Sind die Leipziger Stadtwerke ein Sorgenkind? Aus eigener Schuld ganz gewiss nicht. Aber der Energiemarkt ist mittlerweile derart unter Druck geraten, dass sich auch die Stadtwerke Leipzig der Entwicklung nicht mehr entziehen können. Das zweitwärmste Jahr der jüngeren Leipziger Geschichte hat zusätzlich ins Kontor gehauen und den Absatz von Gas und Fernwärme zusätzlich gedrückt. Am Ende stand dann noch ein Überschuss von 54,7 Millionen Euro, über 12 Millionen weniger als im Vorjahr.

Es ist nicht wirklich absehbar, dass die Leipziger Stadtwerke jemals witterungsunabhängig werden. Eher ist die Frage: Wie können sie sich einer Witterung anpassen, die immer wieder Rekordtemperaturen mit sich bringt?

Im Bilanzbericht heißt es dazu: „Die Hauptursache für die gegenüber dem Vorjahr rückläufige Ergebnisentwicklung war die wesentlich mildere Witterung. Die Gradtagszahl als Indikator für den Heizenergiebedarf lag für das Jahr 2014 19,0 % unterhalb des Vorjahreswertes. Die Jahresmitteltemperatur in Leipzig lag bei 11,4 °C und damit 1,7 °C über dem Wert des Vorjahres. Des Weiteren beeinflussten die Preisentwicklungen an den Energiemärkten und die damit einhergehenden Interdependenzen zwischen Beschaffungsportfolio und Erzeugungsmarge das Gesamtergebnis der Stadtwerke Leipzig negativ. Ergebnismindernd wirkte sich auch das wettbewerbsbedingte Nichterreichen von Akquisezielen im bundesweiten Geschäft aus.“

An den Strombörsen sind die Margen so tief gefallen, dass die Stadtwerke ihr Geschäft an den Börsen 2014 drastisch reduzieren wird – von 2,5 auf 1,7 Milliarden Euro Umsatz. Das richtige Geschäft wird dort nur noch mit kurzfristigen Ordern gemacht – ein hochvolatiles Geschäft, bei dem die Risiken deutlich steigen. Da kann sich ein Unternehmen wie die Stadtwerke nur zurückziehen.

Aber niedrige Preise im Stromhandel bedeuten eben auch, dass der Druck im eigenen Markt wächst, weil Mitbewerber mit Kampfpreisen antreten können.

Da hilft den Leipziger Stadtwerken dann auch das Bevölkerungswachstum nicht, wenn die neuen Kunden dann doch lieber einen billigeren Tarif eines Mitbewerbers nehmen – mit allen Risiken, die daran hängen.

So können die Stadtwerke die Gewinne im Börsenhandel nicht durch eine Ausweitung im Heimatgeschäft ersetzen. Könnten sie schon, wenn Winter wieder richtig knackekalt würden und die Leipziger gezwungen wären, die Heizung ordentlich aufzudrehen. Man hat 2014 sogar eine Menge Haushalte neu ans Fernwärmenetz anschließen können. Doch wenn gleichzeitig die Temperaturen hochgehen, wird’s kein Extra-Geschäft.

Oder im Text des Bilanzberichts: „Im Energievertrieb wirkten sich die milde Witterung sowie der weiterhin intensive Wettbewerb negativ auf das Ergebnis aus. Diese Effekte externer Prägung konnten durch Neuanschlüsse mit einer Leistung von 20,2 MW (Vorjahr 15,4 MW) im Fernwärmegeschäft sowie aufgrund der Entwicklung des tendenziell witterungsunabhängigeren Stromgeschäftes nur teilweise kompensiert werden. Die handels- und vertriebsbedingten Absatzmengen haben sich daraufhin im Vorjahresvergleich in allen drei Medien rückläufig entwickelt. Für Strom betrugen diese im Jahr 2014 43.585 GWh (Vj.: 55.105 GWh), für Gas 2.092 GWh (Vj.: 5.605 GWh) und für Fernwärme 1.198 GWh (Vj.: 1.483 GWh).“

Wobei der starke Rückgang beim Strom von 55.105 auf 43.585 GWh vor allem auf die gedrosselten Geschäfte im Großhandel zurückgeht. Die Größenordnung des in Leipzig verbrauchten Stroms liegt bei rund 6.500 GWh im Jahr. Wobei die Geschäftsleitung der Stadtwerke sich durchaus ärgert, dass man nicht die geplanten Großaufträge für Strom einwerben konnte, wie man es eigentlich wollte.

Aber auch da schlägt mittlerweile das niedrige Strompreisniveau zu: Es sind zu viele Akteure unterwegs, die mittlerweile mit allen Mitteln versuchen, irgendwo noch ihre Strommengen absetzen zu können. Und die Besitzer konventioneller Kraftwerke gehören dazu.

Tatsächlich werden Stadtwerke von mehreren Seiten unter Druck gesetzt. Der Weg in den Stromgroßhandel war ja auch ein Versuch gewesen, der Bedrängung im eigenen Heimatmarkt auszuweichen und das Geld anderswo zu verdienen. Das ganze Konstrukt der Energiewende ist mittlerweile schief und labil und jeder Marktteilnehmer kämpft eigentlich nur noch für sich.

