Am 28. Oktober möchte die Leipziger Stadtverwaltung nun gern Nägel mit Köpfen machen, nachdem der Linke-Antrag, die Linie 9 zwischen Connewitz-Kreuz und Forsthaus Raschwitz zu erhalten, in der letzten Stadtratssitzung am 16. September keine Mehrheit fand. Irgendwie hat man nun auch auf Verwaltungsebene gemerkt, dass man ohne Stadtratsbeschluss nicht einfach eine Straßenbahnstrecke stilllegen kann.

Und das soll jetzt quasi auf den letzten Drücker nachgeholt werden. Denn im Dezember tritt der neue Fahrplan der LVB in Kraft. Die vier extra benötigten Busse zur Verlängerung der Linie 70 vom Connewitzer Kreuz nach Markkleeberg haben die Leipziger Verkehrsbetriebe (LVB) schon gekauft. Sie sollen ab Dezember in derselben Taktfrequenz nach Markkleeberg fahren wie bisher die Straßenbahn Nr. 9.

Aber während der Stadtrat bei dem Thema einknickte, weil im Grunde andere schon im Frühjahr alle Entscheidungen vorweggenommen haben und Leipzig nur noch bedröppelt als Nachzügler dasteht, kommt von den Jugendparlamentariern geharnischter Protest. Oja, Leipzig hat jetzt ein Jugendparlament. Und die jungen Leute machen recht deutlich, dass sie mit der Ignoranz der Alten nicht viel anfangen können. Denn während die meisten Stadträte bevorzugt mit dem eigenen Pkw unterwegs sind, gehört die Straßenbahn neben dem Fahrrad zum klassischen Fortbewegungsmittel junger Leute in Leipzig.

Beim Thema Linie 9 ist der Riss zwischen den Generationen so richtig aufgeklafft: Die Alten haben wieder “Einsicht in die Notwendigkeit” gezeigt und damit den jungen Menschen so ganz nebenbei die Harke gezeigt: “Schaut her, Freundchen, WIR bestimmen hier wo’s lang geht.”

So betrachtet ist der Offene Brief der Jugendparlamentarier noch recht zahm. “Auch gegenüber Bus und S-Bahn bietet die Straßenbahn deutlich mehr Komfort und häufig eine bessere Anbindung”, heißt es darin. “Sie bietet außerdem mehr Platz für größere Gruppen, etwa Schulklassen und ist inklusiver als ein Bus. Dass Sie dabei die für viele Leipziger und Markkleeberger Jugendlichen wichtige Verbindung Leipzig-Markkleeberg so stark abwerten wollen, finden wir abstrus und nicht nachvollziehbar. Auch, dass Sie damit das Potential des Neuseenlandes, insbesondere des Cospudener Sees, als Naherholungsgebiet für Leipziger*innen und vor allem für Leipziger Jugendliche, auf ein Minimum reduzieren, macht daraus eine unlogische Entscheidung.”

Aber die Alten haben sich – in Markkleeberg genauso wie in Leipzig – wieder nur an ihren eigenen Bedürfnissen und trockenen Zahlen orientiert. Gesprochen haben sie nicht miteinander, nur in Auftrag gegeben und sich von MDV und LVB ein Verkehrskonzept für Markkleeberg erarbeiten lassen. Und sie haben auch nicht reagiert, als die Nachfragen zum Schulweg und zur Freizeit am Cospudener See kamen.

Und die jungen Parlamentarier werden noch deutlicher: “In einer Stadt wie Leipzig, die sich Umwelt- und Jugendfreundlichkeit auf die Fahne schreiben möchte, ist eine solche Entscheidung ein katastrophales Signal, ein Schritt zurück und absolut schädlich für die Jugend von heute und die Kinder und Erwachsenen von morgen. – Als weiteren, nicht nur für Jugendliche relevanten Punkt, bemängeln wir die fehlende Barrierefreiheit der Strecke Leipzig-Markkleeberg. Eine Buslinie bietet keine Barrierefreiheit und eine Straßenbahnlinie im jetzigen Zustand auch nicht. Die S-Bahn-Strecke bietet zwar diese, deckt aber in keinem Maße die Ansprüche von jungen Menschen, und vor allem von Menschen mit Behinderungen, an ein flächendeckendes Nahverkehrsnetz.”

