Witz komm raus, du bis umzingelt. So fühlen sich ganz bestimmt nicht nur die Grünen, wenn sie lesen, was Leipzig Jahr für Jahr an Radwegeinvestitionen plant. Obwohl der beharrliche Druck schon dazu geführt hat, dass überhaupt 800.000 Euro jährlich für Radwegebau im Leipziger Haushalt stehen. 1,2 Millionen sollten es aber sein, beantragen die Grünen. Allein schon, um den Verkehrskollaps zu verhindern.

Neben den beiden konkreten Anträgen zum Bau des Elster-Saale-Radweges und der Sanierung des Elsterradweges hat die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen zwei weitere Änderungsanträge zur Radverkehrsförderung zum Haushaltsplanentwurf 2017/18 eingereicht.

Der eine ist eher ein kleiner, der das Augenmerk darauf richtet, dass wir heute zwar allerlei Haustypen kennen, die auf die Unterbringung von Autos Rücksicht nehmen. Aber an Häusern, die das Fahrrad in den Mittelpunkt stellen, fehlt es.

Hierzu erklärt Daniel von der Heide, Stadtrat und verkehrspolitischer Sprecher der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen: „Um den Verkehrskollaps in Leipzig zu verhindern, müssen unter anderem die Bedingungen für den Radverkehr weiter verbessert werden. Dies kann über kleine und große Maßnahmen erreicht werden. Im Bürgerwettbewerb zum STEP Verkehr wurde zum Beispiel ein Vorschlag für einen Förderpreis für fahrradgerechte Architektur prämiert, der jedoch nie umgesetzt wurde. Wir beantragen nun 15.000 Euro für drei Preise für eine fahrradgerechte Infrastruktur, um best-practice-Beispiele zu würdigen und damit natürlich auch bekannter zu machen.“

Und dann ist da noch das Dauerthema Radverkehrsnetz, zu dem eigentlich Ende 2015 schon Ergebnisse vorliegen sollten. Die Bestandsaufnahme stammt von 2012, als die Verkehrsplaner feststellen mussten, dass Leipzig zwar viele Rad(haupt)routen hat, dass diese aber mit Dutzenden „Führungsmängeln“ durchsetzt sind. Die Karte, die damals vom Ingenieurbüro ISUP erarbeitet wurde, zeigt es deutlich: Die meisten Hauptrouten bestanden großflächig aus Abweichungen vom Soll-Zustand um 1, 2 oder gar 3 Stufen.

Da die Karte von 2012 stammt, ist natürlich einiges sogar schon abgearbeitet – so der knallrote Zustand in der nördlichen Karl-Liebknecht-Straße oder der lila Zustand in der Georg-Schumann-Straße.

Aber die Zustandserhebung machte erstmals deutlich, wie viel Investitionsbedarf allein im Leipziger Hauptroutennetz bestand. 161 Maßnahmen listete die Erhebung auf, 26 allein in der Prioritätsstufe I. Investitionsumfang: fast 7 Millionen Euro. Der von den Grünen angemahnte Elsterradweg steht übrigens auch mit unter Priorität I. Insgesamt summierten sich die 161 aufgelisteten Maßnahmen auf 29,6 Millionen Euro.

Darunter standen (und stehen) auch wichtige touristische Projekte, die einfach aus der städtischen Wahrnehmung verschwunden sind – wie der Bau des Radwegs am Elster-Saale-Kanal, touristisch viel nachhaltiger als jeder Motorboottourismus.

Wenn Leipzig jetzt seine Mittel für Radwegebau deutlich aufstockt und dem Verkehrsministerium in Dresden bei den zugesagten Fördermitteln auch noch ein bisschen Druck macht, könnte Leipzig eine ganze Menge aus dieser Liste abarbeiten und bei der Schaffung eines wirklich funktionierenden Radhauptnetzes endlich mal vorankommen.

Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen beantragt, das Budget für Radwege auf Basis des neuen Radverkehrsnetzes neu zu priorisieren und dabei nicht nur die Gemeindestraßen zu bedenken.

Das ist nämlich amtlicher Unfug, stellt Daniel von der Heide fest: „Gemeindestraßen sind relativ häufig bereits mit Tempo 30 beschildert und damit bereits vergleichsweise sicher für den Radverkehr. Wir stellen daher in Frage, ob die Investitionen in Radwege laut Produkttitel vor allem auf Gemeindestraßen erfolgen sollten. Das neu festgelegte Radverkehrsnetz bietet eine gute Grundlage, um dies zu überdenken und Investitionen dahin zu lenken, wo sie die größten Effekte für Sicherheit und Attraktivität des Radverkehrs haben werden.“

Und die Karte von 2012 zeigt es deutlich: Die desolaten Abschnitte ballen sich alle im inneren Stadtraum bzw. an den großen, nach außen führenden Magistralen, an der Prager Straße genauso wie an der Dieskaustraße und der Georg-Schwarz-Straße.

Dass das Verkehrsministerium Probleme hat, die wenigen Fördergelder, die Sachsen für Radwegebau zur Verfügung stellt, überhaupt zu gewähren, darüber haben wir schon berichtet. Was aber keine gute Begründung dafür ist, dass Leipzig keine Anträge auf Fördermittel stellt. Dazu ist die Bedarfsliste einfach viel zu lang.

Und so betont von der Heide auch: „Weiterhin erwarten wir, dass die Stadt die guten Förderbedingungen für Investitionen in den Radverkehr besser nutzt als in den Vorjahren. Im Planentwurf der Stadt wird von einer Förderquote von 50 % ausgegangen. Wir halten es für realistisch, dass man mit 400.000 Euro Eigenmitteln auch 800.000 Euro Fördermittel erreichen kann. Ob dies tatsächlich gelingt, hängt allerdings unabhängig vom Haushaltsantrag auch davon ab, ob das Verkehrs- und Tiefbauamt im Rahmen der Haushaltsverhandlungen mehr Planungskapazitäten für den Radverkehr bekommt. Auch dafür gibt es von uns einen Haushaltsantrag.“

Grünen-Antrag „Förderpreise für Fahrradarchitektur – fahrradfreundliche Stadtentwicklung.“

Grünen-Antrag zu Radwege-Investitionen.

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