LeserclubAuch treue Leser kommen ja manchmal mit Fragen um die Ecke wie: „Ja, hat denn mal einer die Radtouristen gezählt auf dem Elsterfernradweg?“ Hat natürlich niemand. Denn wo sollte man da zählen? Am Clara-Park, wo auch tausende Leipziger „nur so“ unterwegs sind? Oder lieber draußen an der Domholzschänke? Aber die Idee ist gut. Fahren wir doch mal den kompletten Elsterradweg in Leipzig ab. Wir haben es getan.

Und eigentlich kann man es nur jedem Leipziger empfehlen, es auch einmal zu tun. Auch dann, wenn man nicht die Puste oder die Zeit hat, mal den kompletten Elsterradweg zu fahren – entweder bergauf – das ist für die gut Trainierten – von Halle an 238,4 Kilometer immer an der Weißen Elster lang durch Thüringen bis zur offiziellen Elsterquelle bei Aš knapp hinter der tschechischen Grenze. Die eigentlich körperlich anspruchsvolle Tour beginnt erst hinter Gera. Die ersten 110 Kilometer gelten als familienfreundlich. Danach wird’s bergig. Auf dem familienfreundlichen Teil der Strecke arbeitet man sich eher gemächlich von 84 Meter über Null in Halle auf knapp 200 Meter hinter Gera hinauf. Und dann braucht es Puste. Die Elster-Quelle selbst liegt auf 724 Meter über Null.

Wer Daten und Informationen sucht, findet sie auf der vom Tourismusverein Leipziger Neuseenland e.V. betriebenen Website elsterradweg.de. Natürlich führt der Weg auch durchs Neuseenland. Aber das heben wir uns mal für entspanntere Tage auf.

Startpunkt war an der Gundorfer Linie. Foto: Ralf Julke
Startpunkt war an der Gundorfer Linie. Foto: Ralf Julke

Wir radeln nur einmal schön durch Leipzig. Gehen auch ein bisschen über die Stadtgrenze hinaus, beginnen zum Beispiel an der Gundorfer Linie. Das ist auf Schkeuditzer Flur. Und wir verraten nicht zu viel, wenn wir erwähnen, dass man – wenn man hier die restlichen 27 Kilometer nach Halle fährt – auch noch eine Menge sieht. Wenn man nicht rast, wie es viele Leipziger „Freizeitsportler“ tun, von denen wir natürlich auch am Samstagmorgen einige treffen. Die Kühnsten. Nebst mehreren Anglern, die gerade ihr Biwak am Fluss aufgeben, und zwei schlafenden Schafherden. Was mal was Neues ist. Man muss wirklich mal in aller Frühe losfahren und sieht die Mümmelbrigade müde hingestreckt am Ufer der Neuen Luppe. Nur die wachenden Hunde schauen misstrauisch durch die Aue, dass ja niemand die Mümmelmänner aufschreckt.

Macht keiner. Die Jogger und Walker auf dem Weg sind ganz mit sich beschäftigt. Und auch ein paar Radwanderer sind unterwegs. Das kann bestätigt werden. Sechs begegnen uns in der Samstagfrühe, drei davon begegnen wir beim Picknick an zwei der Ruheinseln, die es an der Strecke gibt. Eigentlich nur ein paar Bänke. Was fehlt – und das fällt dieser Tage auf – sind Unterstellpilze. Der Wolkenbruch, der am 27. Juli über den Leipziger Norden hereinbrach und in kurzer Frist ganze Straßenzüge unter Wasser setzte, ist noch allgegenwärtig.

Denn das kurze Unwetter hat auch alle Bäume in der Elster-Luppe-Aue auf ihre Stand- und Bruchfestigkeit geprüft. Da und dort sieht man einige Bäume, die dabei zusammengebrochen sind. Aber eigentlich überall an der Strecke sieht man abgebrochene Äste, die sorgsam an die Wegränder geschoben wurden. Und man ist froh, am Nachmittag des 27. Juli hier nicht unterwegs gewesen zu sein – denn Unterstellmöglichkeiten gibt es keine.

Wegweiser an der Gundorfer Linie: Hier geht es jetzt auf den Luppedeich. Foto: Ralf Julke
Wegweiser an der Gundorfer Linie: Hier geht es jetzt auf den Luppedeich. Foto: Ralf Julke

Den Startpunkt an der Gundorfer Linie haben wir nicht nur gewählt, weil man hier den guten Anschluss auf das Teilstück nach Halle hat.

Hier steht auch einer der wenigen Wegweiser, der dem Nutzer des Elsterradwegs überhaupt eine Orientierung gibt. Leipzig 10 Kilometer steht da dran. Und das kleine quadratische Schildchen mit dem Radfahrer und dem Stichwort „Elster“ verrät, dass man hier, wenn man auf den Weg an der Neuen Luppe einbiegt, auf dem Elsterradweg ist. Die Weiße Elster haben die Radfahrer, die hier ankommen, sechs Kilometer zuvor verlassen. Denn bei Wehlitz biegt der Fluss nach Norden ab – oder kommt vom Norden – wir haben ja eigentlich falsch herum angefangen. Auch der Radweg fließt eigentlich mit der Fließrichtung des Flusses bergab. Wer „richtig herum“ fahren will, reist erst mal nach Aš und rollt dann die ganzen 238,4 Kilometer mit dem Fluss immer bergab.

Das kann man übrigens auch in Leipzig machen. Auch hier hat die Weiße Elster ein Gefälle, das man freilich erst nach längeren Wegabschnitten so ein wenig spürt.

