Ist die Riesaer Straße nicht eigentlich runter von der Liste der Problemstellen im Leipziger Radnetz? Nicht wirklich, auch wenn das Verkehrs- und Tiefbauamt am Dienstag, 7. September mitteilte: „Straßenabschnitt auf Riesaer Straße erhält neuen Radfahrstreifen“. Eher machte die Mitteilung deutlich, wie spät Leipzig dran ist mit den Radwegmarkierungen und was für eine Mammutaufgabe da noch vor dem VTA liegt.

Zwischendurch war das Radstreifenprogramm, das schon 2012 mit dem Radverkehrsplan 2010–2020 beschlossen worden war, fast völlig zum Erliegen gekommen. Gewichtige Funktionäre beschwerten sich polternd im Rathaus über die Zumutung, die sie in diesen auf die Fahrbahn aufgetragenen Radstreifen sahen.Wirklich Bewegung kam erst wieder in die Sache, als sich im OBM-Wahlkampf 2019 abzeichnete, dass es eine weitere Amtszeit von OBM Burkhard Jung (SPD) nur geben würde, wenn er auch von Grünen und Linken Unterstützung erhalten würde. Und die verbanden das logischerweise mit Forderungen, endlich auch Thermen wie die Verkehrswende ganz oben auf die Agenda zu setzen.

Und so kehrte auch das Radstreifenprogramm wieder zurück, wenn auch mit einigen Startproblemen, wie eine Linke-Anfrage von 2020 ergeben hatte. „Die Realisierung von Radwegmarkierung konnte nur im Rahmen des für diese Leistung zur Verfügung stehenden Budgets erfolgen“, erklärte das VTA mit Blick auf die dann doch recht geringe Zahl der 2019/2020 neu geschaffenen Radstreifen. Einige waren schlicht überfällig, um endlich unfallträchtige Situationen zu entschärfen.

In der Antwort des VTA tauchte dann auch endlich die Riesaer Straße auf: „Riesaer Straße zwischen Theodor-Heuss-Straße und dem Straßenbahnhof Paunsdorf“.

Warum der Abschnitt fällig war, erklärt das VTA jetzt so:

„Um den Komfort und die Sicherheit für Radfahrerinnen und Radfahrer zu erhöhen, werden derzeit auf der Riesaer Straße im Abschnitt zwischen Am Bauernteich und Straßenbahnhof Paunsdorf beidseitig Radfahrstreifen eingeordnet. Die entsprechenden Markierungsarbeiten sind Teil des Aktionsprogramms Radverkehr, für das im Sommer und Herbst in insgesamt sechs Straßenabschnitten in Leipzig neue Radverkehrsanlagen mit einer Länge von fast sieben Kilometern realisiert wurden beziehungsweise werden. So unter anderem in der Schomburgkstraße, der Karl-Heine-, sowie der William-Zipperer-Straße. Die Gesamtkosten aller Maßnahmen belaufen sich auf 210.000 Euro und werden aus den vom Stadtrat beschlossenen Mitteln des Aktionsprogramms finanziert, auch Fördermittel sind beantragt.

Dabei werden auf der Riesaer Straße die viel zu schmalen und inzwischen sehr unebenen Radwege durch einen Radfahrstreifen ersetzt, der auf der bislang bis zu 5,90 Meter breiten Fahrbahn geführt wird. Zudem werden auf der nördlichen Seite, im Abschnitt zwischen Karl-Bücher-Straße und der Straße Am Bauernteich, auf 250 Metern Länge neue Kfz-Stellplätze geschaffen. Zwischen diesen Stellplätzen und dem Radfahrstreifen wird ein Sicherheitstrennstreifen markiert. Dieser soll helfen, sogenannte Dooring-Unfälle zu vermeiden – also Zusammenstöße aufgrund plötzlich geöffneter Autotüren.“

Man schafft also mit dem Radstreifen auch neue Stellplätze für Autos. Der Kfz-Verkehr wird dafür teilweise auf die Gleise der Straßenbahn verlegt, wo am Mittwochmorgen noch die bisherigen Straßenmarkierungen entfernt wurden. Insgesamt verliert die Riesaer Straße so ihren alten Charakter einer vierspurigen Schnellstraße.

