Mit ihrer Fixierung auf exportorientierte Agrarfabriken hat die EU-Förderung fatale Folgen gebracht. Der Kontinent schwimmt in einer Überproduktion, die nicht nur Märkte in Afrika zerstört. Auch die heimischen Bauern leiden, weil sie zum Beispiel ihre Milch nicht kostendeckend an die großen Molkereien und Einzelhandelsketten verkaufen können. Sie greifen zur Selbsthilfe. Lokal ist wieder im Kommen.

Das stellte jüngst der Grünen-Abgeordnete Wolfram Günther fest, als er bei der Landesregierung nach den Rohmilch-Tankstellen fragte, die überall in Sachsen aus dem Boden schießen. 34 Milchtankstellen gibt es mittlerweile im Freistaat Sachsen. Das geht aus der Antwort von Landwirtschaftsminister Thomas Schmidt (CDU) auf eine Kleine Anfrage des landwirtschaftspolitischen Sprechers der Grünen-Fraktion hervor.

Betriebe, die auf ihren Höfen Rohmilchautomaten aufgestellt haben, müssen hohe Hygienestandards und besondere bauliche Auflagen erfüllen, um die Direktvermarktung umsetzen zu können.

„In Zeiten von Struktur- und Preiskrisen und gleichzeitigem Trend zu Regionalität und Direktvermarktung werden alte Vertriebsmöglichkeiten wiederbelebt. Milchtankstellen erzielen zumeist einen höheren, das heißt realistischeren Literpreis, als beim Verkauf der Milch an Molkereien. Es zeigt sich, dass Kunden höhere Preise und den Weg zum Bauernhof in Kauf nehmen, um ‚ihre‘ Bauern zu unterstützen“, erklärt Günther. „Der Gemeinschaftsgedanke war früher – gerade in ländlichen Räumen – überlebenswichtig. Derzeit beginnt er in einigen Regionen wieder aufzublühen.“

Und dazu kommt, was die Leipziger zum Beispiel im Südwesten erleben: der große Milchviehbetrieb bleibt nicht länger anonym, weil seine Produkte immer gleich zu den großen Verarbeitern gehen. Auf einmal gibt es die Milch aus der Region praktisch gleich in Nähe der Ställe und Weiden, wo die Kühe stehen.

„Milchtankstellen sind natürlich nur ein Schritt von vielen, die notwendig sind, um zu mehr Regionalvermarktung und höherer regionaler Wertschöpfung zu gelangen. Dies macht die sächsische Landwirtschaft unabhängiger von internationalen Preiskrisen. Das Geld bleibt vor Ort und trägt zur Entwicklung des ländlichen Raums bei“, benennt Günther den Vorteil dieses ersten kleinen Schritts heraus aus einem anonymen System, in dem große Konzerne alle Kreisläufe dominieren und damit den Kunden auch entfremden von der regionalen Produktion. Günther: „Jetzt gilt es‚ die Kuh bei den Hörnern zu packen und weitere Landwirtschaftsbetriebe bei der Einrichtung von Hofläden und Milchtankstellen zu unterstützen. Um die Betriebe zielgerichtet zu beraten, sollte der Freistaat evaluieren, welche Milchtankstellen funktionieren und welche nicht sowie die jeweiligen Gründe.“

Wolfram Günthers (Grüne) Anfrage zu den Milchtankstellen in Sachsen. Drs. 7174

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