Sie fordern ein Überdenken der Entscheidung, die Linie 9 auf dem Südast einzustellen.

Dabei ist sie noch gar nicht gefallen. In Leipzig jedenfalls nicht. In Markkleeberg schon, wo die Stadträte in voller Begeisterung für ihr schönes neues Stadtnetz die Einstellung der Linie 9 für sich beschlossen haben. Oder besser: für den Landkreis Leipzig, zu dem Markkleeberg gehört. Denn der hat die runde halbe Million Euro, mit der er bis jetzt den Betrieb der Linie 9 bezuschusst, schon umgeplant für die vermehrten Buslinien innerhalb Markkleebergs.

Mit dem Altersdurchschnitt sieht es im Markkleeberger Stadtrat nicht besser aus als im Leipziger. Alles klingt logisch – bis hin zu den notwendigen Verbesserungen für die Querverbindungen zur S-Bahn. Aber wenn man das Ganze aus der Warte junger Menschen sieht, die (noch) kein eigenes Auto vor der Tür stehen haben, wird der ganze Murks an den Planungen sichtbar. Dann haben die gewählten Stadträte wieder nur gezeigt, dass sie schon aus Altersgründen nicht wirklich in der Lage sind, die Bedürfnisse junger Menschen mitzudenken. Und in den Abstimmungen wird das dann immer sehr deutlich.

Und da nun der Versuch der Linksfraktion (bis zum 16. September noch flankiert von der Unterstützung der Grünen und der SPD), die Linie 9 bis Markkleeberg zu erhalten, gescheitert ist, kommt jetzt die Vorlage der Verwaltung selbst auf den Tisch, die den Sack zubinden will:

“Die Ratsversammlung beschließt die Umstellung des Straßenbahnbetriebes (Linie 9) auf dem Abschnitt Wolfgang-Heinze-Straße/Koburger Straße zwischen Connewitz-Kreuz und der Stadtgrenze zu Markkleeberg auf Busbetrieb. Die Gewährleistung der Mindestbedienung gemäß Nahverkehrsplan wird über ein geändertes Busnetz (Mehrleistungen auf der Linie 70) sichergestellt”, heißt es darin. “Die Ratsversammlung beschließt einen neuen Basisfahrplan entsprechend des Fahrplanangebotes ab dem 13.12.2015 auf Grundlage des Betrauungsbeschlusses zur Betrauung der Leipziger Verkehrsbetriebe (LVB) GmbH (Anlage 2 des Konzeptes zur Finanzierung des ÖPNV in der Stadt Leipzig und Betrauung der LVB).”

Was selbst die älteren Stadträte verblüffen dürfte. Denn über die Einstellung der Linie 9 im Süden durften sie all die Jahre nicht diskutieren oder sich gar im Vorfeld eine Meinung bilden – jetzt aber sollen sie das Ergebnis absegnen, das eigentlich durch eine einsame Entscheidung im Landkreis vorweggenommen wurde.

Da werden auch die Jugendparlamentarier genau hinschauen, wer am 28. Oktober wie stimmt und wie da argumentiert wird.

Der Offene Brief des Jugendparmalents.

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Hier kommt wieder der schon seit Jahrzehnten als offenes Geheimnis gehandelter Gedanke zum Vorschein, dass die Alten die Jungen bekämpfen. (Warum auch immer.) Das spiegelt sich nicht nur in den seit den 1980ern nahezu verschwundenen Aufstiegschancen in der Arbeitswelt wider, sondern auch im täglichen Brot der Gesellschaftspolitik. Schulen werden al gusto geschlossen, an der Bildung wird heftig gespart. Die Jungen sollen gefälligst Kaufmann lernen oder Jura oder Medizin studieren. Nichts anderes. Und immer brav bleiben. Und die Alten weiden sich hysterisch an der Angst vor “Jugendkriminalität”, während “erwachsenenspezifische” Untaten wie Steuerbetrug oder Verkehrsdelikte als gelegentlich herausgenommene Freiheiten angesehen werden.

Damit also die Saturierten weiterhin mit dem dicken Auto (weswegen in Markkleeberg fast überall nur noch auf einer Straßenseite geparkt werden kann) durch den Wolfswinkel brettern können, wird die lästige Tram aus dem Straßenbild entfernt.

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