Eigentlich dachten die Stadtwerke ja, indem sie ihre Gas-und-Dampf-Turbinenanlage in der Eutritzscher Straße noch einmal flexibler machen, dass sie nun den richtigen Apparat für einen immer sensibleren Strommarkt haben. Aber warme Jahre wie 2014 bedeuten eben auch, dass die GuD-Anlage noch seltener läuft. Und am Ende waren LVV und Stadtwerke froh, dass die Modernisierung der Anlage sie wenigstens so fit gemacht hat, dass sie einigermaßen die Investitionen einspielt:

„Das Ergebnis des GuD-KW Leipzig wurde vor allem von der Entwicklung am Strommarkt und der daraufhin negativen Spread-Entwicklung geprägt. Die aktive Vermarktung der Realoption am Terminmarkt, die Optimierung des Anlageneinsatzes und die ab Mai 2014 wirkende KWK-Modernisierungszulage konnten die strompreisbedingten Tendenzen nicht vollständig kompensieren. Der auf Wirtschaftlichkeit ausgerichtete Anlageneinsatz führte aufgrund der Rahmenbedingungen zu einer im Vorjahresvergleich um 29 GWh geringeren Nettostromerzeugung.“

Das Design des Strommarktes ist völlig imEimer. Und die Stelle, die eigentlich die Gaskraftwerke einnehmen sollten, nehmen heute die Braunkohlemeiler ein. Und so richtig Hoffnung, dass das in nächster Zeit repariert wird, strahlt der Bericht auch nicht aus:

„Für das GuD-KW Leipzig bestehen energiepolitische Chancen bei einer Novellierung des Gesetzes für die Erhaltung, die Modernisierung und den Ausbau der Kraft-Wärme-Kopplung (KWKG). Minimiert wird das Chancenpotenzial für konventionelle Kraftwerke durch die derzeit fragliche politische Unterstützung für eine mögliche Einführung eines Kapazitätsmarktes im Rahmen eines geänderten Strommarktdesigns.“

Kapazitätsmarkt wären jene (konventionellen) Kraftwerke, die einfach Gewehr bei Fuß stehen, falls es im von alternativem Strom dominierten Markt Spitzen und Einbrüche im Stromnetz auszugleichen gilt.

Man versteht schon, warum sich auch die LVV-Geschäftsführung lauter richtig kalte Winter wünscht. Aber das kann ja nicht wirklich Sinn einer Grundversorgung sein.

Und so verringerte sich dann aufgrund der Witterung der Vertrieb von Gas deutlich von 70,1 Millionen Euro auf 48,2 Millionen Euro, der von Fernwärme von 142,6 Millionen Euro auf 127 Millionen. Und auch der Stromvertrieb ging zurück – von 275,3 Millionen auf 208,8 Millionen.

Ausgeglichen wurde das Ergebnis vor allem durch die Gewinne der Stadtwerke-Töchter von insgesamt 14,2 Millionen Euro. Den größten Teil lieferte dabei die Retis Leipzig GmbH mit 12,5 Millionen Euro ab. Retis ist die Fernwärmetochter der Stadtwerke, die das Fernwärmenetz betreibt. So wie die Netz Leipzig das Stromnetz betreibt, doch die lieferte nur 400.000 Euro. Während die polnische Tochter GPEC, an der die Stadtwerke Leipzig mit 83,66 Prozent beteiligt sind, 10 Millionen Euro zum Ergebnis beitrug – 2 Millionen davon als einmaligen Sondereffekt.

Die großen Träume, die Stadtwerke könnten 60 oder 70 Millionen Euro Überschuss erwirtschaften, sind eigentlich Geschichte. Dazu ist der Markt viel zu heiß umkämpft. Auch Dr. Norbert Menke, Geschäftsführer von LVV und SWL, geht davon aus, dass die Zukunft des Leipziger Energiemarktes in der Kleinteiligkeit liegen muss. Die Stadtwerke müssen sich zum Dienstleister eines dezentralen Marktes mit vielen kleinen Erzeugern machen, die das Knowhow der Stadtwerke nutzen, um die – auch in dezentralen KwK-Anlagen – erzeugte Energie mit moderner Steuerungstechnik klug im Netz Leipzig zu verteilen.

Gleichzeitig sollen die Stadtwerke verstärkt in Windparks investieren. „Bis nach Mecklenburg rauf“, sagt Menke. Aber auf keinen Fall Offshore – das sei für ein Stadtwerk zu riskant.

Trotzdem sieht das Ziel für 2015 recht ambitioniert aus: „Die Stadtwerke Leipzig prognostizieren auf Basis der Wirtschaftsplanung für das Geschäftsjahr 2015 ein Ergebnis vor Gewinnabführung von Mio. EUR 59,4. (…) Die Entwicklung der Umsatzerlöse unterliegt im kommenden Jahr voraussichtlich einem leichten Anstieg (Mio. EUR 2.279,3). Dabei sind die Stadtwerke Leipzig von marginal steigenden Gradtagszahlen sowie weiterhin sinkenden Energiemarktpreisen ausgegangen.“

Ein wenig skeptisch schaute am Freitag, 6. Juni, bei der Ergebnispräsentation zumindest der kaufmännische Geschäftsführer der LVV, Volkmar Müller, drein: „Wenn die ersten drei Monate eines Jahres nicht wirklich kalt waren, dann werden aus guter Erfahrung auch die letzten drei Monate nicht so richtig kalt.“

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