutsche Fahrrad Club (ADFC) beschƤftigt sich mit dem Thema genauso wie die Stadt. Er hat auch eine eigene Seite eingerichtet, auf der Radfahrer Stƶrungen und SchƤden im Radnetz melden kƶnnen. Dabei arbeitet der ADFC dann wieder eng mit der Stadtverwaltung zusammen. Man kennt sich ja aus gemeinsamen Arbeitsgruppen. Es gibt einen Radverkehrsbeauftragten. Und im Verkehrs- und Tiefbauamt kennt man im Grunde die richtigen Ansprechpartner.

Kleine Probleme kƶnnen auf diese Weise recht schnell geklƤrt werden. GrĆ¶ĆŸere meistens nicht. Nicht nur, weil sie Geld kosten, sondern oft genug auch, weil sie PlanungsvorlƤufe und Abstimmungen brauchen. Oft genug beschƤftigen sie Verwaltung und Stadtrat Ć¼ber Jahre und auch die aufmerksamen Leipziger bekommen mit, wie zƤh mancher Findungsprozess ist, bevor Ć¼berhaupt eine umsetzbare Lƶsung gefunden ist.

Ein leuchtendes Beispiel dafĆ¼r sind die Radwege am Hauptbahnhof, die als solche fĆ¼r Reisende, die aus dem Bahnhof kommen, nicht erkennbar sind.

Solche Beispiele werden immer ƶfter auch ein Politikum.

Denn die Zahl der Radfahrer ist in Leipzig in den letzten Jahren deutlich gestiegen. Gerade junge Leipziger bevorzugen, wenn sie in der Stadt unterwegs sind, das Fahrrad. Aber auch die Zahl der Ƥlteren Radfahrer wƤchst – gleichzeitig wƤchst das BedĆ¼rfnis nach sicheren Radwegen. Auch wenn die jeweiligen BĆ¼rgerumfragen nur die gefĆ¼hlte Sicherheit abfragen, berstƤtigen sie die Furcht vieler Leipziger, Opfer in einem Verkehrssystem zu werden, das an vielen Stellen unĆ¼bersichtlich, konfliktreich und nicht immer klar geregelt ist.

Der Anstieg der FahrradunfƤlle mit Verletzten seit 2012 spricht eine deutliche Sprache, auch wenn der Anstieg auch mit der deutlich besseren Witterung im Jahresverlauf 2014 zu tun hat. Aber die zunehmend verschobenen Jahreszeiten befeuern die Entwicklung des Radverkehrs natĆ¼rlich zusƤtzlich. Leipzig wƤre gut beraten, in relativ kurzer Zeit ein wirklich gut strukturiertes Radwegenetz zu schaffen, in dem sich die Zahl der Konfliktpunkte deutlich reduziert.

Noch aber sind fast alle Routen mit solchen Konfliktstellen gespickt, gerƤt man als Radfahrer immer wieder in Situationen, in denen man mit den Regeln der StVO zwangslƤufig in Konflikt kommt oder – selbst bei Einhaltung der Regeln – in brandgefƤhrliche Situationen gerƤt. Einige davon sind auch der Verwaltung bekannt – und sie verzweifelt selbst an der Unmƶglichkeit logischer Regelungen, weil die StraƟenstrukturen manchmal in aller Sturheit zeigen, dass sie nur fĆ¼r Schnellverkehr und MarschumzĆ¼ge gedacht waren und FuƟgƤnger und Radfahrer eher als stƶrendes Ɯbel begriffen wurden.

Machen Sie mit: Die gefƤhrlichsten Stellen sind gesucht

In der nƤchsten Zeit wollen wir die Leipziger auf eine kleine Reise mitnehmen ins Radwegenetz und an einige brisante Stellen, an denen es fĆ¼r Radfahrer richtig gefƤhrlich ist. Wir fragen dann auch gleich parallel beim ADFC an, wie die Radexperten das Thema bewerten.

Und natĆ¼rlich sind auch alle Leser eingeladen, ihre Erfahrungen zu schildern und brisante Stellen aus ihrer Erfahrung im Leipziger Radwegenetz zu benennen und zu beschreiben. Wenn alle fleiƟig sind, kƶnnte dabei durchaus eine Leipziger Karte der Gefahrenstellen entstehen, eine Art To-do-Karte fĆ¼r die Verkehrsplaner, die es abzuarbeiten gilt, um mit der Zeit ein relativ sicheres, durchdachtes und nutzerfreundliches Radwegenetz zu bekommen.

Wer gleich loserzƤhlen mƶchte, kann das tun und seine Geschichte schicken an info(at)l-iz.de.

Empfohlen auf LZ

So kƶnnen Sie die Berichterstattung der Leipziger Zeitung unterstĆ¼tzen:

Ralf Julke Ć¼ber einen freien Fƶrderbetrag senden.
oder

Keine Kommentare bisher

Schreiben Sie einen Kommentar