Da hat Sachsens Verkehrsminister Martin Dulig (SPD) noch einen Tanz auf glühenden Kohlen vor sich, wenn er erklären soll, warum er mit den zusätzlichen Bundesmitteln für den regionalen Nahverkehr die Löcher beim ÖPNV stopft und den regionalen Zugverkehr weiter darben lässt. Am Donnerstag, 29. September, muss er erstmals Antwort stehen zum Thema Regionalisierungsmittel.

Die Grünen-Fraktion im Sächsischen Landtag hatte seine Mittelverschiebung schon deutlich kritisiert und die geplante Förderhöhe für die Zweckverbände zum Thema einer Aktuellen Debatte der Landtagssitzung am nächsten Donnerstag gemacht. Gegen 11 Uhr soll sie beginnen.

„Die Bundesregierung hat die Förderung für den Öffentlichen Verkehr noch einmal um 50,2 Millionen Euro pro Jahr für Sachsen erhöht. Doch bei den Zweckverbänden soll nach dem Vorschlag der sächsischen Staatsregierung nur 1,3 Millionen von diesem Zuschlag ankommen“, ärgert sich Katja Meier, verkehrspolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion. „Diesem Vorschlag können die Landtagsabgeordneten von CDU und SPD doch nicht unverändert zustimmen! – Viele Abgeordnete aus den Reihen der Koalition haben wie ich die Erhöhung der Mittel vom Bund gefordert. Lassen sie uns jetzt gemeinsam dafür sorgen, dass diese Erhöhung der ÖPNV-Regionalisierungsmittel auch bei Sachsens Zweckverbänden ankommt.“

Denn die Mittel werden dringend gebraucht, um anstehende Streichungen von Strecken zu verhindern. Oder um ein immer stärker genutztes Netz wie im Leipziger Raum weiter auszubauen. Die Sparrunden der letzten Jahre haben die verantwortlichen Zweckverbände alle an die Grenze ihrer Möglichkeiten gebracht. Und Streckenstilllegungen bedeuten gerade für ländliche Räume weitere Verluste an Infrastruktur und Lebensqualität.

Wirtschaftsminister Martin Dulig (SPD) und Ministerpräsident Stanislaw Tillich (CDU) müssten sich fragen lassen, wie ernst sie es mit ihren Argumenten aus dem Herbst 2015 meinten, betont Meier. Und sie zitiert eine Pressemitteilung des Verkehrsministeriums vom 15. Oktober 2015: „Wir haben Zeit gewonnen, die wir nutzen werden, um weiter auf allen Ebenen für eine faire Mittelverteilung zu kämpfen. Denn für Sachsen drohen bis 2030 massive Einschnitte in die bestehenden ÖPNV-Leistungen.“

Offenbar wolle der Minister von seiner damaligen Argumentation nichts mehr wissen, so Meier. Ende August erreichte eine sogenannte Ergänzungsvorlage zum Entwurf des Doppelhaushaltes 2017/2018 die Abgeordneten des Sächsischen Landtags.

„Für all jene, die auf eine bessere Finanzierung beim ÖPNV gehofft hatten, ist diese Ergänzung ein Schlag ins Gesicht“, erklärt Meier. Von den zusätzlichen 50,2 Millionen Euro vom Bund sollen laut Vorlage der Staatsregierung im Jahr 2017 nur 1,3 Millionen Euro direkt an die Zweckverbände gehen. Mit weiteren 3,8 Millionen Euro wird eine Rücklage gebildet. „Die weiteren zusätzlichen 45 Millionen Euro will Wirtschaftsminister Martin Dulig (SPD) leider nicht für den konsequenten Ausbau des öffentlichen Verkehrs nutzen. Stattdessen wird mit 40,9 Mio. Euro das Landesinvestitionsprogramm gedeckt, das bisher aus Landesmittel finanziert werden sollte. Außerdem wird mit weiteren 4 Millionen der Schülerverkehr finanziert. Von den 45 Millionen Euro fließt somit kein zusätzlicher Euro mehr in den Ausbau des ÖPNV.“

Wobei es eher um den SPNV geht, den Schienenpersonennahverkehr. Denn in den ÖPNV fließen die 40,9 Millionen Euro schon – sie ersetzen den Posten, den eigentlich der Freistaat finanzieren wollte, damit die Nahverkehrsbetriebe im Land wieder in neue Busse und Straßenbahnen investieren können (deswegen: Landesinvestitionsprogramm).