Bis zur Gutsparkstraße werden neue Stellflächen für Pkw abmarkiert. Foto: Ralf Julke
Bis zur Gutsparkstraße werden neue Stellflächen für Pkw abmarkiert. Foto: Ralf Julke

Aber der Hinweis auf die „viel zu schmalen und inzwischen sehr unebenen Radwege“ trifft eben auch auf den kompletten westlichen Teil der Riesaer Straße zu. Im Grunde schließt sich dieses Straßenstück direkt an Problemstelle Nr. 4, die Wurzner Straße, an. Denn dort hören ja die Provisorien nicht auf, wenn die Radfahrer/-innen unter der ersten Eisenbahnbrücke durch sind. Denn dort werden sie kurzerhand auf den Rad-/Fußweg geführt, der unter der zweiten Eisenbahnbrücke dann selbst für einen Fußweg eigentlich zu schmal ist.

Es ist eine Engstelle, die geradezu danach schreit, dass es hier auf Radfahrstreifen weitergehen muss. Denn auf der Riesaer Straße beginnen ja dann die erwähnten „viel zu schmalen Radwege“, die auch zwischen Ostheimstraße und Theodor-Heuss-Straße im selben desolaten Zustand sind wie ostwärts der großen Kreuzung mit der Theodor-Heus-Straße.

Dass die Stadt hier schon lange Handlungsbedarf sieht, kann man an der östlichen Straßenbahnhaltestelle erkennen, denn hier wurden schon vor Jahren Radstreifen aufgebracht. Sie erzählen von dem jahrelang in Leipzig gepflegten Stückwerk, obwohl auch die Verkehrsplaner wissen, dass das Stückwerk die Sicherheit nicht wirklich erhöht.

Am Bauernteich wird der Radstreifen dann wieder auf ein kurzes Stück erhöhten Radweg geführt. Foto: Ralf Julke
Am Bauernteich wird der Radstreifen dann wieder auf ein kurzes Stück erhöhten Radweg geführt. Foto: Ralf Julke

„Nur durch gegenseitiges Sehen und Gesehenwerden sind Radfahrerinnen und Radfahrer sicher“, sagt der Radverkehrsbeaufragte, Dr. Christoph Waack dazu. Und Radfahrstreifen sorgen dafür, dass die Autofahrer/-innen nicht nur die abgetrennte Radspur deutlich erkennen können, sondern auch die Radfahrer sehen, die dort fahren.

Deswegen werden die alten Radwege jetzt auch abgeklemmt, wie das VTA mitteilt: „Die baulich noch vorhandenen, aber unter anderem wegen der zu geringen Breite nicht mehr nutzbaren Radwege, werden an den Straßeneinmündungen durch Sperrbaken unzugänglich gemacht. Radfahrerinnen und Radfahrer können dann nur noch die Radfahrstreifen auf der Fahrbahn nutzen. Radverkehr im Sichtfeld der Autos stellt die sicherste Form der Radverkehrsführung an Hauptverkehrsstraßen dar.“

Beseitigt wird mit den Arbeiten auch eine 50 Meter lange Engstelle im Bereich der Riesaer Straße 48, an der sich bislang Fuß- und Radverkehr einen schmalen Gehweg teilen mussten. Hier können Fußgänger ab sofort den Gehweg ungestört in ganzer Breite nutzen.
Nur Am Bauernteich werden die Radfahrer/-innen doch noch einmal auf den schmalen Radweg geführt. Hier ist – wie im Bild zu sehen – die durchgängige Lösung noch nicht gefunden.

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Es gibt 2 Kommentare

An Hauptstraßen parkende Autos sind werblich für eine dynamische Entwicklung einer Stadt. Leere Straßen mit nur wenigen Menschen sehen nach flächendeckender Armut aus und schrecken überregionale Investoren ab.

Diese Denke, die es in den 1980er Jahren tatsächlich gab (“Großstadterlebnis: tosender Verkehr”), wird bei der Stadt Leipzig weiterhin gelebt, wie überhaupt dieser Laden nach der Wende so ziemlich jeden Fehler, den westdeutsche Großstädte in den 1960er Jahren gemacht und schon wieder abgemildert haben, akribisch nachgemacht hat.

“Man schafft also mit dem Radstreifen auch neue Stellplätze für Autos. Der Kfz-Verkehr wird dafür teilweise auf die Gleise der Straßenbahn verlegt, […]”

Hauptsache die LVZ haut dann nicht wieder in die Kerbe ‘wegen den Radwegen werden Straßenbahnen behindert’.

Diese Parkplätze wird man wahrscheinlich nicht so einfach wieder los. Warum ist es der Stadt wichtiger, dass auf Hauptstraßen geparkt werden kann, anstatt den Platz der Straßenbahn zu geben? (wie in der Georg-Schumann-Straße, wo die Karossen 5 Meter der Straßenbreite einnehmen)

Entspricht das dem Nachhaltigkeitsszenario?

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