Seit 2015 befinden sich Leipzigs Fraktionen in einem seltsamen Modus. Wie eine Mohrrübe wurde ihnen das Versprechen präsentiert, man könne den Leipziger ÖPNV mit „ergänzenden Finanzierungswegen“ sichern. Selbst Linksfraktion und Grünenfraktion glauben an das Heilsversprechen – und haben jetzt gemeinsam einen Antrag gestellt, den OBM in die Spur zu schicken.

„Der Stadtrat bekennt sich zu der Absicht, kommunalpolitisch ergänzende Finanzierungswege für den ÖPNV einzuführen, wenn die übergeordneten Ebenen, insbesondere der Freistaat Sachsen, die rechtlichen Voraussetzungen dafür geschaffen haben“, heißt es darin. Denn das Prüfergebnis des Mitteldeutschen Verkehrsverbundes (MDV) im Dezember lautete ja eindeutig: Fünf der sechs Finanzierungsvorschläge sind rechtlich gar nicht möglich. Bund und Land müssten den Kommunen dazu erst einmal neue Rechte einräumen. Lediglich der Vorschlag, die Grundsteuer zu erhöhen und damit frisches Geld für den ÖPNV im Haushalt zu gewinnen, ist ohne solche Gesetzesänderungen möglich.

Im Grunde müssten auch die Stadtratsfraktionen alarmiert sein, wenn man das große Heilsversprechen nur dadurch bekommt, dass man dafür Gesetze ändern muss. „Der Stadtrat beauftragt den Oberbürgermeister, sich gegenüber Bund und Freistaat sowie im Deutschen Städtetag für notwendige Gesetzesänderungen einzusetzen, damit Kommunen die Möglichkeit erhalten, ergänzende Finanzierungswege auf kommunaler Ebene einzuführen“, heißt es im Antrag.

Und die Erwartung wird überdeutlich, dass beide Fraktionen tatsächlich glauben, dass die „ergänzenden Finanzierungswege“ tatsächlich mehr Geld in die Kasse spülen, gar so viel, dass der ÖPNV gestärkt werden kann. Was aber bei keinem einzigen der sechs Vorschläge tatsächlich der Fall ist. Der Fahrgastverband Pro Bahn warnt dringend davor, auch nur einen der Vorschläge umzusetzen.

Da helfen auch keine schönen Begründungen, wie sie im Antrag der beiden Fraktionen stehen: „Der ÖPNV ist das Rückgrat urbaner Mobilität, denn den ÖPNV können (fast) alle nutzen: Auch wer nicht (mehr) Rad fahren oder sich kein Auto leisten kann oder will, ist mit dem ÖPNV auch über die begrenzte Distanz, die man zu Fuß bewältigen kann, hinaus mobil. Zwar stehen Bund und Land in der Pflicht, den ÖPNV angemessen zu finanzieren. Insbesondere in Sachsen, wo unterdurchschnittlich wenig Geld im Verkehrsbereich für den ÖPNV ausgegeben wird.

Aber die Probleme der Finanzierung des ÖPNV haben die Kommunen bzw. hier Leipzig auch dann, wenn Bund und Land keine höheren Beträge zur Verfügung stellen. In dieser Situation muss die Stadt in die Lage versetzt werden, entsprechende Einnahmen zu generieren, um den ÖPNV zu finanzieren. Es ist angemessen, dass über die ergänzenden Finanzierungswege nicht nur die Nutzer*innen des ÖPNV an der Finanzierung beteiligt werden, denn vom ÖPNV profitieren alle: wochentags verhindert der ÖPNV noch größere Staus und am Wochenende freuen sich auch viele Autofahrer über das Angebot des ÖPNV. Außerdem profitieren alle von weniger Lärm und Luftverschmutzung.“

Ein schönes Argument, das aber außer Acht lässt, dass die Stadt Leipzig selbst für die größte Kürzung beim ÖPNV verantwortlich war. Sie hat die Zuschüsse an die stadteigenen Leipziger Verkehrsbetriebe (LVB) um über 15 Millionen Euro gekürzt. Das ist eine Größenordnung, die lediglich durch eines der vorgestellten Finanzierungsinstrumente (wieder) eingespielt werden kann: die Erhöhung der Grundsteuer. Im Effekt aber würde man nur das, was man im Verbund der LVV „eingespart“ hat, nun wieder auf alle Leipziger als Kosten verteilen.

Tatsächlich war schon die Beauftragung, solche „ergänzenden Finanzierungswege“ zu suchen, ein Ausweichmanöver genau in dem Moment, in dem die ersten Ratsfraktionen ankündigten, dass sie weitere Preissteigerungen bei den LVB nicht mehr mittragen wollen. Das Ergebnis des Auftrags ist nicht mal bescheiden, sondern nicht belastbar. So, wie die Vorschläge dastehen, sind sie allesamt keine Lösung für das Finanzierungsproblem im Leipziger ÖPNV.

Das traut sich nur augenscheinlich niemand zu sagen.

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