Es war ein ganz dickes Ei, das der Leipziger Stadtrat am 25. Januar 2012 legte. "Umsetzung der Ratsbeschlüsse Nr. 279/10 und Nr. 675/11: Strategische Neuausrichtung des LVV-Konzerns" hieß es und beinhaltete nicht nur den 100prozentigen Verkauf der beiden Stadtwerke-Töchter Perdata und HL komm. Die wurden immerhin noch beide namentlich abgestimmt.

Im Gesamtbeschluss gab es auch ein ganzes Auflagenpaket der Landesdirektion, das vom Stadtrat sogar mehrheitlich mit “einigen Gegenstimmen” angenommen wurde. Darin war auch der Auftrag an die LVV verankert, sich von nicht betriebsnotwendigem Vermögen im LVV-Konzern zu trennen.

Und als nicht betriebsnotwendig erachtete die Landesdirektion zum Beispiel das Wassergut Canitz, das sich über dem Trinkwasserreservoir der Wasserwerke Leipzig befindet und von diesen seit 1994 als ökologisches Gut bewirtschaftet wird.

Im Stadtratsbeschluss vom 25. Januar 2012 heißt es dazu: “Der Oberbürgermeister wird in Umsetzung der Auflage Nr. 3 des Änderungsbescheides der Landesdirektion zur Genehmigung der Kapitalausstattungsvereinbarung (KAV) vom 01.11.2011 beauftragt, in der Gesellschafterversammlung der LVV einen Beschluss herbeizuführen, der im Ergebnis in der Gesellschafterversammlung der KWL einen Prüfauftrag zum weiteren strategischen Umgang mit der Wassergut Canitz GmbH zur Folge hat. Die Beteiligungsrechte des Mitgesellschafters der KWL, dem ZV-WALL, sind dabei entsprechend zu wahren. – Der Prüfauftrag hat entsprechend obiger Auflage zwingend die Option einer vollständigen Veräußerung zu beinhalten. Das Prüfergebnis ist der Ratsversammlung mit einem Entscheidungsvorschlag bis zum 30.06.2012 vorzulegen.”Dass das kein so einfacher Gang werden würde, war Oberbürgermeister Burkhard Jung durchaus bewusst. Im April 2012 sagte er im L-IZ-Interview: “Das Ergebnis ist offen. Ich persönlich bin eher skeptisch, sage ich Ihnen ganz offen. Aber mal schauen, wie das Ergebnis der Prüfung dann aussieht.” Doch im Juni 2012 lag kein entsprechendes Ergebnis vor. Bis Jahresende auch nicht. Im Stadtrat wird da und dort gemunkelt, ein Ergebnis werde wohl erst nach der OBM-Wahl verkündet.

Die Kapitalausstattungsvereinbarung für die Wasserwerke Leipzig war 2011 notwendig geworden, nachdem der ehemalige Geschäftsführer der Wasserwerke Klaus H. mit illegalen Geschäften ein Haftungsrisiko von rund 300 Millionen Euro vor allem mit CDOs aufgehäuft hatte. Mittlerweile ist er zwar schon einmal rechtskräftig verurteilt. Doch auf Antrag der Staatsanwaltschaft wurde der Prozess in Dresden neu aufgerollt, um vor allem den Verdachtsmoment Untreue gerichtsfest zu prüfen. Die Stadt Leipzig geht davon aus, dass er seine Geschäfte an Eigentümern und Aufsichtsrat vorbei getätigt hat.

Gleichzeitig laufen aber auch noch zwei Prozesse mit den an den dubiosen Deals beteiligten Banken – mit der Schweizerischen Großbank UBS in London und mit der Landesbank Baden-Württemberg in Leipzig. Da soll geklärt werden, wer nun für die verspielte Summe von rund 300 Millionen Euro einstehen muss – die Banken, die die Verträge vermittelt haben – oder die Wasserwerke Leipzig? – Weil bei aller Gewissheit immer noch ein Funke Unsicherheit da ist, hat der Stadtrat 2011 das Konstrukt Kapitalausstattungsvereinbarung beschlossen.

Der alte römische Spruch dazu heißt ja: “Coram iudice et in alto mari sumus in manu Dei.” Auf Deutsch: “Vor Gericht und auf hoher See sind wir in Gottes Hand.”

Es wäre trotzdem ein seltsamer Vorgang, wenn durch die windigen Finanztransaktionen eines ehemaligen KWL-Geschäftsführers ein für die Leipziger Trinkwasserversorgung so wichtiges Gut wie das Wassergut Canitz verkauft werden müsste. 1907 hat es die Stadt extra gekauft, um die Trinkwasserqualität für die wachsende Großstadt zu sichern. Ein Thema, das im Jahr 2013 noch genauso aktuell ist, denn von einer flächendeckenden ökologischen Landwirtschaft ist Sachsen um Lichtjahre entfernt. Im Gegenteil – nicht nur Flüsse und Seen leiden nach wie vor unter eingeschwemmter Schadstoffbelastung, auch in den Grundwasserreservoiren werden immer wieder diverse Schadstoffbelastungen nachgewiesen.

www.wassergut-canitz.de

Aktuelle Petition namens “Wasser ist ein Menschenrecht” zum EU-Recht
www.right2water.eu/de

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