Für die IHK war die Schlussfolgerung aus der von ihr beauftragten Verkehrsstudie klar: Leipzig braucht wieder ein großes Straßenbauprogramm, um die zu erwartenden Fahrzeugströme verkraften zu können. Der Leipziger Ökolöwe findet die Zahlen auch gut – zieht aber eine ganz andere Konsequenz daraus.

Die Befragung von Autofahrern an sieben Leipziger Ausfallstraßen durch die IHK Leipzig bestätige nämlich, was unter Verkehrsplanern schon länger bekannt sei.

„Über 70 Prozent der Autofahrten auf diesen Ausfallstraßen ist privater Autoverkehr, der potentiell auch auf die umweltfreundliche und flächensparende Straßenbahn oder S-Bahn verlagert werden kann, wenn denn das Angebot stimmt“, erklärt dazu Tino Supplies, verkehrspolitischer Sprecher des Ökolöwen. „Im städtischen Gesamtverkehr ist das Potential für Bus und Bahn sowie den Radverkehr noch mal deutlich höher.“

Er verweist auf den Stadtentwicklungsplan (STEP) Verkehr und Öffentlicher Raum, den der Stadtrat erst vor zwei Jahren beschlossen hat. Danach solle – trotz Bevölkerungswachstum –  die Belastung durch den Autoverkehr ungefähr auf heutigem Niveau gehalten werden, auch wenn der Anteil prozentual sinken soll – nämlich von derzeit knapp 40 auf 30 Prozent. Dass dies ein realistisches Ziel ist, würden Städte wie Hamburg oder Wien zeigen.

Das funktioniert aber nur, wenn parallel das Angebot im ÖPNV deutlich verbessert wird.

Insbesondere Wien sollte laut Supplies dabei Orientierung geben.

„Trotz eines starken Wachstums um 100.000 Einwohner in nur fünf Jahren haben die Wiener einen Rückgang des Autoverkehrs um 6 Prozent hinbekommen. Das gelang vor allem durch deutliche Angebotsverbesserungen bei Bus und Bahn und die Einführung eines unschlagbar günstigen Jahrestickets von 365 Euro.“

Im Ergebnis besitzen heute 40 Prozent aller Wiener Bürger solch ein günstiges Jahresticket der Verkehrsbetriebe. Im letzten Jahr gab es mehr verkaufte Jahreskarten, als Autos in der Stadt angemeldet sind. Was dann so ungefähr das Gegenteil von Leipzig ist, wo das Jahresabo fast doppelt so teuer ist und gerade die Abo-Kunden bei jeder Fahrpreiserhöhung der letzten Jahre besonders zur Kasse gebeten wurden.

Man merkt allein schon bei diesen Beschlüssen in der Gesellschafterversammlung des Mitteldeutschen Verkehrsverbundes (MDV), dass dort vor allem Autofahrer sitzen, die nicht wirklich ein Gefühl dafür haben, wie ein attraktiver und barrierrearmer ÖPNV aussehen muss.

Leipzig ist weit von den Wiener Erfolgen entfernt. Ein Grund: Die rigide Sparpolitik gerade bei der Finanzierung der LVB.

Aufgrund der unverhältnismäßig hohen Kürzung der städtischen Mittel für den Nahverkehr steigen in Leipzig die Ticketpreise immer weiter, kritisiert der Ökolöwe. Gleichzeitig stagniert das Angebot.

„Der Oberbürgermeister ist aufgefordert, die Preisspirale bei den LVB endlich zu beenden“, fordert Supplies. „Er sollte damit aufhören, den neuen Nahverkehrsplan auszubremsen. Es muss jetzt zügig ein Zukunftsprogramm für Bus und Bahn erstellt, ausfinanziert und umgesetzt werden, damit Leipzig trotz Wachstum lebenswert bleibt.“

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