Im ersten Entwurf des Doppelhaushaltes hatte die Staatsregierung ursprünglich noch geplant, aus eigenen Landesmitteln jährlich 40,9 Millionen Euro selbst für das Landesinvestitionsprogramm auszugeben. Von den insgesamt knapp 60 Millionen Euro für den Ausbildungsverkehr sollten immerhin noch 4,2 Millionen Euro aus eigenen Landesmitteln kommen. Den Rest hat Sachsen sowieso schon aus den Regionalisierungsmitteln abgezweigt, obwohl der Schülerverkehr in die Landeshoheit gehört. Nun werden sowohl die 40,9 Millionen Euro für das Landesinvestitionsprogramm als auch die Mittel für den Schülerverkehr vollständig aus den Bundesmitteln finanziert, stellt Katja Meier fest.

Und das verstärkt einen Trend, der eindeutig zulasten des regionalen Zugverkehrs geht.

„Somit will die Staatsregierung im Jahr 2017 nur noch 71,7 Prozent der für die Bestellung von Schienenpersonalverkehrs-Leistungen bestimmten Regionalisierungsmittel des Bundes direkt an die Zweckverbände weiterreichen“, kritisiert Meier. „Zudem ist nicht gesichert, ob die Rücklage von 3,8 Millionen Euro (11,5 Prozent) später vollständig den Zweckverbänden ausgezahlt oder zum Teil etwa für die Finanzierung des Schülerverkehrs reserviert wird.“

Die Grünen wollen stattdessen die für die Bestellung von Schienenpersonalverkehrs-Leistungen bestimmten Regionalisierungsmittel des Bundes ab 2017 zumindest 90 Prozent (543,6 Millionen Euro in 2017) an die Zweckverbände weiterreichen. Der Schülerverkehr gehört aus ihrer Sicht vollständig aus Landesmitteln finanziert.

„Die übrigen zehn Prozent Regionalisierungsmittel müssen in die Infrastruktur bei Bus und Bahn investiert werden. Aus diesen Mitteln könnte die Staatsregierung dem Bund eine Mitfinanzierung anbieten, um die Chancen der Elektrifizierung der Strecken Dresden–Görlitz sowie Chemnitz–Leipzig zu erhöhen. Hierzu gilt es, in den Haushaltsverhandlungen die Weichen zu stellen“, fordert Meier.

Aus ihrer Sicht vergibt Verkehrsminister Martin Dulig die Chance, die drohenden Streckenausdünnungen und Abbestellungen endgültig ad acta zu legen und Sachsens ÖPNV entscheidend voranzubringen.

„Im S-Bahn-Verkehr zwischen Meißen und Pirna muss der 15-Minuten-Takt finanziert werden. Alles andere wäre angesichts der milliardenschweren Investitionen der Deutschen Bahn ein Schildbürgerstreich“, zählt Meier auf. „Die vom Verkehrsverbund Mittelsachsen (VMS) geplante Abbestellung der Bahnverbindung zwischen Thalheim und Aue muss zurückgenommen werden. Gleiches gilt für die Abbestellungen zwischen Falkenstein und Klingenthal und die grenzüberschreitenden Linien nach Falkenau/Sokolov und Eger/Cheb. Zudem sollte endlich die mit dem Bau des City-Tunnels in Leipzig versprochene umsteigefreie Direktverbindung zwischen Plauen und Leipzig kommen.“

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