Zwischen Wehlitz und dem Klärwerk im Rosental hat die Weiße Elster noch ihren alten, mäandernden Verlauf. Hier kann man sie noch in ihrer ursprünglichen Gestalt sehen. Und unterwegs werden wir auch noch auf einige ältere Mäander stoßen.

Mäander der Weißen Elster kurz vor Lützschena. Foto: Ralf Julke
Mäander der Weißen Elster kurz vor Lützschena. Foto: Ralf Julke

An der Gundorfer Linie lohnt sich der Start auch, weil hier auch der direkte Weg zur Domholzschänke ist. Die wirbt hier auch, wie es sich gehört, als „Radlertanke“. Aber die öffnet nur wochenends. Ab 10 Uhr und „wetterabhängig“. Als hätten wir nicht gerade über Regen und Pilze nachgedacht. Die Domholzschänke selbst aber hätte schon ab 9 Uhr geöffnet. Was einem frühen Radler natürlich auch nichts nützt. Um diese Zeit werden wir schon 20 Kilometer weiter sein. Und etliche Meterchen höher.

Da, wo wir jetzt stehen, sind wir 100 Meter über Null. Und neben den Schildern, die uns hier entweder 29 Kilometer Richtung Halle, 19 Kilometer Richtung Merseburg oder 10 Kilometer Richtung Leipzig weisen, steht auch ein kleineres Schild, mit dem die Landestalsperrenverwaltung (LTV) daran erinnert, dass wir ab hier auf einem Hochwasserschutzdeich unterwegs sind. Den hat die LTV in den Jahren 2012 und 2013 gesichert, ist da zu lesen. Nur für einen asphaltierten Weg hat das Geld nicht mehr gereicht. Deswegen fahren wir – so lange wir auf Schkeuditzer Flur an der Neuen Luppe entlang fahren – auf einem Splitweg.

Knapp 2 Kilometer. Es knirscht unter den Reifen. Aber das stört nicht. Denn hier ist man auf einem der ruhigsten Wegabschnitte. Dass die Ruhe trügt, wird wenig später in Lützschena hörbar, wo der Lärm eines Flugzeuges die ganze Aue erfüllt. Und dabei ist es nicht mal zu sehen, nicht mal auf der berüchtigten „Südabkurvung“ unterwegs. Für einige Leute ist das also ganz normaler Lärm. Er wirkt trotzdem fehl am Platz.

Der Abzweig zum "Gasthof zur Landesgrenze". Foto: Ralf Julke
Der Abzweig zum „Gasthof zur Landesgrenze“. Foto: Ralf Julke

Aber so weit sind wir noch nicht. Noch sind wir im Schkeuditzer Revier. Und nach 1,9 Kilometern stoppen wir, weil sich hier ganz unverhofft ein Pfad verliert im Gebüsch. Aber ein ausgeschilderter. Denn von hier kommt man direkt zu einem bei Einheimischen berühmten Gasthof, dem „Gasthof zur Landesgrenze“ in Schkeuditz, der so heißt, weil er einst – nach den ganzen Gebietsramschereien des Wiener Kongresses – direkt an der Grenze zwischen Preußen und Sachsen lag. Aber er öffnet erst ab 11:30 Uhr. Das hilft dem hungrigen Radfahrer an der Stelle also gar nicht. Die Schafherde am anderen Ufer der Neuen Luppe schläft nämlich noch. Die Wegwarte blaut vor sich hin.

Aber man darf trotzdem den Weg genauer betrachten. Denn auch der zeigt die Landesgrenze: Da, wo Leipzig aufhört, hört auch der Asphalt auf. Auf Schkeuditzer Flur knirscht der Split. Und mit dem Asphalt beginnen auch die rätselhaften Spuren, die uns fortan begleiten: gelbe und orange Tapsen, die einem Bären gehören könnten, der hier mal schnell über den Weg getapst ist.

Gelbe Tapsen auf dem Elsterradweg. Foto: Ralf Julke
Gelbe Tapsen auf dem Elsterradweg. Foto: Ralf Julke

Sie tauchen auch kurz vor der Straße Am Pfingstanger wieder auf. Die verbindet an dieser Stelle Böhlitz-Ehrenberg und Lützschena, kreuzt den Elsterradweg und – die Kreuzung weist kein einziges Hinweisschild auf. Da denkt man dann an die auch im Stadtrat Leipzig mittlerweile zum Antrag gereifte Unzufriedenheit mit der Ausschilderung der Leipziger Radfernwege.

 

Schlafende Schafe an der Landesgrenze. Foto: Ralf Julke
Schlafende Schafe an der Landesgrenze. Foto: Ralf Julke

Das Leipziger Radwege-Schildersystem ist völlig introvertiert. Und wer nicht sowieso schon weiß, wo er ist, findet nicht auf die großen Radrouten, die mitten durch die Stadt führen. Der steht dann an so einer Kreuzung und fühlt sich eher irgendwo in dörflicher Einöde verloren. Der kurze Abstecher 50 Meter Richtung Lützschena lohnt sich natürlich, denn da sieht man die Weiße Elster wieder, die schon vorher in einigen geradezu idyllischen Mäandern bis dicht an den Luppedeich vorgestoßen ist. Der Radler auf dem Weg bekommt also tatsächlich da und dort einen Eindruck von der einstigen Auenlandschaft.

Wenn er nicht rast. Wir rasen nicht. Obwohl die nächsten Wegabschnitte geradezu einladen dazu.

Erst einmal bremsen wir sogar scharf, denn eine von zahlreichen Nacktschnecken versucht hier gerade in aller Eile, den Weg zu überqueren.

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