Für FreikäuferEs war nicht der erste Vorstoß der Linksfraktion zu einem Tarifmoratorium für die LVB. Und es ist auch nicht der erste, dem Leipzigs Verwaltung mit völligem Unverständnis begegnet. Sie hält einen Auftrag an den OBM, in dem Gremium des MDV gegen eine Erhöhung der Fahrpreise zu stimmen, für rechtswidrig. Eine Feststellung mit Tücken. Selbst wenn sie auf den ersten Blick stimmt.

In der Stellungnahme der Verwaltung zum Antrag der Linken heißt es: „Anpassungen und Änderungen des Verbundtarifs können grundsätzlich nur erfolgen, wenn die Gesellschafterversammlung nach Vorbehandlung im Aufsichtsrat durch eine Stimmmehrheit der Gesellschafter (Verbundunternehmen und Aufgabenträger) den Zeitpunkt und die Höhe einer Tarifanpassung beschließt. In einem weiteren Schritt beschließt die Gesellschafterversammlung, wie die Anpassung bei den einzelnen Tarifpositionen umgesetzt wird bzw. welche Positionen geändert werden.“

So weit so klar: Die versammelten Verkehrsunternehmen und die Kommunen als Aufgabenträger beschließen eine Tariferhöhung. Oder auch nicht. Rechtlich können sie auch darauf verzichten, wenn genug Geld in der Kasse ist. Wer Mitglied des Mitteldeutschen Verkehrsverbundes ist, ist quasi gebunden. Er kann nicht einfach ausscheren und sagen: Da mache ich nicht mit.

Meint zumindest Leipzigs Stadtverwaltung.

Aber in ihrer Absolutheit ist die Aussage falsch. Denn vor dem Beschluss zur Tariferhöhung gibt es die Verhandlungen über deren Höhe und auch über deren Differenzierung. Denn die Tarifanpassung gilt nicht für alle Unternehmen im Verbund gleichermaßen. Während die Leipziger zum 1. August wieder eine Erhöhung von 3 Prozent verpasst bekamen, hielten sich die Unternehmen in den Landkreisen mit 2 Prozent deutlich zurück.

Über die Differenzierung wird in Leipzig nie diskutiert, weil es immer nur um Ja oder Nein geht, obwohl der eigentliche Ärger in der Höhe der Tarifanpassung liegt. Hätten sich die LVB all die Jahre darauf beschränkt, eine Tarifanpassung in Höhe der tatsächlichen Inflation durchzusetzen, hätte wahrscheinlich niemand diskutiert. Dann hätten die jährlichen Preissteigerungen bei rund 1,5 Prozent gelegen. Liegen sie aber nicht. Meist liegen sie bei 3 Prozent, dem Doppelten.

Aber schon die letzten Forderungen nach einem Tarifmoratorium hat die Verwaltung mit folgendem Argument abgelehnt: „Ein Widerspruch der Gesellschafterversammlung gegen eine Tarifanpassung kann u. a. nur dann erfolgen, wenn die Aufgabenträger, welche mit ihren Stimmrechten einen solchen Beschluss herbeiführen (im Falle eines Tarifmoratoriums die Stadt Leipzig), den Verbundunternehmen und den einnahmeberechtigten Aufgabenträger-Gesellschaftern die sich hieraus ergebenden Einnahmeausfälle ausgleichen.“

Pause. Das gilt, wie gesagt, nur, wenn Leipzig und die LVB in der Gesellschafterversammlung generell gegen eine Tariferhöhung stimmen würden, also die anderen Unternehmen auch daran hindern würden, ihre Preise zu erhöhen. Dann gehen sie quasi für ihr Verhalten in Haftung und müssen auch den anderen Unternehmen ihre (wahrscheinlichen) Einnahmeausfälle bezahlen.

Aber da wird es erst recht spannend, weil hier mit Zahlen hantiert wird, die logischerweise auch im Stadtrat erst einmal für Schockstarre sorgen.

Weiter heißt es nämlich: „Für die in den Gremien des Mitteldeutschen Verkehrsverbundes (MDV) beschlossene Tarifanpassung zum 01.08.2017 würde dies einen Einnahmeausfall i. H. v. etwa 4,1 bis 6 Mio. € in der Tarifzone Leipzig sowie 6,3 bis 10,1 Mio. € im gesamten MDV-Gebiet bedeuten. Die im Falle der durch ein Tarifmoratorium anfallenden Einnahmeausfälle für das Jahr 2018 würden sich voraussichtlich in einer ähnlichen Größenordnung bewegen. Würde auch in den kommenden Jahren eine Tarifanpassung ausbleiben, ergäbe sich durch die Kumulation der fehlenden Mittel ein entsprechend höherer Betrag. Im Haushalt der Stadt Leipzig sind für den Ausgleich eines solchen Einnahmeausfalls keinerlei Mittel eingestellt.“

Wer so fröhlich drauflos kumuliert, der bekommt natürlich bald untragbar hohe Millionenausfälle.

Wie aber sieht die Realität aus?

Seit 2007 haben die Leipziger Verkehrsbetriebe (LVB) ihre Fahrgasteinnahmen von 62,8 auf 90,8 Millionen Euro gesteigert. Im Schnitt also um 3,1 Millionen Euro pro Jahr. Mit Schwankungen – mal mehr, mal weniger. Ein Wert, der deutlich unter den von der Verwaltung genannten 4,1 bis 6 Millionen Euro liegt.

