Seit Freitag, 20. März, können sich die Leipziger auf einem interaktiven Stadtplan informieren, wo es in Leipzig Lebensmittel und Produkte aller Art aus fairer Produktion und fairem Handel zu kaufen gibt. "Interaktiver Einkaufsführer" nennt sich das Projekt der Steuerungsgruppe Fairtrade-Town Leipzig, das jetzt auf der Website der Gruppe zu finden ist.

„Es wird immer deutlicher, dass die Menschen ihren Einfluss als Konsumenten erkannt haben und diesen auch für Fairness und Nachhaltigkeit geltend machen. Ihnen wollen wir eine Informationsquelle zur Verfügung stellen, wo fairer und nachhaltiger Einkauf möglich ist“, erläutert Leipzigs Umweltbürgermeister Heiko Rosenthal den neuesten Schritt auf dem Weg zu einer Bewerbung um den Titel „Hauptstadt des fairen Handels“, die Leipzig in diesem Sommer starten will.

Fast 200 Einzelhändler, Gastronomen und andere Gewerbetreibende sind auf der Internetseite www.fairtrade-leipzig.de eingetragen – sowohl Fachgeschäfte mit einem umfassenden Fairtrade-Sortiment als auch Supermärkte und Discounter, die einzelne Artikel aus fairem Handel anbieten. Die Suche kann nach Stadtteil, Art des Produktes und Art der Einrichtung gefiltert werden.

Um die Filterfunktion kommt der Benutzer leider nicht herum. Denn um die vorhandenen Angebote zu kennzeichnen, wurden nur drei verschiedene Pin-Farben verwendet. Mit Orange wurden alle Bäckerläden, Restaurants und Cafés gekennzeichnet, die fair gehandelte Produkte im Angebot haben. Mit Grün alle Läden und Fachgeschäfte und mit Blau die “Sonstigen”. Wobei die “Sonstigen” gerade deshalb auffallen, weil es nur zwei sind: Die Souvenirläden im Zoo und der Oxfam-Shop in der Innenstadt.

Das aber, was man sich wirklich wünscht als Orientierung – eine klare Trennung zwischen den großen Ketten und Supermärkten, die faire Produkte als Nischenangebot führen, und den wirklich auf fairen Handel spezialisierten Geschäften, das fehlt leider noch.

Was nicht nur bedauerlich ist, sondern dem so wichtigen Anliegen eigentlich die Schärfe nimmt. Denn die Läden, die sich schon mit sehr viel Wagemut auf fairen Handel konzentrieren, gibt es ja. Sie sind die echten Pioniere, gehen das volle Risiko ein, mit einer Warenwelt zu konkurrieren, in der das Preisniveau durch massenhafte Dumping-Produktion deutlich niedriger liegt. Damit verwischt der Kern des Projektes, der den Konsumenten auch deutlich machen soll, dass der größte Teil des Warenangebots unter Bedingungen hergestellt wird, die so nicht nur keinesfalls tolerierbar, sondern auch sozial- und umweltschädlich sind.

Aber das ist leider auch verbunden mit einer Einengung der Sicht, die das ganze Projekt trägt. Nachzulesen unter dem, was man hier unter fairem Handel versteht: “Die Idee des fairen Handels ist die Sicherung des Lebensunterhalts und die Förderung von Kleinproduzenten in Entwicklungsländern.”

Das ist nur ein Aspekt. Und wenn man das Projekt Fairer Handel darauf beschränkt, wird man nicht mal die Hälfte der Problemlage sehen. Denn fairer Handel fängt vor der eigenen Haustür an. Auch in Sachsen kann fair produziert und gehandelt werden. Weil das aber ausgeblendet wird, fehlen zum Beispiel die Leipziger Wochenmärkte.

Es geht nicht nur um eine faire Bezahlung für die Produzenten in anderen Ländern, sondern um faire Produktionsstandards überall auf der Erde.

Die Konzentration auf die Produkte aus den Entwicklungsländern rückt natürlich den Fakt ins Zentrum, dass viele unserer Importprodukte nur deshalb so billig sind, weil die Entlohnung in den Ursprungsländern geradezu unterirdisch ist. So heißt es auf der Website: “Wenn Sie sich entscheiden, Fairtrade-Produkte zu kaufen, kann eine gerechte Bezahlung verwirklicht werden, die dem Produzenten ein Leben oberhalb des knappen Existenzminimums ermöglicht und z.B. für eine Versicherung, Arbeitsschutz, medizinische Versorgung, bessere Umweltverträglichkeit oder Schulbildung ausreichen kann. Dies wird unter anderem durch langfristige Abnahmeverträge, weitgehenden Direkteinkauf ohne Zwischen­händler, kostendeckende Preise und die Möglichkeit zur Vorfinanzierung von Investitionen erreicht.”

Ist ja nicht so, dass in den Entwicklungsländern andere wirtschaftliche Regeln gelten als in Sachsen. Aber ändern werden sich die wirtschaftlichen, gesellschaftlichen und auch die finanziellen Ungleichgewichte auf der Erde erst dann, wenn dieselben Standards für alle gelten. Was auch zwingend eine Änderung der Beschaffungspolitik in Deutschland voraussetzt.

Aber das scheitert dann oft wieder an den Sparhaushalten oder an der Einstellung regierender Parteien, solche Standards würden nicht in Ausschreibungsverfahren gehören.

So gesehen ist das Projekt “Fairtrade Town” ein erster, kleiner Schritt, der vor allem an die Bereitschaft der Leipziger appelliert, etwas stärker auf fair gehandelte Produkte zu achten.

Heiko Rosenthal: „Die Internetseite gibt auch einen laufenden Überblick über die zahlreichen Aktivitäten, die in Leipzig dafür sorgen, dass Menschen- und Arbeitsrechte in aller Welt stärkere Beachtung finden. Ich kann nur ermuntern, dort nachzusehen, welche vielfältigen und einfachen Möglichkeiten es gibt, einen Beitrag zu leisten.“

Die Internetseite www.fairtrade-leipzig.de ist ein Beitrag der lokalen Agenda 21, die in Leipzig nachhaltiges Denken und Handeln auf breiter Basis ankurbeln und beschleunigen will. Deshalb ist die Seite ebenfalls auf www.nachhaltiges-leipzig.de zu finden, wo Nachhaltigkeitsprojekte vorgestellt werden und ihre Initiatoren für Auskünfte gern zur Verfügung stehen.

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