Ein ganz spezielles Kunststück haben Leipzigs Verkehrsplaner an der Prager Straße / Kreuzung Johannisallee fertig gebracht. Nicht nur, dass die Radfahrer, vom Johannisplatz kommend, schon einen Radweg hinter sich haben, der eher den Namen Hindernisparcours verdient mit allerlei Biegungen, Ampeln und Masten auf der Strecke und hochgefährlichen Abschrägungen zur Fahrbahn.

Wahrscheinlich haben hier Leipzigs Straßenbauer versucht, im Praxistest herauszubekommen, was man unter Barrierefreiheit verstehen könnte. Aus Sicht der Fußgänger vielleicht noch verständlich: Sowohl an der Kreuzung der Prager Straße mit der Platostraße wie auch 50 Meter weiter, wo der Gerichtsweg auf die Prager Straße trifft, wurden nicht nur Absenkungen auf Fahrbahnniveau geschaffen, damit man auch mit Rollstuhl und Gehhilfe auf die Fahrbahn kommt – es wurde gleich der gesamte Radweg abgeschrägt, mit dem Ergebnis, dass Radfahrer hier regelrecht am Hang fahren. In Zeiten mit nassem oder gar vereistem Untergrund eine hochgefährliche Piste, die am Fußgängerüberweg am Gerichtsweg noch eine zusätzliche Verschärfung bekommt, weil hier der Ampelmast mitten auf dem Radweg steht und der Radweg provisorisch darum herum kurvt.

In diesem Fall handelt es sich auch noch um den extra für Radfahrer aufgestellten Ampelmast, die auf die Idee kommen könnten, hier nach links in den Gerichtsweg abbiegen zu wollen.

Ein geradezu einsamer Ampelmast, denn für den Kfz-Verkehr gibt es die Ampel, die das Abbiegen in den Gerichtsweg ermöglicht, schon 20 Meter vorher, wo sie mit dem Fußgängerüberweg verbunden ist.

Diesen seltsamen Test-Parcour für innovative Verkehrslösungen, der auch 20 Jahre lang direkt unter den Büros der verantwortlichen Planer im ehemaligen Technischen Rathaus lag, hat man gerade hinter sich, wenn man fröhlich parallel zum motorisierten Verkehr zur Kreuzung Johannisallee kommt. Der Kfz-Verkehr fährt weiter gemütlich mit “Grün” geradeaus. Der Radweg aber endet einfach. Welcher Radfahrer käme auch auf die Idee, hier genauso wie die Autos geradeaus fahren zu wollen?

Der Weg knickt ab nach rechts, wo man augenscheinlich mit den Fußgängern hinüber auf die Insel fahren soll. Was aber nicht möglich ist, denn wenn die Geradeausspur auf der Prager Straße “Grün” hat, hat diese Fußgängerampel “Rot”. Unübersehbar waren hier Ampelschalter am Werk, denen Radfahrer und Fußgänger ziemlich schnurz sind, denen aber wichtig ist, dass rechtsabbiegende Kfz jederzeit abbiegen können, wenn der Verkehr auf der Prager Straße rollt.

Da muss auch der Radfahrer warten, darf bei Grün rüber auf die Fußgängerinsel und darf sich dann freuen, dass jetzt die Prager Straße Rot hat und der Kfz-Verkehr in der Johannisallee zur Oststraße “Grün” hat. Weiter geht’s für den Radfahrer also erst wieder, wenn die Prager Straße wieder rollt.

Man vergisst diese närrische Situation ziemlich bald wieder. Denn der weiterführende Radweg ist nach knapp 20 Jahren eine einzige Buckelpiste, auf der man froh sein kann, dass einem nicht alle Schrauben aus dem Fahrrad fallen.

Was sagt der ADFC dazu?