Fahrgastzahlen und Linieneinnahmen 2007 bis 2016. Grafik: LVB, Geschäftsbericht 2016
Fahrgastzahlen und Linieneinnahmen 2007 bis 2016. Grafik: LVB, Geschäftsbericht 2016

Dazu kommt: Im selben Zeitraum haben die LVB auch ihre Fahrgastzahlen gesteigert – um 24,1 Millionen Fahrgäste bzw. 19 Prozent. Auch der Fahrgastzuwachs hat höhere Fahrgeldeinnahmen gebracht. Das heißt: Die Summe, die durch Fahrpreiserhöhungen zusätzlich eingespielt wurde, muss noch niedriger liegen.

Und hier wird das eigentliche Problem des Konstrukts MDV sichtbar, das für sämtliche Stadträte eine Blackbox ist. Sie erfahren nicht wirklich, wie die Zahlen zustande kommen, wer da was auf welcher Grundlage ausgerechnet hat und wie belastbar scheinbar so genaue Zahlen wie die genannten 4,1 Millionen Euro sind.

Sie bekommen nur jedes Jahr aufs Neue einen neuen Satz neuer Fahrpreise ausgespuckt, denen sie zustimmen können oder es auch sein lassen können. Die Stadtratsfraktionen haben kein Zahlenmaterial zur Verfügung, auf Grundlage dessen sie einschätzen können, wie realistisch die Prognosen sind und ob Leipzig überhaupt noch Geld an die anderen Verbundunternehmen zahlen müsste, wenn es zum Beispiel nur eine 1,5-prozentige Tarifsteigerung will.

Oder eine Tarifsteigerung auch einmal an Bedingungen knüpft. Die LVB sind zwar der größte Geldgeber im Verbund – wenn aber Umlandgemeinden ihre Anschlüsse Richtung Leipzig verschlechtern, weil sie glauben, nur den ÖPNV auf ihrem Gebiet effizienter machen zu müssen, scheint das Leipziger Unternehmen geradezu machtlos zu sein.

Das System stimmt so nicht. Aber gerade die Fahrpreisdiskussion zeigt, wie intransparent es ist.

Die Verwaltung meint dann auch noch: „Zudem sind die Aufsichtsräte grundsätzlich dem Unternehmen verpflichtet und nicht dem Gesellschafter und unterliegen damit der Pflicht, im Sinne des Unternehmens zu handeln. Eine Anweisung des Gesellschafters, dass die Aufsichtsräte in einer bestimmten Form abstimmen sollen, ist somit unzulässig und widerspricht geltendem Recht.“

Was so nicht stimmt. Im Gegenteil: Die Aufsichträte sind zuallererst dem Gesellschafter verpflichtet – im Fall der entsandten Stadträte also der Stadt Leipzig, im Fall der von den LVB entsandten sind sie es den LVB gegenüber.

Aber da verliert man sich wieder in rechtlichen Details, ohne das Grundproblem zu benennen: Leipzigs Stadträte erfahren nie wirklich, wie die Preiskalkulationen bei LVB und MDV zustande kommen. Sie stimmen über etwas ab, dessen Grundlagen sie nicht nachvollziehen können.

Auch nicht in ihren negativen Wirkungen – denn steigende Ticketpreise sorgen logischerweise auch für Abwanderungstendenzen.

Und ob tatsächlich die durch nichts untermauerten 4,1 bis 6 Millionen Euro fehlen am Jahresende, weiß erst recht niemand, weil auch die Untersuchungen für die konkreten Gründe für die steigenden Fahrgasteinnahmen fehlen.

Im Grunde artet auch der Kampf der Stadträte um auch nur ein wenig Einfluss auf die Leipziger Fahrpreise wie bei anderen Themen in ein Hase-und-Igel-Rennen aus, in dem die ausgelagerten Entscheidungsgremien ihre Informationshoheit dazu nutzen, der Ratsversammlung jeden Einfluss auf das eigene Verkehrsunternehmen zu nehmen.

Die Karten gehören auf den Tisch.

Die komplette Antwort der Verwaltung.

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Es gibt 4 Kommentare

Oder anders ausgedrückt: warum sollte sich die Stadt um ein funktionsfähiges Verkehrsnetz bemühen, dass alle Verkehrsträger berücksichtigt; wenn es doch die LVB gibt (die ja auch gefördert werden soll; aber eben nicht auf Kosten der Bürger und zu diesen teilweise schlechten Konditionen.).

Bei dem ÖPNV handelt es sich ja um ein Monopol. Und man sieht hier sehr deutlich, was passiert, wenn ein teilprivatisiertes Unternehmen im Monopol kommunale Aufgaben übernimmt. Lösung a) ist die Verstaatlichung der Aufgabe (wobei ich bezweifle, dass die Kompetenzen in der Verwaltung vorhanden sind). Lösung b) (und sehr viel warscheinlicher) ist demnach mehr ernsthafter Wettbewerb zwischen den Verkehrsträgern oder innerhalb der Verkehrsträger (ersteres scheint durch fehlende oder schlechte Verkehrssysteme bzw. -planungen in Leipzig eher nicht möglich zu sein, letzteres ist eher abwegig aufgrund hoher Investitionskosten.) Ein Schelm wer da Böses denkt….

Damit folgt auch der MDV den anderen. Alles wird von der Verwaltung im Verbund mit der Politik in Bereiche verlagert, wo der Bürger entweder kein Auskunftsrecht besitzt oder alles so verschleiert wird das man da nicht mehr durch sieht. Bestes Beispiel dazu sind die Zahlenkonstrukte zur Abschaffung der Linie 9 nach Markkleeberg.

Es ist schon Wahnsinn wie sich unsere Staatsvertreter für uns einsetzen, ich bin für Verstaatlichung und freie Fahrt für alle. Es würden die ganzen Automaten wegfallen die sowie so nicht immer funktionieren. Und die LVB muss eine Aufsichtsbehörde unterordnen. Transparenz für die Fahrpreise

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