Eigentlich klang es richtig berauschend, was das Sächsische Verkehrsministerium am Mittwoch, 8. Februar, gemeldet hat: „Auch im Jahr 2017 wird die Investitionsförderung für den Öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) auf hohem Niveau fortgeführt. Der diesbezügliche Startschuss erfolgte heute mit der Vorstellung des Landesinvestitionsprogramms im ÖPNV-Beirat.“ Verglichen mit einigen Vorjahren war das wirklich eine gute Nachricht.

Denn lange dominierte auch in Sachsen eine Verkehrspolitik, die die Förderwünsche der Verkehrsunternehmen eher als lästig empfand und manche Projekte lieber schrumpfen oder vertagen wollte. Ganz so, als würden die Verkehrsunternehmen dann mit der Wünschelrute eben andere Geldgeber finden. Oder gar noch all die vermuteten Finanzpuffer im eigenen Unternehmen endlich entdecken, die ein cleverer Privater schon längst entdeckt hätte.

Das Ergebnis war eine mehr als realtitätsferne Verkehrspolitik, die sämtliche ÖPNV-Investitionen in Sachsen ausbremste und genau das erzeugte, was auch in Leipzig zu beobachten war: einen wachsenden Investitionsstau. Das Leipziger Investitions-Defizit betrug dann pro Jahr bis zu 20 Millionen Euro.

Aber wenn man Jahr für Jahr 20 Millionen Euro zu wenig investiert, entsteht daraus schon binnen weniger Jahre ein riesiger Stau, der irgendwann angegangen werden muss, wenn das System nicht kaputtgehen soll. Aber darüber wird selbst in Leipzig nicht gesprochen, obwohl das Thema auf dem Tisch liegt. Im Sommer 2016 wollte die Stadt eigentlich ihre drei möglichen Szenarien für den neuen Nahverkehrsplan vorstellen. Das ist bis heute nicht passiert. Aber man legte zumindest eine Evaluation zum Nahverkehrsplan 2007-2015 vor. Die berührt das Thema eigentlich, denn wenn es um Taktzeiten, Gleissanierungen, Wagenkapazität, Barrierefreiheit, Fahrplaneinhaltung usw. geht, geht es immer um nötige Investitionen. Man kann ziemlich genau ausrechnen, was ein Unternehmen wie die LVB jährlich investieren müsste, um entweder den Standard zu halten (was schon ein Abbau des Standards ist, wenn die Stadt gleichzeitig wächst), den Standard mit steigendem Bevölkerungszuwachs zu halten (was zwingend höhere Investitionen erfordert) oder den Standard zu verbessern. Was übrigens das beschlossene Ziel der Stadt ist: Von 17 Prozent Anteil an den Wegen der Leipziger sollen die LVB bis 2025 auf mindestens 23 Prozent kommen, eigentlich lieber noch 25 Prozent.

Jeder Schüler, der in Mathematik ein bisschen aufgepasst hat, weiß, dass so ein Ziel eine deutliche Erhöhung der Investitionen in neue Straßenbahnen, Haltestellen, neue Gleisverbindungen usw. bedeutet.

Zumindest können die sächsischen Verkehrsunternehmen unter der aktuellen sächsischen Regierung damit rechnen, dass ihre Wünsche nach Investitionsförderung unterstützt werden.

Verkehrsminister Martin Dulig (SPD): „Wie im Vorjahr sollen auch 2017 alle von den Verkehrsunternehmen und Kommunen eingereichten Projekte positiv beschieden werden, sofern sie die Fördervoraussetzungen erfüllen. Der Freistaat wird die hierfür erforderlichen Finanzmittel zur Verfügung stellen.“

Bei der zuständigen Bewilligungsbehörde gingen für 2017 Förderanträge mit einem Gesamtvolumen in Höhe von rund 130 Millionen Euro ein.

Ist das viel? Ist das wenig? Man muss immer bedenken, dass die Unternehmen die Hälfte der Investitionssumme immer aus eigener Kraft beisteuern müssen – oder eben noch Schützenhilfe der zuständigen Kommune bekommen, wie das in Leipzig der Fall ist. Deswegen entspricht die beantragte Fördersumme in etwa der des Vorjahres. Da waren es 131 Millionen. Aber sie erzählt nicht wirklich von einem großen Luftholen bei sächsischen Verkehrsunternehmen. Sie fahren alle mit gebremster Power.

Einen Grund benannte Martin Dulig am Mittwoch: „Eine große Herausforderung für den hiesigen ÖPNV liegt in der sehr inhomogenen Bevölkerungsentwicklung. Während es in den ländlichen Räumen darauf ankommt, eine verlässliche ÖPNV-Grundversorgung zu gewährleisten, nimmt die Einwohnerzahl in den Ballungsräumen weiter zu. Mit dieser demografischen Entwicklung setzen wir uns im ÖPNV-Investitionsprogramm 2017 aktiv auseinander.“

Deswegen beantragen die Verkehrsunternehmen im ländlichen Raum eher Gelder, um eine sinnvolle Grundversorgung weiterbetreiben zu können. Manchmal auch mit einer Zukunftsvision untersetzt wie im Projekt „Muldental in Fahrt“.