Alexander John, Stellvertretender Vorsitzender des ADFC Leipzig

Bei der Stadtentwicklung und Verkehrsplanung werden im Allgemeinen Ziele verfolgt. Diese Ziele haben sich im Laufe der Jahre stark verändert. War es ursprünglich das Ziel, eine durchgehende Radverkehrsanlage zu haben, kann man heute sagen, dass die Ziele nach dem Radverkehrsentwicklungsplan (RVEP) lauten: zügig, sicher, bequem von A nach B.

Während das alte Ziel seit 2011 zwischen Augustusplatz und Liebertwolkwitz umgesetzt ist, muss man leider feststellen, dass die neuen Ziele des Radverkehrsentwicklungsplanes in weiten Teilen in der Prager Straße nicht realisiert sind. Neben ständig wechselnden Führungsformen (gemeinsamer/getrennter Geh-/Radweg, Radfahrstreifen) verändert sich auch alle paar Meter der Belag und die Breite. Man kann nur durch das Abfahren der Radwege die sehr unterschiedlichen Bauepochen und entsprechenden Ansprüche deutscher Vorschriften, Richtlinien und Gesetze ablesen. Ein Grausen für alle, die Tag für Tag diese Wege nutzen müssen.

Wie könnten Lösungen aussehen?

Wenn man nicht die ganzen Seitenbereiche umbauen möchte, damit sie den Zielen entsprechen, hilft wahrscheinlich nur eines: Die Markierung eines durchgehenden Radfahrstreifens vom Augustusplatz bis zur Franzosenallee, unter Einbeziehung der bereits bestehenden Radfahrstreifen. Platz auf der Fahrbahn gibt es – gemessen an der Verkehrsbelegung – genug. Und dort, wo es eine reine Rechtsabbiegespur gibt (bspw. am Technischen Rathaus) kann man aus dieser Spur eine Kombispur machen und sogar die Verkehrssicherheit und Leistungsfähigkeit noch erhöhen. Am alten Technischen Rathaus könnte man notfalls den Radfahrstreifen auf Höhe der Haltestelle kurz aufheben, dann hätte man die gleiche Situation wie in der KarLi auf Höhe Kurt-Eisner-Straße oder Richard-Lehmann-Straße stadtauswärts – ist zwar nicht super toll, aber immer noch besser als die oben beschriebene Situation heute.

Klar kann man im Kleinklein an der einen oder anderen Stelle Verbesserungen vornehmen. Insgesamt würde das allerdings wesentlich teurer und die Ziele des RVEP könnten damit dennoch nicht erreicht werden. Die Straße ist einfach zu verkorkst.

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Es gibt 2 Kommentare

Stefan!
Aus der Deckung springen und ohne jeglichem Bezug zum Thema Luft lassen ums dann andere Kommentatoren persönlich angreifen, verunglimpfen, beschuldigen, verhöhnen – um dann wieder wie in einem Loch zu verschwinden, bis eben dieser Auftritte nicht mehr in der rechten Seitenleiste erscheint, funktioniert nicht.

Sind Sie hier der TROLL?
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Erbärmlicher Abgang.

Die Stelle am Ostplatz (Foto) ist mir wohlbekanntst; leider ist es bei den unkooperativen Leipziger Autofahrern (die nämlich so gut wie nie den Blinker setzen, vielleicht sind die gelben Lämpchen aber auch immer kaputt…) riskant, als Radfahrer selbst die schmale Rechtsabbiegefurt (im Foto hinter der Haltestange der weißen Hinweisschilder zu sehen) trotz “Rot” zu queren.

Die Prager Straße macht doch (quasi) ab Augustusplatz auf gefühlten 8 km (bis kurz vor Probstheida) einen neugebauten Eindruck. Doch die närrischen Planer des Verkehrsamts waren mental nicht in der Lage, hier einen durchgehend einheitlichen Radweg zu schaffen.

Vielen Dank an Herrn John für die Beschreibung der Radwegsphilosophien. Ob das Verkehrsamt überhaupt eine Radwegsphilosophie hat, bezweifele ich aber. (Die Fußverkehrsphilosophie ist hingegen einfach: Der Fußgänger kriegt das, was übrigbleibt und was von RiLSA & Co minimal vorgeschrieben ist.)

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