Die Großstädte aber müssten, um die Bedarfe der nahen Zukunft absichern zu können, eigentlich ihre Investitionen steigern.

Mit knapp 31 Millionen Euro ist ein großer Anteil für die Straßenbahninfrastruktur in den Städten vorgesehen. Hinzu kommen nahezu 20 Millionen Euro für die Fahrzeugbeschaffung der Straßenbahnunternehmen in Leipzig, Chemnitz und Plauen, teilte das SMWA mit. ÖPNV-Großprojekte, wie das Stadtbahnprojekt in Dresden, der Ausbau der S-Bahn in Dresden und das Chemnitzer Modell, werden durch Bundes- und Landesmittel finanziert. Mehr als 6 Millionen Euro sind für Investitionsmaßnahmen in die SPNV-Infrastruktur vorgesehen.

Die Auflistung, die das SMWA mitgeliefert hat, ist freilich sehr summarisch. Zum Leipziger Straßenbahnprogramm heißt es zum Beispiel: „Fortführung Stadtbahnerneuerungsprogramm der LVB (Beschaffung von insgesamt 41 Niederflurstadtbahnwagen; z. Z. Förderung der ersten drei Lieferlose (23 Fahrzeuge) mit 10,9 Mio. € Jahresscheibe 2016); der erste Stadtbahnwagen wird gegenwärtig auf dem Leipziger Streckennetz getestet.“

24 Millionen fürs Leipziger Straßenbahnprogramm

Die Zahl ist natürlich beglückend, auch wenn es sich so liest, als wäre das die Gesamtförderung des Freistaats für die neuen XL-Straßenbahnen der LVB. Tatsächlich ist die Fördersumme längst viel höher, denn schon 2014 gab es mit 7,7 Millionen Euro die erste Rate, 2015 mit 6 Millionen Euro die zweite. Mit den nun sichtbar gewordenen 10,6 Millionen Euro aus dem Jahr 2016 sind es insgesamt schon 24,3 Millionen Euro. Damit sind die ersten 23 von insgesamt 41 geplanten XL-Fahrzeugen anfinanziert. Geliefert ist bislang eines. Das ist derzeit auf der Neuen Messe zu besichtigen, das zweite soll nach Auskunft der LVB im Februar eintreffen, so dass die ersten Fahrzeuge auch im Lauf des Jahres in den Fahrbetrieb gehen können. Wenn der Freistaat als Fördergeldgeber bei der Stange bleibt, könnten alle 41 Fahrzeuge bis 2020 in Leipzig rollen und den Fahrbetrieb spürbar entspannen.

Was noch nicht heißt, dass damit deutliche Taktverdichtungen und mehr Streckenbetrieb möglich sind. Dazu gibt es zu viele Flaschenhälse im Leipziger Gleisnetz. Die Diskussion um die LVB-Haltestelle am Hauptbahnhof hat das Problem ja gerade recht deutlich werden lassen. Dichtere Takte gibt es nur mit einigen nicht ganz billigen Eingriffen ins Streckennetz.

Das steckt übrigens noch nicht in den Investitionsvorhaben im Gleisnetz der LVB für 2017. Das ist der Punkt „Ausbau Gleisanlagen der Straßenbahn und dazugehöriger barrierefreier Ausbau von Haltestellen der LVB (z. B. Prager Straße, Georg-Schwarz-Straße, Holzhäuser Straße, Torgauer Straße, Philipp-Rosenthal-Straße)“.

Und dass auch das viel gerühmte elektronische Drumherum nicht ganz billig ist, zeigt der Posten „Erneuerung der mobilen Vertriebstechnik für den Erwerb von Fahrausweisen im Stadtgebiet Leipzig (385 Fahrausweisautomaten (insgesamt 3,45 Mio. € Fördermittel)“. Das sind die so störanfälligen Fahrgastautomaten in den Bahnen, die Fahrgäste mittlerweile zur Verzweiflung treiben. Die Gesamtinvestition ist natürlich noch höher, die 3,45 Millionen sind ja nur der Förderanteil.

Aber genau solche Posten machen auch deutlich, wie komplex ein gut organisierter ÖPNV eigentlich ist und dass man gut daran tut, ihn als organisches System zu betrachten, und nicht nur als geldverschlingendes Störelement, wie es in der Verkehrspolitik leider noch viel zu oft passiert.

ÖPNV-Fördervorhaben in Sachsen 2017.

So können Sie die Berichterstattung der Leipziger Zeitung unterstützen:

Ralf Julke über einen freien Förderbetrag senden.
oder

Keine Kommentare bisher

Kleiner Hinweis für die Redaktion.
Es befinden sich schon zwei neue Straßenbahnwagen in der Stadt. Der erste Wagen kam im Dezember wird seit kurzem im Netz getestet. Der zweite Wage wurde letzte Woche geliefert und steht zur Zeit auf dem Messegelände.

Schreiben Sie einen Kommentar